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Unruhe im Äther

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„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Dieses Motto könnte man ruhig als Untertitel wählen, um die Schwierigkeiten zu bezeichnen, die das Radiowesen in Österreich bedrücken. Begonnen hat es mit den Vorschlägen, die von zwei Staaten für die Kopenhagener Konferenz, wo eine Neuaufteilung der Sendewellen für ganz Europa durchgeführt werden sollte, eingebracht wurden. Obwohl wir mit unseren heutigen Wellen und Sendestärken keinesfalls das Auslangen finden und vor allem im gebirgigen Westösterreich viele Täler ganz einfach die dortigen österreichischen Sender nicht empfangen können, wollte man uns auf der Kopenhagener Konferenz noch schlechtere Wellen zuteilen. Die geographische Beschaffenheit unseres Landes bedingt Wellen von einer gewissen Länge und von einer gewissen Leistung. So wäre es zum Beispiel mit der uns zugestandenen Frequenz für Innsbruck nur möglich, in einem Umkreis von 7 Kilometer rund um Innsbruck gehört zu werden. Andererseits sind im Osten Österreichs jenseits unserer Grenzen von Laibach über Budapest bis Prag Sender mit biz zu 150 kW geplant, die natürlich unsere schwachen Stationen vollkommen übertönen würden. Während die elf Vertreter der Oststaaten in Kopenhagen einen geschlossenen Block bildeten und auf diese Art alle ihre Wünsche durchsetzten, waren die westlichen Länder vollkommen uneinig und etliche unter ihnen haben Österreich leider als besiegten Staat und Anhängsel von Deutschland behandelt. Nach alldem ist es wohl verständlich, daß die österreichischen Vertreter ihre Unterschrift zu dem neuen Verteilungsplan v e r- weigerten. Da dieser erst im März 1950 in Kraft treten soll und bis dahin bei der heutigen unruhigen und wechselvollen Lage in Europa sich noch manches ereignen kann, haben wir noch Zeit und können hoffen.

Aber nicht nur äußere Schwierigkeiten sind es, die unseren Äther in unerfreuliche Schwingungen versetzen. Auch in unserem Lande selbst gibt es gar manches, was wie das Kreischen einer Rückkoppelung wirkt. So planen zum Beispiel zwei Besatzungsmächte auf unseren Stationen fremdsprachige Sendungen zu bringen, die sich gegen einen Nachbarstaat richten. Es ist klar, daß sich dieser Staat bei uns beschweren wird, da die Sender offiziell ja österreichische Stationen sind. Ein für uns recht unerfreuliches Vorgehen, da auf diese Weise wieder einmal die Konflikte der Großen auf unserem Rücken ausgetragen werden. Abgesehen von diesen qualitativen Beeinträchtigungen des österreichischen Sendeprogramms wird auch die quantitative Belastung durch die von den Besatzungsmächten beanspruchten Sendezeiten immer unerträglicher. Sind bei Rot- Weiß-Rot die benützten 12 Stunden wöchentlich schon recht unangenehm, so wirken sich die bei der Ravag von der Besatzungsmacht mit Beschlag belegten 19 Stunden als schwerstes Hindernis für die Erstellung eines österreichischen Programms aus. Für Musik, für Entspannung und Erholung ist schon fast kein Platz mehr. Gerade in den Abendstunden ist schon vielzuviel gesprochenes Wort, das überdies einseitig politisch gefärbt ist. Das bedeutet eine schwere Verantwortung, die die leitenden Persönlichkeiten bei den einzelnen Sendern zu tragen haben, und eine heikle Situation für die österreichische Regierung.

Neben diesen großen Schwierigkeiten nehmen sich die kleinen Unstimmigkeiten, die zwischen den vier derzeit in Österreich bestehenden Sendegruppen A 1 p e n 1 a n d Graz, Klagenfurt, West Dornbirn, Innsbruck, Rot-W eiß-Rot Linz, Salzburg, Wien und Ravag I und II bisweilen zutage treten, recht bescheiden aus. Es war auch bei der kürzlich abgehaltenen dreitägigen Programmaustauschkonferenz, an der Vertreter aller vier Sendegruppen teilgenommen haben, für das konziliante österreichische Wesen typisch, daß alle Unklarheiten in einer offenen und versöhnlichen Diskussion geklärt werden konnten und überall auf echt demokratische Weise eine volle Übereinstimmung erzielt wurde. Im Bewußtsein der Verantwortung, die das heute wohl mächtigste Kultur- und Propagandainsti’i- ment, das Radio, bedeutet, gingen die Sendeleiter auch auf dieser Programmaustauschtagung ein großes Stück Weges vorwärts zum besseren Kennenlernen und damit zum Z u s a m m e n w a c h se n zu einem wahrhaft gesamtösterreichischen Bewußtsein. Als wertvollstes Mittel hiezu betrachtete man die Austauschsendungen, genannt Ringsendungen, bei denen die Sendung einer Station von den übrigen drei übernommen und damit gleichzeitig sämtlichen Hörern Österreichs von Vorarlberg bis zum Burgenland zu Gehör gebracht wird. Besonders seien hervorgehoben: die Übertragung von Messen, von Volksmusik, von neuer österreichischer Unterhaltungsmusik, Orchesterkonzerten und Staatsopernaufführungen. Ganz besonders wichtig sind die Sendungen „Österreich baut auf", in deren Rahmen jeweils eine Reportage von 15 Minuten über ein wichtiges und erfreuliches Gebiet des österreichischen Wiederaufstieges gebracht wird. Hieher gehören auch die Dichterlesungen, in denen jeder Sender einen Dichter seines Bundeslandes zu Wort kommen läßt. Wertvolle Bereicherung des Unterrichts ist auch von der neuen Sendereihe „Heimat Österreich“ zu erwarten. Hier sollen Querschnitte durch Geschichte, Eigenart und Leistung eines jeden Bundeslandes geboten werden und alle Hörer auf diese Art die Schönheiten und Vorzüge des österreichischen Landes und des österreichischen Menschen kennen und lieben lernen.

Von den vielen technischen und sonstigen Vereinbarungen sollen nur einige herausgehoben werden, zum Beispiel die Absicht, für die Sprecher einen Kurs abzuhalten, um endlich sinnstörende Aussprachefehler, nichtösterreicbische Ausdrücke und dergleichen zu vermeiden. Vorgeschlagen wurde auch der Austausch von Fachleuten, um eine einwandfreie Zusammenarbeit aller Sendegruppen zu gewährleisten.

Im ganzen ergibt sich — trotz allen inneren und besonderer äußeren Schwierigkeiten — ein erfreuliches Bild eines Zusammenhelfens und eines Aufstieges, der das österreichische Radio hoffentlich bald wieder zu jenem Ansehen in der Welt bringen wird, das es vor 1938 gehabt hat und das ihm auf Grund der kulturellen Leistung unseres Volkes gebührt.

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