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Um die Freiheit des Rundfunks

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Von Freiheit wird in unseren Tagen viel gesprochen, denn wir haben sie lange entbehren müssen und freuen uns ihrer, nachdem wir sie endlich wieder errungen haben. Mit Begeisterung haben wir dort, wo sich' bis vor kurzem die Zeichen der Unfreiheit breitgemacht hatten, die österreichische Flagge als Zeichen der Freiheit gehißt und unsere Unabhängigkeit verschiedentlich gefeiert. Doch langsam lenken wir den Blick von außen wieder zurück nach innen. Da steht die Frage auf: Sind wir wirklich frei? Ist von jenem Ungeist, der uns jahrzehntelang belastet hat, nichts zurückgeblieben? Vielleicht hat uns die äußere Unfreiheit von der inneren abgelenkt. Jetzt aber ist es , Zeit, auch, die letzten Fesseln zu sprengen, um so die volle Freiheit zu erlangen.

Es ist erfreulich, daß diese Notwendigkeit von vielen unserer Verantwortlichen gesehen wird und daß sie bereits daran arbeiten, die traurigen Reste der Unfreiheit aus so manchem Gebiet zu verbannen. Unter anderem harrt auch die Rundhinkfrage einer Lösung im Zeichen der gewonnenen Freiheit. Um das Problem besser zu verstehen, müssen wir einen kurzen Rückblick auf den Werdegang der betreffenden Institutionen in Oesterreich tun1.

Der Oesterreichische Rundfunk geht bekanntlich auf die Radioverkehrs-Aktiengesellschaft (Ravag) zurück, die bei uns, bis 1938 Trägerin des Rundfunks war. An sich ein privates Unternehmen in der handelsrechtlichen Form einer Aktiengesellschaft, waren die Aktien selbst zum überwiegenden Teil in den Händen des Bundes und der Gemeinde. Im Eigentum der Ravag befanden sich die einzelnen Sender in den Bundesländern, das vor dem März 193 8 fast fertiggestellte Wiener Funkhaus und der gesamte hochfrequente Teil. Im Jahre 193 8 wurden nach reichsdeutschem Vorbild die Sendeanlagen und der hochfrequente Teil des Rundfunks durch die Reichspost übernommen, während die Funkhäuser und der Programmbetrieb der Reichsrundfunkgesellschaft zufielen. Diese war handelsrechtlich eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, was aber nur eine Fiktion bedeutete, denn sie hatte nur einen einzigen Gesellschafter, nämlich das Deutsche Reich. So wurde 1938 das ganze Rundfunkwesen praktisch verstaatlicht.

Nach der Befreiung Oesterreichs nahmen die Besatzungsmächte ieweils die in ihrer Zone gelegenen Sender in Betrieb; nur in der russischen Zorte wurde der Rundfunk — abgesehen von einer mehr oder weniger weitgehenden Beeinflussung und Zensurierung des Programms — freigegeben. Noch im Jahre 1945 wurde das Rundspruchwesen unter die öffentliche Verwaltung gestellt. Für den Augenblick war die Frage geregelt, aber bald zeigten sich große Schwierigkeiten. Daher versuchten die österreichischen Regierungen seit 1946 immer wieder, den Rundfunk neu zu organisieren. Aber erst mit Ende der Besetzung konnte an die Durchführung ernstlich herangetreten werden. Nun scheint es so-weit zu sein, daß demnächst ein Gesetz über Rundfunk und Fernsehen unser Parlament beschäftigen wird.

Es ist nicht unsere Aufgabe, Einzelheiten des künftigen Gesetzes auszuarbeiten; doch glauben wir der Sache einen Dierst zu erweisen und

auch eine Pflicht zu erfüllen, wenn wir in diesem Zusammenhang auf einiges Grundsätzliche hinweisen.

