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Trost für die „progressive Mitte”

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Im Jänner 1967 hatten sie der bis dahin siegessicheren Regierung Klaus den ersten Mißerfolg einer bürgerlichen Wahlgruppe beschieden: 1969 wollen sie die Schlappe wiedergutmachen: die Studenten des „Wahlblocks”, der sich nun zur „österreichischen Studentenunion” (ÖSU) gemausert hat.

Bis 1967 war der „Wahlblock” aus allen Hochschulwahlen mit einer absoluten Mehrheit hervorgegangen — und hielt damit einen europäischen Rekord. Denn während überall auf der Welt die Studentenschaft links stand und linke Vertreter in die Standes Vertretungen wählte, blieb in Österreich ein „schwarzer” Kern Realität. In der österreichischen Hochschülerschaft fanden der Wahlblock und seine Funktionäre eine öffentlich-rechtliche Körperschaft vor, in der die meisten Studenten nur eine sehr funktionslose Anonymität sahen, deren sichtbarer Eisberg sich bestenfalls in „Mensafürsorge” engagierte… Der Wahlblock war auf Grund seiner Struktur darüber hinaus ein den Bünden der ÖVP nachgebildetes Monstrum, in dem die ÖH-Posten nach einem unsichtbaren Proporz auf CV, KV und Freie österreichische Studentenschaft (FÖST) aufgeteilt wurden. Abhängig vom Geld und guten Willen der ÖVP und des Minoriten- platzes lockte die Hochschülerschaft nur sehr selten gegen den Stachel des Unterrichtsministeriums. Und gegen die Professorenschaft richteten sich nur vereinzelte verzweifelte Versuche mutiger Studentenfunktionäre, die fast immer für die beteiligten Studenten traurig ausgingen.

Das Ende der „Bünde”

Nach den Studentenwahlen im Jänner 1967 (gewählt wird an den Hochschulen in einem Zweijahresrhythmus) kam angesichts des Verlustes an Mandaten und Stimmen in den Verbänden des Wahlblocks das große Erwachen. Erstmals hatte nämlich eine Wahlgruppe, die . in ’ •Graz’V’entstandene „Aktion” als ,s įf6hr4ž aiciie” Gruppe äußerhalb des Wahlblocks, den zum „Establishment” gewordenen ÖH-Funktionären arg zugesetzt. Und seither tendierte vor allem der CV als die mit Abstand größte Gruppe im Wahlblock zu einer offenen, nicht vom Verbän- deproporz beherrschten „Studenten-

partei” christlicher Grundprägung. KV und FÖST bangten um ihre angestammten ÖH-Posten und verhinderten lange Zeit eine Neukonstruktion.

So kam es erst im Mai dieses Jahres zur „Österreichischen Studentenunion”.

Die Ablöse der alten Organisationsform durch die neue erfolgte nicht ohne Schmerzen. Denn parallel wurde schon im Frühling und Frühsommer dieses Jahres alles virulent, was durch Jahre an Unbehagen aufgestaut war. Angesichts der ausländischen Beispiele stellten auch die österreichischen Studenten ihren Lehrern, den Schulbehörden und der Regierung unangenehme Fragen. Daß „Unruhe” nicht mit „links” oder „rechts” abzugrenzen ist, wurde bald klar. So gehörte der Professorensohn Dantine als Vorsitzender der Hochschülerschaft an der Wiener Universität zu jenem Flügel im Wahlblock, der mit den Schreiern und Dialektikern der „Neuen Linken”, die sich damals gleichfalls von den Strukturen der SPÖ abgesetzt hatten, zusammenarbeitete. Dantine” wollte etwa knapp vor Pfingsten die gesamte Studentenschaft den protestierenden Mittelschülern anschließen — und kam darüber zu Fall.

Denn in der neugegründeten Studentenunion fand er keine Mehrheit mehr und wurde durch den CVer Schulmeister ersetzt, der zwar auch nicht reaktionär ist, aber einen vernünftigen Mittelkurs zu steuern versprach.

