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Trostlose Situation
In den böhmischen Diözesen ist die Situation am schwierigsten; hier verfügt die riesige Erzdiözese Prag über 321, die ostböhmische Diözese König- grätz über 240, die südböhmische Diözese Budweis über 191 und die einst überwiegend deutsche nordwestböhmische Diözese Leitmeritz über nur 144 Priester. In ganz Böhmen können demnach gegenwärtig 896 Priester wirken. Wie trostlos diese Situation ist, soll an Hand des Beispieles einer Diözese, der von Leitmeritz, aufgezeigt werden. Während es hier 1945 für die 955 Kirchen und 449 Pfarren immerhin noch 600 Priester gab (eine damals bereits recht knappe Zahl), waren es 1963 nur noch 200, eine Zahl, die inzwischen auf 144 herabgesunken ist.
Etwas günstiger ist die Situation in Mähren. In der Erzdiözese Olmütz sind pjhin noch . ,529 vPrjester, tätige in. dernDiözess Brü4Hi! 394»;In , Teschner;Gebiet der, . j tgfe polnischen,; Erzdiözese Breslau wirken im Bereich der Tschechoslowakei noch 78 Priester, also insgesamt 1001 in Mähren. In der Slowakei sind insgesamt 1210 Priester tätig, und zwar 482 in der Diözese Tyrnau, 189 in Neutra, 179 in Kaschau, 144 in Zips, 128 in Neusohl und 88 in Rosenau.
Zwei Schwierigkeiten zeigen diese Zahlen nicht auf: die Probleme jener Priester, die nach ihrer Haftentlassung in fremden Berufen arbeiten müssen. Auch diese Zahl ist inzwischen bekanntgegeben; sie beträgt 1500 und ist damit höher als vermutet. Es bedeutet, daß jeder dritte Priester nicht seelsorglich wirken darf. Über die zweite Frage werden Statistiken vermutlich nicht so rasch vorliegen, über die Überalterung des Klerus. Nimmt man aber allein das Beispiel der böhmischen Diözese Leitmeritz her, wo der Klerus innerhalb der letzten fünf Jahre von 200 auf 144 herabgesunken ist, kann man sich das Ausmaß der Überarbeitung und Überalterung leicht vorstellen. Eine Versorgung voh drei bis vier Pfarren durch einen Geistlichen ist also nicht die Ausnahme, sondern die Regel, wobei noch hinzukommt, daß von einer Motorisierung des Klerus keine Rede sein kann.
Und der Nachwuchs?
Ebenso trostlos ist ein weiteres Bild, das des Theologennachwuchses. Die vermutlich rücksichtsloseste Maßnahme betraf die Reduzierung der zwölf Fakultäten und Diözesanlehranstalten auf Zwei (Preßburg für die Slowakei und Leitmeritz für die böhmisch-mährischen Diözesen) sowie der numetus clauses für diese beiden Anstalten. (Jedes Studium- gesuch mußte vom Ministerium eigens genehmigt werden.) Während vor dem zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet der tschechoslowakischen Republik im Jahresdurchschnitt 230 bis 250 katholische Priester geweiht wurden, eine Zahl, die bereits damals völlig unzureichend war, waren es 1948, also im Jahr des kommunistischen Umsturzes 148. Im Verlauf der letzten Jahre sind es im Jahresdurchschnitt kaum mehr als 30. So waren es etwa 1962 32, 1963 dann 42, 1964
wieder 30. 1967 war erstmals eine größere Lockerung eingetreten. In diesem Jahr waren es auch 20 Maturanten sowie elf Spätberufene, unter ihnen drei Akademiker, denen der Eintritt ins Leitmeritzer Priesterseminar gestattet wurde.
Erwähnt muß aber auch werden, daß bei den Orden — und unter den rund 1500 Priestern, die in fremden Berufen arbeiten müssen, befinden sich rund 1000 Mitglieder der aufgelösten Orden — keinerlei Novizen gestattet sind.
Bedenkt man, daß die orthodoxe Diözese Prešov in der Ostslowakei rund 80 Theologiestudenten aufweist, die evangelisch-theologische Fakultät in Modern bei Preßburg rund 15, die evangelisch-theologische Fakultät in Prag zwischen 30 und 40, die tschechoslowakische Kirche rund .30 Theologen, so sieht mąn sehr deutlich flen fnjunmißverständlichen j Aushungerųngsversuch n:yor-. allem gegenüber der katholischen Kirche.
