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Truman und MacArthur

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Die hohe Auffassung, welche die Amerikaner von politischer Freiheit und vom Selbstbestimmungsrecht der Völker haben, führte sie am Vorabend des Krieges dazu, gegen den faschistischen und nationalsozialistischen Imperialismus Stellung zu nehmen und nach dem Kriege sich für die indische und indochinesische Unabhängigkeitsbewegung einzusetzen. Es war nur eine Konsequenz dieser Haltung, daß Marshall als Außenminister den Präsidenten bewog, die Unterstützung Tschiang-Käi-Scheks im chinesischen Bürgerkrieg fallen zu lassen. In diesem Punkte fand aber das Staatsdepartement keine ungeteilte Zustimmung im Kongreß und vor allem stieß es auf heftigen Widerspruch bei dem amerikanischen Befehlshaber in Japan. MacArthur und dessen Anhänger unter den Republikanern vertraten den Standpunkt, mit der Anwendung des Prinzips der Nichteinmischung im Falle Chinas werde keineswegs das Selbstbestimmungsrecht des chinesischen Volkes gewahrt, sondern nur der Einmischung Rußlands zugunsten einer Kommunisierung Chinas Raum gegeben. Als dann Mao-Tse-Tung nach der Vertreibung der Truppen Tschiang-Kai-Scheks die Volksrepublik ausrief, verweigerte die Regierung Tru man dieser als einem der Mehrheit des chinesischen Volkes durch äußere Gewalt aufgezwungenen Regime die Anerkennung, lehnte aber zugleich die von MacArthur und dessen Freunden im Kongreß leidenschaftlich befürwortete aktive Unterstützung Tschiang - Kai-Scheks auf Formosa ab. Das war im Jänner dieses Jahres. MacArthur fügte sich knirschend, baute seine Streitmacht in Japan aus, unterhielt freundschaftliche Beziehungen mit Tschiang-Kai-Schek und entzog sich jeder persönlichen Beratung mit den politischen Leitern in Washington.

Im Juni kam der nordkoreanische Angriff, der dem grollenden Prokonsul in Japan recht gab oder recht zu geben schien. Jetzt entschloß sich Truman auf den Rat des Verteidigungsministers Johnson, der siebenten amerikanischen Flotte dert Befehl zur Zurückweisung jedes Angriffs gegen Formosa zu geben. Das War nur eine Maßnahme, welche jede Behinderung der mit Autorisation des Sicherheitsrates unternommenen militärischen Aktionen gegen die nordkoreanische Friedensstörung ausschließen sollte, nicht eine Rückkehr zu einer Politik der aktiven Unterstützung Tschiang-Kai-Scheks. MacArthur ließ allerdings nicht davon ab, den Befehl an die siebente amerikanische Flotte in diesem letzteren Sinne zu interpretieren. Das drückte er zunächst in einem demonstrativen Besuch auf Formosa und später in einer Botschaft an den amerikanischen Kriegsteilnehmerverband aus. Diese Proklamation mußte er auf Weisung des Präsidenten zurückziehen, sie kam aber durch Abdruck in einzelnen amerikanischen Blättern nichtsdestoweniger an die Öffentlichkeit. Die Haltung der indischen Regierung und in einem gewissen Abstand- auch des britischen Unterhauses bestärkte den amerikanischen Präsidenten darin, jeder weiteren Mißdeutung seines Befehls an die siebente Flotte entgegenzutreten. Er tat dies zunächst, indem er die kommunistische Regierung von Peking, mit der die Vereinigten Staaten noch keine offiziellen diplomatischen Beziehungen unterhalten, durch Vermittlung der indischen Regierung wissen ließ, daß diesem Befehl weder die Absicht zugrunde lag, den künftigen politischen Status Formosas zu präjudizieren, noch auch der Plan, dort einen amerikanischen Stützpunkt zu errichten. Er ging dann noch einen deutlicheren Schritt weiter, indem er den Verteidigungsminister Johnson, von dem es bekannt war, daß er die Ideen Mac-Arthurs in der Regierung von Washington vertrat, durch General Marshall ersetzte, der ja der erste war, der seinerzeit im Weißen Hause die Entscheidung durchgesetzt hatte, Tschiang-Kai-Schek fallen zu lassen. Schließlich hat auch noch Staatssekretär A c h e s o n, der diese Linie des Präsidenten loyal und mit großem Geschick unterstützt, in Flushing Meadows vorgeschlagen, das Problem Formosa der Entscheidung der Vereinten Nationen zu unterbreiten.