Die ÖSU will nach ihrer Zielsetzung eine „progressive Mitte” sein, die sich auf die Zentralaufgaben der Hochschulreform in allen Bereichen beschränken will — ohne aber die Provokation aus dem Hörsaal auf die Straße zu tragen. Denn die Gesellschaft braucht tatsächlich keine Ratschläge von der Hochschule. Die „autoritären Strukturen”, die das Hochschulsystem beherrschen, sind in Staat und Gesellschaft sowieso schon seit mehr als 50 Jahren abgeschafft.

Doch die Kritik an der „Studentenpartei” ist wach: Die Zeitung der Katholischen Hochschulgemeinde stellte die Frage, ob die ÖSU nicht „schon vor ihrer Gründung gestorben” ist. Die Sozialisten und Nationalen hängen der ÖSU den alten korrumpierten Wahlblock-Mantel um.

Schlecht organisiertr

So haben’es dle neuwfExponenten bei den kommenden Hochschulwahlen nicht leicht. In der primär von CVern ausgerichteten ÖSU müssen sie entscheiden, wie „progressiv” sie sein wollen und wo die Abgrenzung nach links erfolgt Auch wird sich erst herausstellen, wie stark der Konnex zur ÖVP ist, die bisher zwar Geburtshilfe leistete, sich aber nicht allzu stark engagierte.

So hört man, daß die Studentengruppe des Akademikerbundes es abgelehnt haben soll, pauschaliter für die ÖSU zu werben. Man will im Wahlkampf selbständig auftreten und erst knapp vor dem Wahltag eine Empfehlung zugunsten der ÖSU abgeben.

Traten die Exponenten der ÖSU in Wien etwa am Nationalfeiertag sichtbar und hörbar auf (ÖSU-Prä- sident ist der CVer Ortner, zum inneren Kreis zählen der Vorortspräsident des CV, Raidl, CV-Hoch- schulreferent Dipl.-Ing. Schattovits und FÖST-Mann Stirnemann), konnten sie sich noch nicht an allen Hochschulorten auch organisatorisch etablieren. In Graz erfolgte erst kürzlich eine Neuwahl, doch will der Grazer ÖSU-Chef nicht bis zur Hochschulwahl im Amt bleiben, in Salzburg und Linz ist gleichfalls noch kein Wahlapparat vorhanden.

Vor einem Rechtsrutsch?

Trost für die ÖSU: Auch die Sozialisten haben ihre Probleme. Ist ein Teil der Mitglieder beim Verband Sozialistischer Studenten geblieben, wanderte ein anderer zur „Neuen Linken”, zur Nachfolgeorganisation des nicht zugelassenen „Sozialistischen österreichischen Studentenbundes”, ab, der gerne außerparlamentarische Opposition in Österreich spielen will.

Nur das „nationale” Lager der Burschenschafter und Freiheitlichen steht fest wie die vielbesungene deutsche Eiche. Dort paukt man weiter auf den Mensurstuben, und die Kommerse werden wie eh und je geschlagen, als gäbe es weder Hochschulreform noch Demokratisierung der hohen Schulen noch ein Unbehagen gegenüber der Bildungspolitik.

Und so glauben viele, daß der RFS der große Gewinner der nächsten Hochschulwahlen sein wird. Der Großteil der Studenten ist des Geschreis müde und drängt zur „Ruhe und Ordnung”. Viele Studenten (und vor allem die apolitischen weiblichen Höreri wollen studieren und weiterkorhmefi, anstatt siöh’ die Stimmung in den Höf Sälen dürch’ lästige Reformeiferer vermiesen zu lassen.

So gesehen könnte sich also auf dem kleinen Hochschulparkett Österreichs das wiederholen, was in der ganzen Welt sichbar ist: ein massiver Rechtsrutsch.

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