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Trotz allem eine positive Bilanz: Was bleibt von Bruno Kreisky?

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Der von drei ehemaligen Mitarbeitern Rruno Kreiskys, Oliver Rathkolb, Johannes Kunz und Margit Schmidt, unter dem Titel „Der Mensch als Mittelpunkt” herausgegebene dritte Teil der Memoiren, der wie die übrigen, bereits veröffentlichten Teile, methodisch durch Kreisky selbst autorisiert, durch Diktate und Abschriften von Tonbändern zustandegekommen ist, fügt dem bereits bekannten Rild des Staatsmannes und Parteipolitikers Kreisky einige neue Facetten hinzu, die die Publikation dieses Randes gerechtfertigt erscheinen lassen, obwohl sie keine grundsätzlich neue Perspektive zu bieten vermögen.

Die gesprochenen Gedanken Kreiskys, denen man trotz der Uber-arbeitung durch die I Ierausgeber dieses Gesprochensein anmerkt, werden in Sachgebiete gegliedert präsentiert und vermitteln so einen Uberblick über die Gedankenwelt dieser als Präger einer Epoche in die österreichische Geschichte eingegangenen Persönlichkeit. Freilich war Kreisky kein Denker sui generis. Wenn man sich die von ihm ausgehenden Wirkungen wegdenkt und die Texte für sich zu bewerten versucht, muten seine Gedanken sogar etwas schütter an. Doch die Fähigkeit Kreiskys bestand eben darin, einige wenige Gedanken so zu vermitteln, daß sie mit Hilfe der Massen, bei denen sie Anklang fanden, österreichische Geschichte machten und wurden, ja, darüber hinaus, in das internationale politische Leben ausstrahlen - letzteres durch die Funktion Kreiskys in der Sozialistischen Internationale und durch seine souveräne Gestaltung der österreichischen Außenpolitik.

Kreisky trug in dieser Eigenschaft wesentlich zu einer Internationalisie-rung Österreichs und zu einem höheren Stellenwert der österreichischen Außenpolitik im Weltmaßstab bei. Resonders seine unermüdliche Mahnung, den Frieden im Nahen Osten durch eine Befriedigung der legitimen Ansprüche der Palästinenser herbeizuführen und diesen keinen Siegfrieden zu diktieren, haben sich bestätigt und Kreisky, dem Mann jüdischer Herkunft, zu hohem Ansehen in der arabischen Welt verholfen.

Dies kam auch der Atmosphäre in Österreich zugute. Kreisky führte die österreichische Gesellschaft aus der provinziellen Enge der fünfziger und sechziger Jahre heraus und hat erfolgreich für die Schaffung einer „offenen Gesellschaft” im Sinne Karl Poppers gearbeitet. Er wurde der Medienkanzler, der auf dem Klavier der öffentlichen Meinung virtuos spielte und dabei nicht nur sich selbst inszenierte, sondern auch viele Menschen und besonders Künstler aus ihrer Reserve lockte und beflügelte.

Leider läßt sich von seinen konkreten innenpolitischen Aktionen, über die dieser Rand zusätzlichen Aufschluß gibt, nicht nur ähnlich Positives sagen. So erweist sich seine Politik des Schuldenmachens und der Vergrößerung des Budgetdefizits im Lichte dessen, was heute an Rücknahmen und Einschränkungen notwendig ist, als mindestens überzogen. Auch die Weichenstellung in der Wahlrechtsfrage, die kleinere Parteien und im besonderen die FPÖ begünstigte, offenbart heute ihre Kehrseite: durch dieses Wahlrecht, aus dem die staatstragenden Parteien nach wie vor nicht auszubrechen vermögen. Das politische System bleibt bis auf weiteres an eine Koalition der beiden größeren Traditionsparteien gefesselt, die sich aber mehr Und mehr als zu eng erweist und deren Uberwindung überaus schwierig zu sein scheint.

Am problematischsten aher erscheint Kreiskys Personalpolitik, von der in diesem Band vor allem im Zusammenhang mit seinem Ziehsohn Hannes Androsch, der später verstoßen wurde, die Rede ist. Keiner der von Kreisky geförderten Kronprinzen, neben Hannes Androsch Leopold Gratz, Fred Sinowatz und Karl Blecha, konnte die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen, was wohl nicht deren alleinige Schuld sein kann, sondern auch auf die mangelnde Menschenkenntnis und Führung Kreiskys zurückfällt.

Die diesen innerparteilichen und damit auch innenpolitischen Auseinandersetzungen gewidmeten Passagen des Buches sind nicht geeignet, ein besonders günstiges Bild auf Kreisky als Mensch und Charakter zu werfen. Vielmehr werden die Umrisse einer Persönlichkeit sichtbar, die über viel Weltklugheit, aber wenig Lebensweisheit verfügte und der jede metaphysisch-religiöse Dimension, die aber auch zum vollen Menschsein gehört, abging. Kreisky, der immer wieder gesagt und auch selbst praktiziert hatte, daß es in der Politik keine Freundschaft und Dankbarkeit gibt, war verbittert, als sich dieses Gesetz auch an ihm vollzog. Er beklagte die Zustände, die in der Partei nach seinem Abgang eingerissen waren, ohne sich selbstkritisch zu fragen, ob er es nicht versäumt hatte, seine Autorität, die in den letzten Jahren sogar durch eine Generalvollmacht abgesichert gewesen war, rechtzeitig und konsequent einzusetzen, um solche Zustände zu verhindern. Insofern fallen gerade durch die als Verteidigung gedachten Ausführungen Kreiskys Schatten aufsein I Lebenswerk und sei ne Persönlichkeit.

Sie ändern aber nichts daran, daß er ein Mann großen Formats war und seine Nachfolger und Erben gerade im Rückblick überragt und in den Schatten stellt.

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