Dem Rundfunk — und dies gilt auch vom Fernsehen — kommen mannigfache Aufgaben zu. Er; vermiftelt Nachrichten und Informationen, er dient der' Unterhaltung und Propaganda, er kann im Dienste der Nächstenliebe oder der Sicherheit eingesetzt werden; für die Flug- und Schiffahrt ist der Funk ein unentbehrliches Hilfsmittel geworden — und so ließe sich noch manches aufzählen. Wir meinen aber Bestimmendes vom Rundfunk zu sagen, wenn wir ihn zu den stärksten Faktoren der öffentlichen Meinungsbildung rechnen, dem nur noch Presse und'.Fili an Wirkung gleichwertig sind. Vielleicht liegt gerade darin seine Größe, aber auch seine Gefahren; seine Größe, weil „das

Fehlen der öffentlichen Meinung in einem Land als soziale Krankheitserscheinung2“ zu bezeichnen wäre, seine Gefahren, weil „Rundfunk und Fernsehen mit Presse und Film dazu neigen, Massenreaktionen zu fördern und die öffentliche Meinung zu einem blinden, gefügigen Konformismus des Denkens und Urteilens zusammenschmelzen zu lassen3“. Als Faktor der öffentlichen Meinungsbildung ist der Rundfunk auch eines der bedeutendsten Elemente der politischen Willensbildung. In einer Demokratie, wo der Staat erst durch das Volk seine legitimierende Idee erhält, muß daher der Rundfunk unbedingt frei sein, wenn die Erfüllung dieser Aufgabe nicht eine Farce sein soll. Die Erhaltung und Verteidigung dieser Freiheit ist eine verpflichtende Aufgäbe aller ihn tragenden' Kräfte.

Das zweite, was ebenso wesentlich vom Rundfunk ausgesagt werden kann, ist die Tatsache, daß er zu einem der bedeutendsten Bildungsmittel der Menschen geworden ist, genauer gesagt, zum Bildungsmittel der Massen. Kulturwerte, die früher einzelnen vorbehalten waren, hat der Rundfunk allen ohne Unterschied des Standes oder Berufes zugänglich gemacht. Wenn heute viele Wissenserkenntnisse oder Kunstwerte der Musik und Dichtung Gemeingut des Volkes sind, so ist dies in erster Linie dem Rundfunk zu danken, der sich damit als ein wichtiger Kulturfaktor präsentiert. Daraus ergibt sich aber, daß die Verantwortung für den Rundfunk in erster Linie und in besonderer Weise den kulturellen und sozialen Kräften zusteht.

Aus diesen grundsätzlichen Erwägungen ergeben sich einige praktische Folgerungen, die für ein künftiges Rundfunkgesetz unbedingt zu beachten sein werden. Als Faktor der Meinungsund Willensbildung des Volkes darf der Rundfunk auf keine Weise ein Monopol des Staates und daher auch kein staatliches Unternehmen sein; er ist auch von jeder Bevormundung durch die Parteien oder andere politische Gruppen freizuhalten. Er muß vor jeder Beeinflussung geschützt werden, die jene grundlegende Freiheit eines Organs der öffentlichen Meinungsbildung, wieder aufheben und das „Prinzip einer staatlich konzessionierten Demokratie“ begründen würde, wie Unterrichtsminister Dr. Drimmel beim UNDA-Kongreß diese Gefahr treffend bezeichnet hat4. Gewiß hat der Staat am Rundfunk und Fernsehen große Aufgaben zu erfüllen, aber er wird sein Hoheitsrecht lediglich dazu benützen, um seine Freiheit zu sichern und ihn vor den Ausschreitungen jener zu schützen, „die sich der Rundfunk- und Fernsehsendungen als Waffe bedienen, um die öffentliche Moral anzugreifen, gefährliche Irrtümer zu verbreiten, Verleumdungen in LImlauf zu setzen, Menschen in Mißkredit zu bringen oder die Volksleidenschaften aufzustacheln5“. So wie uns die Freiheit der Presse selbstverständlich ist, so muß auch die Freiheit des Rundfunks und Fernsehens im künftigen Gesetz garantiert sein. Deshalb wird, um einen konkreten Vorschlag zu machen, eine privatrechtliche Gesellschaft jeder anderen, vor allem einer verstaatlichten oder verländerten, vorzuziehen sein.

