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Verlage in Verlegenheit

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Jeder Verleger ist im Grunde genommen ein kleiner oder großer Spieler (um das Wort Hasitdeur zu vermeiden). Es gibt keine Regeln, nach denen ein Buch ein Erfolg wird und nach denen eines kein Erfolg wird. Wie jeder Spieler, hofft natürlich auch jeder Verleger auf einen großen Erfolg. Und wie jeder Spieler versucht er, den Erfolg durch Anwendung verschiedener Systeme herbeizu-zwingen. Dazu gehört jede Art von Werbung, gehören Abmachungen mit Buchgemeinschaften, Abdrucke in Zeitungen, Übersetzungen — wodurch das finanzielle Risiko, das die Herausgabe eines Buches fast immer bedeutet, herabgemindert werden soll.

Unter den deutschsprachigen Verlegern ist die Lage der österreichischen eine besonders schwierige. Und dies aus vielen Gründen. Zunächst einmal: Das österreichische Verlagswesen ist relativ sehr jung.

Bis zum Jahr 1918 gab es kaum irgendwelche österreichische Verlage, die innerhalb des deutschen Sprachraumes einen großen Ruf besessen hätten. Nur der Schroll-Verlag machte hier die Ausnahme. Dies änderte sich in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Der Zsolnay-V'erlag, der einige

Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges gegründet wurde, konnte sich bald einen sehr guten Platz im gesamten deutschen Sprachraum schaffen. In dieser Zeit begann auch der Aufstieg der Buchverlage Tyrolia und Styria. Nach dem Sieg des Nationalsozialismus in Deutschland übersiedelte so mancher deutsche Verlag und so mancher deutsche Verleger nach Wien. Damals entstanden der Hegner-Verlag Wien, der weltberühmte Phaidon-Verlag (der dann nach London übersiedelte), der Reisner-Verlag, und 1937 der Otto-Müller-Verlag. In der Folge des Anschlußes wurden viele dieser Verlage entweder eingestellt oder in ihrer Tätigkeit beschränkt. Nach dem Ende des zweiten Welttkrieges gab es für kurze Zeit einen großen verlegerischen Rausch. So mancher Österreicher träumte davon, daß Wien die Nachfolge des zerstörten Leipzig antreten werde, und so mancher glaubte, daß Österreich, das vom Krieg weniger getroffen war als Deutschland, dieses in der Buchproduktion überflügeln könnte. Viele neue Verlage schössen aus dem Boden. Viele alte nahmen ihre Tätigkeit wieder auf. Der Traum verflog bald. Die meisten der neu gegründeten Vertage starben nach einer kurzen

Scheinblüte aus Mangel an Kapital oder aus Mangel an Autoren. Übrig blieb nur eine relativ geringe Anzahl von Verlagen, die größtenteils schon vor 1938 bestanden hatten. Aber auch ihr Dasein ist nicht leicht. Denn der größte Teil der österreichischen Verlage ist angewiesen auf den Export in die Bundesrepublik. Und hier beginnt eine doppelte Misere. Die österreichischen Verleger müssen ihre Bücher mit einem relativ sehr hohen Rabattsatz, der zwischen 55 und 64 Prozent liegt, nach Deutschland liefern. Dieser hohe Rabattsatz wird etwas verbessert durch die sogenannte Umsatzsteuervergütung, die der österreichische Staat den Buchexporteuren gewährt und die etwas über 5 Prozent beträgt. Meistens muß aber der österreichische Verleger auch noch die Transportkosten bis zur Grenze oder gar bis zu jener deutschen Stadt tragen, in der sich sein Auslieferer befindet. Um dennoch die Kosten, die mit der Herstellung eines Buches verbunden sind, etwas aufzufangen, ist der österreichische Verleger vielfach gezwungen, den bundesdeutschen Preis seines Buches etwas zu erhöhen. Und dadurch wird er vielfach mit seinem Buch für den deutschen Käufer zu teuer.

Das österreichische Buch ist beim deutschen Leser nicht unbeliebt. Aber sein Absatz erfährt so gut wie keine Förderung durch das deutsche Sortiment. Dies ist eine traurige Tatsache, die aber einmal ausgesprochen werden muß. Die beste Werbung für ein Buch ist immer noch die Auslage einer Buchhandlung. Vergeblich aber wird man in den Auslagen der deutschen Buchhandlungen ein österreichisches (oder auch ein schweizerisches) Buch suchen, während doch die Auslagen der österreichischen Buchhandlungen von Büchern aus deutschen Verlagen übergehen. (Bei Besuchen in Deutschland bereite ich mir immer das traurige Vergnügen, in den Auslagen deutscher Sortimenter die österreichischen Bücher zu zählen. Vor kurzem fand ich in München in vierzig Auslagen ein einziges Buch aus einem österreichischen Verlag. In Frankfurt fand ich während der Buchmesse in 28 großen Auslagen nur sechs Bücher aus österreichischen Verlagen und drei Bücher aus schweizerischen.)

Die deutschen Sortimenter hegen somit eindeutig eine Aversion gegen Bücher aus österreichischen Verlagen. Worauf diese Aversion zurückgeht ist nicht zu ergründen. Zwei Begründungen werden zwar immer gegeben, aber diese sind nicht ausschlaggebend. Die erste sagt: die österreichischen Bücher seien zu teuer, was teilweise stimmt. Vielfach wird auch behauptet, daß österreichische Themen das deutsche Leserpublikum nicht interessierten. Der Begriff „österreichisches Thema“ wird hiebei leider immer sehr weit ausgelegt. Er umfaßt nicht nur wirklich und speziell österreichische Lokalthemen, sondern auch Erscheinungen der österreichischen Geschichte, Kunst und Kultur, die Weltbedeutung hatten und haben. Natürlich sind Fischer von Erlach, Prinz Eugen, Schubert, Adolf Laos Österreicher und Bücher, die sich mit ihnen beschäftigen, sind „österreichische Themen“. Aber diese Themen gehen doch wahrlich über die Bedeutung des Lokalen hinaus! Und trotzdem wird dieser Vorwurf österreichischen Verlegern von von deutschen Sortimentern und deutschen Vertretern bis zum Überdruß entgegengeschleudert und als Haupthindernis für den Absatz österreichischer Bücher in Deutschland hingestellt. In Wirklichkeit ist dieser Vorwurf nur eine Ausrede. Denn ein österreichischer Autor oder ein österreichisches Thema, die von einem deutschen Verlag herausgebracht werden, sind keineswegs mit dem gleichen Fluch beladen. So ist es nicht verwunderlich, daß immer mehr bedeutende österreichische Autoren zu deutschen Verlagen abwandern, die ihnen zumeist auch bessere materielle Angebote machen können. Der österreichische Verlag ist vielfach vom deutschen Markt abhängig. Hier aber werden seiner Tätigkeit oft sehr hohe Hindernisse entgegengestellt. Und vom österreichischen Staat erlangt er nicht jene Förderung, die es ihm ermöglichen würde, diese Barrieren zu überspringen.

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