Auch hier wird es aber dringend nötig sein, einen aufkeimenden Optimismus zu dämpfen und die Lage nüchtern zu betrachten. Auch liberalste Maßnahmen gegenüber der Kirche, also die Öffnung von Priesterseminaren in allen Diözesen wird nicht von heute auf morgen Priesternachwuchs in einem gewünschten Ausmaß ermöglichen; zu lang war der tschechische und slowakische Klerus diffamiert. Aber auch ein möglicherweise erfreulicher Nachwuchs wird die starken Lücken nur langsam, sehr langsam, schließen können.
Wenn heute Listen der tschechischen und slowakischen Bischöfe veröffentlicht werden und hinter den meisten Namen bescheiden in Klammer „amtsbehindert“ steht, so weiß man heute kaum noch, welche menschliche Tragödie in den allermeisten Fällen hinter dieser so harmlosen Charakterisierung steht. Wenn aber schlagwortartig das Schicksal der tschechischen und slowakischen Bischöfe innerhalb der letzten 20 Jahre skizziert wird, so stehen sie auch nur stellvertretend für das Schicksal ihres Klerus, das vielfach nicht anders verlaufen ist.
Durch all die Jahre hatten eigentlich nur drei — durchwegs slowakische — Diözesen die gewiß auch sehr beschränkte Möglichkeit, vom ordnungsgemäßen Bischof geleitet zu werden: Neutra, Rosenberg und Tyrnau. Seit drei Jahren gilt dies auch für die Erzdiözese Prag, nachdem ein vatikanisch-tschechisches Abkommen die Einsetzung von Dr. Franz Tomäsek zum Administrator der Prager Erzdiözese ermöglicht hat. In den allerletzten Tagen konnte der 82jährige Bischof Skoupy wieder die Diözese Brünn übernehmen. Noch immer aber sind sieben der insgesamt zwölf tschechischen und slowakischen Diözesen ohne reguläre kirchliche Leitung, und zwar Budweis, Leitmeritz und Königgrätz in Böhmen, Oltnütz in Mähren, Kaschau, Neusohl und Zips in der Slowakei.
Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre, also nach der kommunistischen Machtübernahme im Jahre 1948 sind fünf Erzbischöfe und Bischöfe gestorben, und zwar entweder im Gefängnis, in der Internierung oder unmittelbar nach der Haftentlassung bei völliger Amtsbehinderung: Stephan Barnas, Weihbischof von Zips (1900 bis 1964), Michal .Bnzalka,.Weihbischof von Tyrnau (1885 bis 1961), Jozef Vcmu Apostolischer Administrator von Kaschau (1886 bis 1962), Antonin Eltschkner, Weihbischof in Prag (1880 bis 1961), Moric Pičha,Bischof von Königgrätz (1869 bis 1956), Josef Karl Matodia, Erzbischof von Olmütz (1888 bis 1961).
Das nur schlagwortartig skizzierte Schicksal der anderen Bischöfe ergibt folgendes Bild:
Beran Josef, geb. 1888, zwischen 1942 bis 1945 im deutschen KZ, 1946 Erzbischof von Prag, 1951 entfernt und interniert, kein Prozeß, 1963 haftentlassen, Ernennung zum Kar dinal, gleichzeitig zum Verlassen der Tschechoslowakei gezwungen.
Hlad Ladislav, 1950 Titularbischof von Cedie, Weihbischof von Leitmeritz, später verhaftet, zu neun Jahren Kerker verurteilt, 1963 begnadigt, haftentlassen, amtsbehindert.
Hlouch Josef, geb. 1902, 1947 Bischof von Budweis, 1952 interniert, amtsbehindert
Matoušek Kajetan, geb. 1910,
1949 Titularbischof und geheim geweiht, als Bischof nicht anerkannt, Pfarrer in Prag.
Otčendšek Karl, geb. 1920, 1950 Titularbischof von Cheson, 1957 Apostolischer Administrator von Königgrätz, inhaftiert, später entlassen, amtsbehindert, wirkt als Pfarrer in der Diözese Leitmeritz.
