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Ein dreifaches Plädoyer: Gottes Vertrauen in uns, Vertrauen auf Gott, Vertrauen zwischen den Menschen - sowie Erinnerungen an Kardinal König und Roger Schutz, den Gründer von Taizé.

"Wenn das Vertrauen aller Dinge Anfang wäre, würden wir weit, sehr weit vorankommen.“ Dies sind Worte Frère Rogers. Das Wort "Vertrauen“ gehörte zu denen, die am meisten über seine Lippen kamen. Aber er sagte es nicht leichtfertig, es war für ihn mit einem inneren Kampf verbunden. Er sprach so oft davon, weil es ihm selbst darum ging, jeden Tag den Weg von der Besorgnis zum Vertrauen zu gehen.

Meine älteste Erinnerung an Kardinal König geht auf das Jahr 1974 zurück. Er war zur Eröffnung des Konzils der Jugend nach Taizé gekommen. Ich war junger Freiwilliger in Taizé, gerade 20 Jahre alt, und es beeindruckte mich, wie dieser eher stattliche Kardinal sich so einfach unter die Jugendlichen mischte, mit ihnen sprach, auf ihre Fragen antwortete, und dabei auch nicht davor zurückschreckte, aufgrund schwerer Regenfälle tief schlammige Wege einzuschlagen, um auf die Jugendlichen zuzugehen.

An diesem Tag fand er unter den Großzelten, in denen die gemeinsamen Gebete stattfanden, sehr starke Worte. Er war seinerzeit auch Vorsitzender des in Rom eingerichteten Sekretariats für die Nichtglaubenden. Er sagte: "Ich begrüße eigens alle unter euch, die den Glauben nie gehabt oder ihn verloren haben, die Atheisten sind oder meinen, es zu sein. Wir haben dieselbe menschliche Natur, dasselbe Verlangen nach einer besseren Welt. Können wir, müssen wir nicht zusammenarbeiten?“

Die Jugendlichen bedachten diesen Gruß mit langanhaltendem Beifall. Sie hatten begriffen, dass der Kardinal seine ganze Seele, sein ganzes aufgeschlossenes und großzügiges Herz in diese Worte gelegt hatte.

Gemeinsam mit Kardinal König

Frère Roger kam mehrmals zu einem gemeinsamen Gebet in den Wiener Stephansdom. Im Oktober 1974 wurde er von Kardinal König zur Abschlussfeier der österreichischen Kirchensynode eingeladen. Nach seiner Rückkehr notierte er: "Der Kardinal lässt eine Offenheit für alle durchscheinen, er ist ein Mann der Zukunft der Kirche.“

Sein letzter Brief an Frère Roger ist datiert vom 31. Dezember 2002, ein Jahr vor seinem Tod. Er hatte die Worte Frère Rogers gelesen: "Ich werde bis ans Ende der Welt gehen, um mein Vertrauen in die Jugendlichen zu sagen und immer wieder neu zu sagen.“ Damals schrieb der 97-Jährige: "Ich werde Sie bis ans Ende der Welt begleiten, um den Baum des Vertrauens unter die Jugendlichen einzupflanzen, die über das Schicksal unseres Planeten entscheiden werden.“

Gott geht das Risiko ein, sein Vertrauen in uns zu legen. Wenn wir den Ruf des Heiligen Paulus hören: "Lasst euch mit Gott versöhnen“ (2 Kor 5,20), können wir begreifen, dass es Gott darum geht, eine beschädigte Beziehung zur Menschheit wiederherzustellen. Und diese Versöhnung ist auf ein Vertrauen gegründet.

Um sich mit der Menschheit zu versöhnen, ist Gott Mensch geworden. Paulus schreibt: "Jesus entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen“ (Phil 2,5-11). Ja, Jesus hat den letzten Platz unter allen Menschen eingenommen, indem er sein Leben am Kreuz hingab. Auf diese Weise hat er eine neue Gemeinschaft eröffnet, die zuallererst ein Austausch ist: Gott empfängt in sich selbst unsere Menschheit und er übermittelt uns sein eigenes Leben. Gott erwartet, dass wir ihm unsererseits Vertrauen schenken.

