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Um das Konservative

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Worum es am 1. März wirklich geht, schrieb die Volkspartel schon im Sommer vergangenen Jahres auf die Plakatwand: nämlich um „85 ÖVP-oder 85 SPÖ-Mandate“. Schüttelten die Meinungsforscher damals ebenso den Kopf wie die eigenen Funktionäre, verpaßte ihnen Wahlkampfleiter Pisa im August einen „Sommerschock“. Der stellvertretende Generalsekretär der ÖVP machte eine Rechnung auf, in die er geschickt die für die Volkspartei miserablen Landtagswahlergebnisse In Salzburg und Wien sowie ein Meinungsforschungsergebnis verpackte; die Rechnung sollte beweisen, daß die SPÖ die absolute Mehrheit erhalten würde, wäre schon damals gewählt worden.

Am 19. Oktober wählten die Bundesländer Vorarlberg und Niederösterreich; und tatsächlich war es der Volkspartei gelungen, im Indexwert bereits verloren geglaubtes Terrain aufzuholen. Eine Optimismuswelle — schaumgebremst — setzte einen sachte geführten Vorwahlkampf in Bewegung. Ein Bundesparteitag im November und eine erste Inseratenaktion lenkten auf die Ausgangslage für den Wahlkampf hin. Die „Polarisierung“ zwischen ÖVP und SPÖ aber blieb obenauf. Denn man wußte in der Wahlkampfführung der Volkspartei, daß unzufriedene ÖVP-Wähler des 6. März 1966 in Massen zur FPÖ abgewandert waren und daß es nur gelang, diese „Bürgerlichen“ bei der Stange zu halten, wenn man ihnen die Aussichtslosigkeit einer Stimmabgabe für eine kleine Partei plausibel machte.

Dabei blieb es in der Volkspartei auch nach dem 16. Jänner — jenem Tag, an dem die FPÖ die kleine Koalition offerierte. Die ÖVP reagierte scharf: es war klar, daß die Freiheitlichen der ÖVP die Unzufriedenen abjagen wollten — indem sie der Öffentlichkeit die Chancenlosigkeit der neuerlichen absoluten Mehrheit suggerieren wollten. Freilich drückte und drückt sich die ÖVP davor, diese Anbiederung der FPÖ wirk-

lich zurückzuweisen, indem sie dezi-diert erklärt, mit der FPÖ nach dem 1. März nicht koalieren zu wollen. Aber Bundeskanzler Klaus spitzte diese Entscheidungsproblematik auf seine Person zu, indem er sich selbst in Frage stellte. Und die ÖVP folgte mit fliegenden Fahnen ihrem Bun-

desparteiobmann (dessen Beliebtheitsgrad in der Bevölkerung nach wie vor hoch liegt).

Die „Sackmänner“

Die „Polarisierung“ mit der SPÖ gelang der ÖVP mit der Persönlichkeitsfraga ganz gut. Sie propagierte außer Klaus ein „erprobtes Team“, das bekannt war, und vor allem außer Klaus Withalm, Koren, Waldheim, Schleinzer und Mock. Die SPÖ hatte es da ja bekanntlich schwerer, und so setzte die ÖVP ihre wahrscheinlich „härteste“ Waffe gegen die SPÖ ein: die „Sackmänner“ in den TV-Belangsendungen, die klarmachen sollten, daß außer

Dr. Kreisky alle sozialistischen Minister unbekannt seien und die SPÖ überdies mit ihren Programmen nur „Maske“, aber nicht das „wahre Gesicht“ zeige.

Uberhaupt beherrschte die Wahlkampfmittel eine Serie von Negativaussagen. Die Volkspartei hatte da einen gewissen Nachholbedarf — wie etwa Wahlleiter Pisa meinte —, weil ja die Opposition 4 Jahre lang die arbeitende Regierung kritisierte, während diese sich nur schwer wehren konnte. Und so tummelten sich auf den ÖVP-Plakaten die Angstmotive: die Hand, die eine Fahne herunterreißen will („Die rote Übermacht droht“), die Männer im Schatten („Eine Zukunft voller Fragezeichen“) und die Symbolik einer abgebauten sozialistischen Wirtschaft („Sozialismus kommt allen teuer“).

Genug Antikoalitionsstimmung?

Immerhin spürte man erstmals auch etwas von einem Kandidatenwahl-kampf, der auch noch nicht arrivierte Funktionäre in das Wählergespräch führte. Und erstmals entdeckte die ÖVP vorweg das Inserat als treffliche und schnelle Artillerie. Die Inserate der Volkspartei hatten Niveau, waren geschickt gemacht und wandten sich an einen bereits etwas anspruchsvolleren Konsumentenkreis. Hat die Volkspartei genug für ihre Zielgruppen getan? Ihr mußte es darum gehen, jene bei der Stange zu halten, die am 6. März 1966 bereits Volkspartei gewählt haben.

Ob ihr das gelungen ist, steht als Frage im Raum. Neue Gruppen hat sie mit ihrem diesjährigen Wahlkampf kaum angesprochen. Es muß abgewartet werden, ob das Konservative im Österreicher ihr Zuspruch gibt. Ihre Leistungen hat der Wahlkampf bekannt gemacht. Ob ihre relativ spät einsetzenden Antikoali-tionsargumente ins Schwarze treffen, werden wir in wenigen Tagen wissen. Der Österreicher wird im letzten die Frage beantworten müssen, warum es tatsächlich „Zeit zum Wechseln“ sein soll.

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