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Verhaltene Enttäuschung

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Wer im Augenblick Bedenken anmeldet gegen die Methode dieser Ernennung, braucht entweder eine kugelsichere Weste oder einen starken Glauben. Denn diese Kritik wird allzu leicht als „Pflichtprotest” diffamiert. Kann heute ungültig sein, was gestern noch gegolten hat? Ist denn die an der Ortskirche vorbei geschehene ßischofsfindung wirklich ein Ruhmesblatt für eine Kirche, die den Gedanken der Transparenz (die sich mit Diskretion durchaus verträgt) und der Einbindung der sogenannten „Basis” in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, auf dem Papier hochschätzt, in der Praxis aber einfach übergeht?

Gewiß, auf der einen Seite ist da Erleichterung: Endlich ein neuer Bischof! Nach dem monatelangen Hin und Her war es auch höchste Zeit. Die Ernennung beendet Spe kulationen und so manche innerkirchliche Gehässigkeit.

Die Erleichterung über die Ernennung sollte aber nicht über den wegtäuschen. Nicht eine Kritik an einer Person, sondern an der Methode ist anzubringen. Sie droht auch in der allgemeinen Jubelstim-mung unterzugehen. Die Parole ist ja sachgemäß längst ausgegeben: „Schwamm darüber!” Der farbige Teppich des Wohlgefallens wird über die Vorgehensweise gebreitet. Man muß kein großer Prophet sein: Tn ein, zwei Jahren ist Gras gewachsen über die Umstände der Erneu nung, jeder wird zufrieden sein, daß sich der Bischof von außen „so gut gemacht” hat - und als Glaubens-zweifei wird abgetan wrerden, wer an das mindestens theologisch fragwürdige Procedere erinnert, das wenig vom Geist des Konzils atmet.

Die Präludierung durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz Johann Weber vor einigen Tagen, Innsbruck stünde möglicherweise eine sehr gute Lösung bevor, die Kommentare von anderen Bischöfen, die den Neuen zwar persönlich kennen, die aber automatisch in die Rolle des Souffleurs von Superlativen schlüpfen, die Komplimente der Studierenden in Benediktbeuern all das bewirkt die „Es ist ja eh alles gut”-Stimmung. Wehe dem, der da Trauerflor anbringt!

Was war - und bleibt - falsch an der Methode? Da hat sich eine Ortskirche eingebracht, mit Vorschlägen, die auf einer direkt, aber diskret durchgeführten Umfrage beruhen, deren Ergebnisse nur Stecher bekannt sind. Diese Kandidatenermittlung, die vom Kirchenrecht her gedeckt ist, wurde schubladisiert:

Schöne Fleißaufgabe, aber „die Römer” wissen es besser.

Die Enttäuschung darüber klingt, wenn auch sehr verhalten, in der Presseerklärung Stechers durch, mit der er seinen Nachfolger herzlich willkommen heißt. Nur wenige werden die leise Anmerkung als solche erkennen, „daß wieder einmal eine Zeit kommt, in welcher der Ortskirche jener Stellenwert zukommen möge, den sie im ersten Jahrtausend hatte, und der ihr auch vom IT. Vatikanum zugedacht ist”.

Das ist der springende Punkt! Denn daß Alois Kothgasser Steirer ist und Ordensmann, diözesanfremd und kein Gemeindeseelsorger all das disqualifiziert ihn nicht. Auch nicht, daß er Dogmatikprofessor ist und nicht Pfarrer. Wenngleich er natürlich als Salesianer eine andere kirchliche Sozialisation mitbringt. Startvorteile sind das alles nicht. Es sei Kothgasser von Herzen ge-önnt, daß ihm von llen Seiten Rosen 5estreut werden:

Dialogfähigkeit, ausgleichend, kein Polarisierer, ausgezeichneter Prediger. In ersten Interviews hat er gewin-, nende Freundgelegt. Radio Tirol spielte am Tag nach der Ernennung „Steirer-Men are very good for Hollywood”. Was für Arnold Schwarzenegger in den USA gilt, kann auch für Kothgasser in Tirol Wirklichkeit werden. Das ist ihm zu wünschen. Es ist ja nicht seine Integrität, die zur Debatte steht.

Gerade wegen des anhaltenden Beifalls, der sich auch in der flächendeckenden Berichterstattung der „Tiroler Tageszeitung” niederschlägt, wollen die wenigsten von den Hypotheken noch etwas hören, die mit dieser Ernennung verbunden sind.

So wurde etwa Kothgasser selbst kurz nach Ostern, auf seine Favoritenrolle angesprochen, von der „Tiroler Tageszeitung” mit den Worten zitiert: „Innsbruck braucht doch einen Tiroler als Bischof”. Daß der Papst und der Nuntius anderer Meinung waren, kann man nicht Kothgasser anlasten. Trotzdem: Er wußte, daß sich Stecher für eine inner-diözesane Lösung stark gemacht hatte. Außerdem: Für einen 60jähri-gen ist diese Umstellung sicher kein Honiglecken. Auch wenn Kothgasser auf loyale und hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zählen kann, die ihm einen enormen Vertrauensvorschuß entgegenbringen. - Als Dogmatiker wird Kothgasser wissen, welche Bedeutung die Begleitumstände seiner Ernennung haben: eine verpaßte Gelegenheit, eine Ortskirche theologisch wahr- und ernstzunehmen.

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