Aus der zweiten wesensbestimmenden Tatsache, daß der Rundfunk Bildungs- und Kulturfaktor ist und die Verantwortung für ihn in erster Linie den kulturellen Kräften zukommt, ergibt sich die praktische Forderung nach überlegter und gewissenhafter Zusammensetzung des Programmbeirates. Sie hat so zu erfolgen, daß in ihm vorwiegend die Träger des kulturellen Lebens zu Wort kommen. Als solche sind hierbei unbedingt zu berücksichtigen die Vertreter der Kirche, der Elternschaft, des Schulwesens, der Jugendorganisationen, der kulturellen Institutionen und selbstverständlich der Kunst und Wissenschaft. Dadurch soll erreicht werden, daß die Gestaltung des Rundfunkprogramms nur nach sachlicher und fachlicher Zuständigkeit erfolge. Es wäre für die Sache sicher förderlich, wenn auch die einzelnen Länder Programmbeiräte stellten, die nicht nur ihren Studios beratend zur Seite stünden, sondern auch als

Delegierte in den gemeinsamen österreichischen Beirat entsendet werden könnten.

Wenn ein einwandfreies Programm zustande kommen soll, muß es vor allem nach den Grundsätzen der Moral und des Naturrechtes ausgerichtet sein. Daher muß dafür gesorgt werden, daß Sendungen, die unmoralische Handlungen verherrlichen oder die Moral der Jugend untergraben, nicht ins Programm aufgenommen werden; nicht nur, weil ein Volk am Verlust seiner inneren Werte zugrunde gehen kann, sondern auch aus Ehrfurcht vor dem Menschen. Diese aber würde ganz und gar fehlen, wenn man Rundfunk und Fernsehen dazu benützte; „ein schwach ausgebildetes Gewissen zu vergewaltigen, ihm ein fertiges Urteil aufzudrängen, ungesunde Leidenschaften in ihm zu wecken und sein Vertrauen durch irrige oder tendenziöse Darstellungen der Tatsachen zu mißbrauchen'“. Es ist zu hoffen, daß das neue Gesetz wirksame Vorkehrungen treffen wird, um Entgleisungen, wie sie in der Vergangenheit nicht selten vorgekommen sind, in Hinkunft zu verhindern.

Ein Wort soll auch zum Verhältnis von Rundfunk und Kirche gesagt werden. Die Kirche stellt in Oesterreich die größte Geistesmacht dar, und die Katholiken bilden die größte Gesinnungsgemeinschaft in unserem Lande. Durch Jahrhunderte hat die Kirche das geistige Antlitz Oesterreichs geprägt und ist nach wie vor ein Kultur- und Erziehungsfaktor ersten Ranges. Darum hat sie an einer so bedeutenden kulturellen und vplksbildenden Institution, wie es der Rundfunk ist, nicht nur größtes Interesse, sondern auch stärkste Verantwortung. Sie er-

wartet daher beim Rundfunk ein Mitspracherecht in den Aufsichtsgremien sowie in den Programmbeiräten und eine angemessene Zahl von religiösen Sendungen. Diese sollen vom sogenannten Kirchenfunk betreut werden, der eine eigene Abteilung bildet und im Rang anderer Abteilungen seinen eigenen'Apparat und eigene Sendezeiten hat. Die Bestellung des Leiters dieses Kirchenfunks und die Gestaltung der rein religiösen Sendungen soll in Zusammenarbeit mit der Kirche und mit deren Einverständnis durchgeführt werden. Daß in diesem Rahmen auch die anderen Religionsgemeinschaften je nach ihrer Größe betreut werden,

soll eine Selbstverständlichkeit sein. Die Forderung nach einem , eigenen Kirchenfunk wird auch noch durch die statistisch erwiesene Tatsache gestützt, daß die religiösen Sendungen von verhältnismäßig vielen Hörern empfangen werden, von viel mehr als selbst Opernsendungen.

„Um die Freiheit des Rundfunks“ ist dieser Artikel überschrieben. Wer für diese Freiheit eintritt, erweist unserer Heimat einen wertvollen Dienst. Denn die äußere Freiheit wankt, wenn sie nicht auf der Säule der inneren Freiheit ruht. Was von außen kommt, liegt nicht in unserer Hand; den inneren Bau aber haben wir

zu errichten und so zu festigen, daß er auch“ nach außen stark ist. Gerade der Rundfunk war während der Besetzung ein Sklave; gestalten wir ihn so, daß er einer freien Heimat würdig seit

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