6731856-1966_01_12.jpg
Digital In Arbeit

Unser Kardinal

Werbung
Werbung
Werbung

KARDINAL FRANZ KÖNIG. Mahner seines die Grenzen. Von Richard Barta. Verlag He

Seit 1918 ist der österreichische Kardinal der jeweilige Erzbischof von Wien. In dem seither vergangenen knappen halben Jahrhundert hatten drei Männer diese Position inner Kardinal Piffl bis 1932, Kardinal Innitzer 1932 bis 1955 und Kardinal König seit 1956. Die beiden Vorgänger von Kardinal König waren den Wienern schon vor ihrer Ernennung zum Erzbischof wohlbekannt: Piffl als Abt des Chorherrenstiftes Klosterneuburg, Innitzer als Professor der Wiener Universität und als Sozialminister im Kabinett Schober. Dann leiteten sie viele Jahre die Erzdiözese und erlangten dank ihrer Verbundenheit mit Klerus und Volk in guten und schlechten Zeiten weitere Popularität. Über die österreichischen Grenzen hinaus wurde ihr Name jedoch selten und meist nur im Zusammenhang mit politischen Ereignissen genannt.

Ganz anders verhielt es sich mit Kardinal König. Als 1956 der damalige Bischof-Koadjutor von Sankt Pölten zur allgemeinen Überraschung zum Nachfolger Kardinal Innitzers ernannt wurde, war er wohl den Theologen durch seine religionswissenschaftlichen Arbeiten ein Begriff, keineswegs aber der Mehrheit seiner neuen Diözesanen. Erzbischof König verstand es jedoch trotz seiner ruhigen und zurückhaltenden Art gut, mit den Wienern umzugehen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Als er 1960 bei der Fahrt zum Begräbnis des Agramer Erzbischofs Stepinac einen schweren Autounfall erlitt, bangte bereits ganz Österreich um ihn. Damals ging sein Name auch zum erstenmal durch die Weltpresse. Seit dem Beginn des II. Vatikanischen Konzils scheint er jedoch ständig in ihr auf. Während des Konklaves von 1963 war er neben Kardinal Suenens der einzige Nichtitaliener, dem man Chancen für die Erlangung der Tiara geben zu können glaubte. Seine große Vortragsreise nach Amerika im Frühjahr 1964 und seine Rolle beim Eucharistischen Kongreß in Bombay im Dezember 1964 machten ihn auch bei den nichtchristlichen Konfessionen bekannt. Und als Ende 1964 in einer amerikanischen Publikationsreihe die Biographien jener zwölf Männer erschienen, die „das Konzil machen”, befand sich unter ihnen auch die Lebensbeschreibung jenes Kardinals, der die nach 1870 verlorene Position des österreichischen Episkopats in der Weltkirche nicht nur wiedergewonnen hat, sondern auch wesentlich stärker und glücklicher nützt als seine Vorgänger. Seine Anfang April 1965 erfolgte Ernennung zum Präsidenten eines neuen vatikanischen Sekretariates für die Nicht- gläubigen ist ein überzeugender Beweis der Anerkennung dieser Leistung auch durch Papst Paul VI.

Die Österreicher — und nicht nur die praktizierenden Katholiken unter ihnen! — sind daher auf diesen ihren Kardinal mit Recht stolz. Sein Ansehen bewirkt es, daß zum erstenmal in der neueren österreichischen Geschichte Worte des Erzbischofs von Wien von Publizisten und Politikern aus allen Lagern zitiert werden, daß er bei allen Bürgern Österreichs als Autorität gilt. Trotzdem ist der Werdegang dieses Sohnes eines früh verstorbenen niederösterreichischen Bauern nur einem relativ kleinen Kreis bekannt. Nach wie vor stellt der Kardinal seine Person hinter die Sache.

Es war daher ein wirklich dankenswertes Unternehmen des Chefredakteurs der Kathpress, Doktor Richard Barta, trotz aller Wahrung respektgebotener Distanz zu versuchen, „das Leben, die Leistung und das Wort dieses Mannes, der heute bereits weit über sein Vaterland hinaus in der Welt Achtung und Beachtung findet, einem größeren Kreis nahezubringen”. Bartas „Versuch” ist bestens gelungen. Er zeigt ohne Pathos die entscheidenden Stationen auf dem Lebensweg des Kardinals auf, von denen der Studienaufenthalt in Frankreich vor dem zweiten Weltkrieg von besonderer Bedeutung gewesen sein dürfte. Die Position des Kardinals auf dem Konzil und in der Weltkirche wird klar und ohne Überbewertung dargestellt. Vor allem aber behandelt Barta eingehend den neuen Stil bischöflicher Verkündigung, den der Kardinal in den letzten Jahren in zunehmendem Maß entwickelt hat. Durch zahlreiche Rundfunk- und Fernsehansprachen zu verschiedenen Anlässen erreicht sein Wort auch Hunderttausende von Österreichern, die nicht mehr zu den praktizierenden Katholiken, dem „Kirchenvolk” gehören.

Der Inhalt all dieser Enunziatio- nen beweist, welch großen Wert der Kardinal auch auf die Betonung der gesellschaftlichen Funktion der Kirche legt. Seine Neujahrsbotschaften, die seit Silvester 1960 regelmäßig über Rundfunk und Fernsehen gesendet werden, zeigen das besonders deutlich. Sie fanden immer ein starkes Echo und gehören bereits zu den offiziellen Feiern des Jahreswechsels, obwohl sie in den letzten Jahren infolge der Entwicklung der österreichischen Innenpolitik zunehmend ernster und warnender geworden sind. Galt die Neujahrsbotschaft 1961 noch dem Jahrzehnt einer neuen Jugend, so waren im nächsten Jahr die moralischen Grundlagen des Staates, 1963 der doppelte Boden der öffentlichen Moral und 1964 die mahnende Erinnerung an den Bürgerkrieg von 1934 Gegenstände der Ansprache des Kardinals. Der dringende Appell zur Zusammenarbeit, zum ehrlichen Willen zu einer ehrlichen Lösung, der Ruf „Kehrt um, denkt um, so geht es nicht weiter!” gab der Neujahrsbotschaft 1965 ihre Prägung.

Mögen die Worte unseres Kardinals, die Barta uns gerade zur rechten Zeit wieder in Erinnerung ruft, nicht ungehört verhallen, sondern zum Wohle unseres Landes und seiner Bürger wirksam werden!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung