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Tragodie am Hradschin

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Am 4. März wird in der Prager Erzdiözese das Fest der Übertragung des hl. Wenzel gefeiert; es erinnert daran, daß im Jahre 932 der Leichnam des ermordeten Landespatrons auf Veranlassung seines Mörders, des eigenen Bruders, von Alt-Bunzlau nach Prag übergeführt und hier in der Domkirche bestattet wurde.

Am Vortag dieses Festes erlebte heuer der Prager Veitsdom ein seltsames Schauspiel: eine feierliche Prozession bewegte sich aus dem erzbischöflichen Palais durch das Matthiastor der Prager Burg in den Veitsdom. In Anwesenheit von Vertretern des politischen und öffentlichen Lebens sowie von Priesterabordnungen aus allen Diözesen des Landes fand die feierliche Installation von vier Domherren statt: Pfarrer Dr. theol. J. Kubik, Prof. Anton Stehlik, Prof. O. Noväk und Professor der Cyrill-und-Method-Fakultät Dr. theol. F. Kotalik. Die Ansprache hielt der neue Kanonikus Stehlik. Beschlossen wurde der Festakt mit einem feierlichen Te Deum, den Staatshymnen und dem St.-Wenzels-Choral. Darauf begab sich die Prozession in das erzbischöfliche Palais zurück, wo bei einem „freundschaftlichen Beisammensein“ die neuen Domherren nicht etwa von Erzbisohof Beran, sondern von Ge-undheitsminister „Dr. h. c.“ Plojhar begrüßt wurden.

Fünf Tage ßpäter: das verjüngte und gesäuberte Metropolitankapitel tritt zusammen, nimmt den Rücktritt des Generalvikars Dr. Bohumil Opatrny zur Kenntnis und wählt einstimmig Dr. Stehlik, der ganze fünf Tage lang „Domherr“ ist, zum „Kapitelvikar“ der Prager Erzdiözese. Das Staatsamt für kirchliche Angelegenheiten erteilt bereitwillig d e Genehmigung zur Übernahme des Postens. Und sofort wird Dr. Stehlik feierlich als eine Art Erzbischof vereidigt und mit ihm die angeblichen Apostolischen Administratoren und Bischöfe Dr. Onderek (Teschen), Dr. Lazik (Tyrnau), Dr. Picha (Königgrätz), Dr Trochta (Leitmeritz) und Dr. Carsky (Kaschau).

Als sich nach den Hussitenkriegen eine nationalkirchliche Bewegung von der katholischen Kirche abspaltete, da standen einander das „obere“ und das „untere“ Konsistorium deutlich geschieden gegenüber — „oben“, das war der Veitsdom auf dem Hradschin, die alte Bischofskirche, dessen Domkapitel für die bewiesene Treue die ehrenvolle Bezeichnung „semper fidelis“ erhielt, „unten“ die Theynkirche in der Altstadt, der Sitz des utraquistischen Konsistoriums. Eine soklareScheidung wirdheute ängstlich vermieden: ordnungsgemäß nach kanonischem Recht bestellte Würdenträger und vom Staat eingesetzte Funktionäre werden bewußt in einem Atemzug genannt. So glaubt man die Katholiken im eigenen Land, mehr noch das Ausland über die wahre Sachlage hinwegtäuschen zu können und von Fragen abzulenken, die sich jedem Eingeweihten aufdrängen:

Nachdem Erzbischof Beran seit jenem denkwürdigen Fronleichnamstag 1949 sein Palais gegenüber dem Sitz des Staatspräsidenten auf der Prager Burg nicht mehr hatte verlassen dürfen, gleichzeitig aber an der Ausübung jeglicher Funktion gehindert worden war, erfolgte nun seine Verbannung aus seiner Erzdiözese; man hielt es nicht für zweckmäßig, einen Schauprozeß zu inszenieren, wie er gegen Erzbischof Stepinac oder Kardinal Mind-szenty oder in der Slowakei gegen die Bischöfe Vojta&sak, Gojdic und Buzalka vorausgegangen war.

Zweifellos sieht damit das Prager Kirchenministerium den Prager erzbischöflichen Stuhl als besetzt an, aber auch nur dieses und die ihm gefügigen Domherren, die daraufhin — nach der Vertreibung ihres Erzbischofs — zur Wahl eines Kapitular-vikars schritten. Oder teilte auch Generalvikar Opatrny, der seinerzeit gemeinsam mit dem greisen Weihbischof Eltschkner als einer der ganz wenigen hohen Würdenträger der katholischen Kirche dem neuen Regime den Treueid geleistet hat, diese Ansicht und beeitigte mit seinem Rücktritt die letzten Schwierigkeiten?

Wir haben an dieser Stelle erst kürzlich diese Anbahnung der Entwicklung skizziert, die mit den Prager Ereignissen ihren Abschluß gefunden haben. Inzwischen sind auch die übrigen Lücken geschlossen worden: Am 28. Februar wurde im Peter- und Paul-Dom zu Brünn Kanonikus J. Kristek In sein Amt als

Generalvikar eingeführt, gleichzeitig fand die Installation von drei neuernannten Domherrn statt. Am gleichen Tag wurden sieben Domherrn in Kaschau staatlich installiert. Mag sein, daß die Organisation der Kommunistischen Partei, deren Rückgrat die Generalsekretäre und Stellvertretenden Generalsekretäre bilden,auch als Vorbild für die Kirchenorganisation dienen soll, wie sie den Pragern und auch den Warschauer Machthabern vorschwebt. Ein Ziel ist damit freilich erreicht: die Verwaltung der katholischen Kirche in die Hände zu bekommen und die Verwirrung im Klerus und Volk zu dem gewollten Ende noch mehr zu steigern.

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