Es ist so, dass es vielen Jugendlichen Mut abverlangt, Gott ihr Vertrauen zu schenken. In unseren westlichen Ländern gibt es zahlreiche Menschen, die ernsthaft einen Sinn für ihr Leben suchen, aber nicht an einen Gott glauben können, der sie persönlich liebt.

Andere haben zu viel Leid erfahren, als dass sie noch glauben könnten. Wenn Gott existiert - warum ist das Böse dann so mächtig? Wie kann man sich in einem Universum, dessen Vielschichtigkeit und Unendlichkeit wir immer besser erkennen, die Allmacht eines Gottes vorstellen, der sich gleichzeitig um das Universum und um jeden einzelnen Menschen kümmert? Und wenn Gott existiert - hört er unsere Gebete, erhört er sie?

Dennoch scheint die Frage nach Gott unabänderlich im Geist des Menschen verwurzelt zu sein. Vielleicht erleben wir sogar, dass eine neue Sensibilität dafür erwacht, die Wirklichkeit des Jenseits anzunehmen. Heute fragen wir: "Wonach sehnen wir uns?“ Wir können antworten, dass in jedem Menschen die Sehnsucht liegt, zu lieben und geliebt zu werden, die Sehnsucht in der eigenen Würde anerkannt zu werden, die Sehnsucht nach einer Liebe für immer. Drückt dieses Verlangen nach einem "für immer“ nicht schon eine Sehnsucht nach Gott aus?

Der Glaube stellt sich heute stärker als Risiko dar, das Risiko des Vertrauens. Um dieses Risiko einzugehen, bedarf es all unserer menschlichen Fähigkeiten, der des Herzens genauso wie der der Vernunft.

Es ist wesentlich, dass alle, die nach Taizé kommen, spüren, dass sie willkommen sind und ihnen zugehört wird, in einer Atmosphäre des Vertrauens, die es ihnen ermöglicht, herauszufinden, dass Gott sie bereits bewohnt, auch dann, wenn ihr Glaube ganz gering ist.

Vertrauen zwischen den Menschen

Es ist eines unserer Anliegen, ihren geistlichen Durst mit der Kirche in Verbindung zu bringen. Wir wollten niemals eine eigene Bewegung von Taizé ins Leben rufen. Wir suchen Wege, wie die Jugendlichen nach einer punktuellen Erfahrung auf unserem Hügel ins Leben ihrer Ortskirche einbezogen werden können.

Es ist nötig, Möglichkeiten zum Nachdenken über den Glauben zu erschließen, aber das Nachdenken allein genügt nicht. Damit man den Glauben nicht nur oberflächlich lebt, ist die Erfahrung von Gebet und Gemeinschaft mit anderen unerlässlich.

Das Vertrauen auf Gott bewegt uns, Vertrauen zwischen den Menschen zu bilden.

Viele Jugendliche treibt eine Frage um: Wie kann man die Mauern von Hass oder Gleichgültigkeit überwinden? Diese Mauern bestehen zwischen den Völkern, den Erdteilen, aber auch ganz in unserer Nähe, manchmal innerhalb der Kirche, und bis hinein in das Herz des Menschen.

Könnten wir tieferes Vertrauen zwischen den verschiedenen Kirchen wachsen lassen! Heute hat man manchmal den Eindruck, dass sich die Christen schlussendlich daran gewöhnt haben, in Konfessionen aufgespalten zu sein, als wäre dies normal. In Taizé erheben wir nicht den Anspruch, Lösungen gefunden zu haben. Um Versöhnung einzuleiten, hat Frère Roger uns aber gelehrt, das Beste der verschiedenen Traditionen herauszustellen. Auf diese Weise kann ein Austausch von Gaben geschehen: teilen, was wir in unserer eigenen Tradition von Gott empfangen haben, und auch die Gaben sehen, die Gott in die anderen gelegt hat.

Alle, die gegen Wind und Wetter weiterhin aus ihrem Leben einen Pilgerweg des Vertrauens machen, begreifen immer mehr, dass Gott sich mit jedem Menschen verbunden hat, ohne Ausnahme, und alle Menschen eine einzige Familie bilden. Und dadurch tragen sie dazu bei, die Zukunft der Kirche vorzubereiten und das Angesicht der Welt zu prägen, die im Entstehen ist.

* Der Autor ist Prior von Taizé

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