Skoupy Karl, geb. 1886, 1946 Bischof von Brünn, 1953 inhaftiert, 1963 entlassen, amtsbehindert. Seit Mai 1968 wieder Bischof von Brünn.
Zela Stanislav, geb. 1893, KZ Dachau, 1940 Titularbischof von Harpasa, Weihbischof von Olmütz,
1950 zu 25 Jahren Kerker verurteilt, 1963 begnadigt, amtsbehindert.
Trochta Stephan, geb. 1905, 1942 bis 1945 KZ Mauthausen, 1957 Bischof von Leitmeritz, 1954 zu 25 Jahren Kerker verurteilt, 1960 amnestiert, amtsbehindert.
Vojtaššdk Jdn, geb. 1877, 1920 Bischof in Zips, 1945, dann wieder 1950 inhaftiert, 1951 zu 25 Jahren Zuchthaus verurteilt, 1956 haftentlassen, weiterhin amtsbehindert.
Kapitelvikare und Kirchensekretäre
Man kann sich vorstellen, wie in einer solchen Situation die Diözesen dahinvegetieren mußten. Dabei wären führerlose Diözesen noch das kleinere Übel gewesen. Aber mit der Entfernung der Bischöfe begnügte sich das stalinistische Regime keineswegs. Sie war ja nur die Voraussetzung dafür, daß der Staat auch die kirchliche Verwaltung ganz in seine Hände bekommen konnte. Dies geschah auf der einen Seite durch die — staatlich stark beeinflußte — Wahl von Kapitelvikaren. Diese Wahl geschah vielfach entgegen den Vorschriften des Kirchenrechts vor allem dann, wenn sich der amtsbehinderte Bischof noch im Bereich seiner Diözese befand, was oft genug der Fall war. Es geschah aber auch durch die Institution der Kirchensekretäre, deren Gliederung nicht der kirchlichen, sondern der staatlichen Organisation folgte, und die herunter bis zum Pfarrer „zuständig“ sind. Auch bei nicht amts- behinderten Bischöfen ist die Versetzung sogar von Kaplänen an die Zustimmung des Kirchensekretärs gebunden.
Wenn bei einer eventuellen Neubesetzung der vakanten Diözesen die
Funktion der Kirchensekretäre beibehalten wird, wird eine Freiheit der Kirche auch künftig in engsten Grenzen bleiben.
Liberalisierung auch für die Kirche
Ein Blick auf das Schicksal der Bischöfe zeigt, daß die meisten im Jahre 1963 begnadigt wurden. Tatsächlich konnte die Liberalisierungswelle in der Tschechoslowakei an der Kirche nicht völlig vorübergehen, auch wenn die hier ergriffenen Maßnahmen spät einsetzten und sehr bescheiden blieben. Die Begnadigungen waren auch eine relativ ungefährliche Maßnahme, denn als im Herbst 1963 der letzte der tschechischen Bischöfe entlassen war, glich die Kirche längst einem Trümmerfeld.
Unter Johannes XXIII. konnten die tschechischen und slowakischen Katholiken erstmals wieder Kontakt mit der Weltkirche aufnehmen. Immerhin waren diese innerhalb des Ostblocks die letzten, die ein Visum zur Romfahrt erhielten. Es waren dies drei slowakische Bischöfe, Ambros Lazik, Bischof von Tyrnau, Eduard Necsey, Bischof von Neutra und Dr. Robert Pobožny,Apostolischer Administrator von Rosenberg, dazu der Pfarrverweser von Morav- ska Hruzovä, Franz Tomäsek, der 1949 in seiner Heimatdiözese Olmütz zum Bischof geweiht, der aber vom Staat nie anerkannt worden war. Erst unmittelbar vor seiner Rom- reise waren ihm die Insignien eines Bischofs übergeben worden. Nach seiner Rückkehr vom Konzil ging Tomäsek übrigens wieder als Pfarrprovisor zurück. An der Krönungsfeier Papst Pauls konnten nur »die drei slowakischen Bischöfe teilnehmen, an der dritten , Konzilsperiode wieder die drei, zusätzlich Tomäsek, der nur im Ausland als Bischof galt.
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