Mittlerweile hat MacArthur, nachdem seine Kapitulationsaufforderung an die Nordkoreaner erst ignoriert, dann zurückgewiesen worden war, seine militärischen Aktionen über den 38. Breitegrad hinaus ausgedehnt. Er hat dazu die Autorisation der Vereinten Nationen erhalten, diesmal nicht die des Sicherheitsrates, sondern die der Generalversammlung, in der es das Veto nicht gibt. Die indische Regierung hat sich bei der Abstimmung darüber ostentativ der Stimme enthalten. Die französische und die britische Regierung, die noch zur Zeit der jüngsten New - Yorker Außenministerkonferenz zum Stehenbleiben auf dem 38. Breitegrad geraten hatten, fügten sich einer strategischen Notwendigkeit im Hinblick auf die Interpretation, die dem weiteren Vormarsch in der von Acheson ausgearbeiteten Acht-Mächte-Resolution gegeben wurde. Nach dieser Interpretation hätten die auf Nordkorea ausgedehnten militärischen Operationen das Ziel, die Bildung eines geeinten und selbständigen Korea sicherzustelen. Die Regierung Mao-Tse-Tungs hat die Überschreitung des 38. Breitegrades zum Anlaß genommen, um an die Adresse der Vereinigten Staaten eine drohende Erklärung zu richten, und die Russen haben, um die Schwierigkeiten Amerikas zu komplizieren, in Flushing Meadow den Zusammentritt einer Konferenz der fünf Großmächte vorgeschlagen, von denen die fünfte das von Washington noch nicht anerkannte kommunistische China wäre.

Es liegt auf der Hand, daß das ungeklärte Verhältnis zwischen Washington und Peking heute zu einem schweren Handikap für die auswärtige Politik der Vereinigten Staaten geworden ist. Die latenten Spannungen zwischen dem Weißen Haus und dem Lager MacArthurs tird seiner Anhänger im Senate haben zu einer Politik geführt, welche die Nicht Unterstützung Tschiang-Kai-Scheks mit der Nichtanerkennung Mao-Tse-Tungs verbindet. Nach den wiederholten Erklärungen Tru-mans und Achesons hat der Krieg in Korea, der ja im Auftrage der Vereinten Nationen geführt wird, die rascheste Wiederherstellung des Friedens in Ostasien zum Ziel. Worauf MacArthur hinaus will, ist die Reinigung Ostasiens vom Kommunismus. Das wäre bei dem heutigen Stande der Dinge im Fernen Osten nur auf dem Wege eines gewaltigen Krieges der Vereinigten Staaten gegen China zu erreichen. Würde aber ein solches Unternehmen vom amerikanischen Volke gebilligt werden? Würde ihm Rußland untätig zusehen? Und würde es im Interesse der abendländischen Welt liegen? Ohne Zweifel steht die Administration Tru-mans einem solchen Gedanken vollkommen fern, sosehr sie auch entschlossen ist, jedem Vorstoß des russischen Einflusses in der Art der nordkoreanischen Aggression entgegenzutreten, soweit es irgend möglich ist mit internationalen Mitteln, im Notfall wohl auch mit nationalen. Hier klar erkennbare Linien zu ziehen, Widersprüche zwischen politischer Dogmatik und praktischer Interessenpolitik auszuschalten, jedem Hineinschlittern in einen unbeabsichtigten Kurs vorzubeugen und im Kalten Krieg keine Forderungen zu stellen, die ein Heißer Krieg nicht einlösen würde, das war das Programm, das Präsident Truman in seiner Aussprache mit MacArthur auf der Insel Wake erfolgreich zur Grundlage ihrer Ubereinstimmung machte.

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