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„Verstaatlichte” und Dividende

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Die Geschichte der Aktiengesellschaft in Österreich ist noch nicht sehr alt; aber ebenso alt ist die Diskussion über die Gewinnverteilung solcher Unternehmungen, die Diskussion über die Dividenden.

Noch um die Jahrhundertwende und nach dem ersten Weltkrieg gerade in konservativen Kreisen, in Deutschland um Lej-eune-Jung, in Österreich in den Kreisen der katholischen Sozialreformer, als Trägerin des anonymen Kapitals mit Mißtrauen betrachtet und nicht selten bekämpft, fand man in der Aktiengesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg die gewünschte privatwirtschaftliche und zivilrechtliche Form, als man durch die Verhältnisse .genötigt war, große Zweige der österreichischen Wirtschaft in das Eigentum des Staates überzuführen. Denn die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung sicherten mehr als jede andere Form,, daß die verstaatlichten Unternehmungen im Rahmengefüge unserer Industriewirtschaft bleiben, keine allzu weit gehende Sonderentwicklung nehmen und dadurch nicht zu einem wirtschaftlichen Machtfaktor über das ihnen zukommende Maß hinaus werden, der die Privatwirtschaft erdrückt.

So nahmen diese verstaatlichten Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung eine befriedigende Entwicklung auch in der Weise, daß sie sich in die österreichischen Interessenvertretungen, in die Kammern der gewerblichen Wirtschaft, ohne erhebliche Umstände einfügten, wenn auch da und dort Hoffnungen gehegt wurden, eine Herausschälung und eine Sonderentwicklung der verstaatlichten Betriebe durch Schaffung einer neuen Organisationsform zu erreichen.

Die Kapitalbeschaffung

Nur in zwei Dingen ließen es die verstaatlichten Aktiengesellschaften an gewohntem Gehaben fehlen: in der Kapitalbeschaffung und in der Gewinnverteilung. Diese Betriebe waren alle 1945 aufs schwerste angeschlagen, und mußten, um wieder auf normale Produktionsleistungen zu gelangen, Investitionen größten Ausmaßes durchführen. Allein in den Jahren 1958 bis

1960 wurden 335 Millionen Schilling ERP-Mittel, 234 Millionen Schilling bundesverbürgte Kredite und aus Eigenmitteln oder sonstigen Krediten 6263 Millionen Schilling insgesamt auf Investitionen aufgewendet. Zweifellos haben diese Betriebe sich zu einer ansehnlichen Ausgestaltung emporgearbeitet, was aber nicht besagt, daß sie das Optimum oder auch nur durchweg jenes Maß erreicht haben, das erforderlich ist, um allen Wechselfällen des internationalen Konkurrenzkampfes gewachsen zu sein.

Trotz der erwähnten großen Aufwendungen sind nicht nur Betriebe, deren wirtschaftliche Lage, wie zum Beispiel die Kohlenbergbaue, beschwerlich geworden ist, genötigt, weitere Investitionen zu tätigen, sondern auch solche, deren Gesamtlage hoch erfreulich ist. Kapitalbeschaffung muß daher in der verstaatlichten Industrie noch immer großgeschrieben werden. Dafür wurden bisher zwei Wege beschritten: Kapitalaufstockungen aus Staats-, das heißt aus Steuermitteln, und Kredite. Der dritte, normalerweise der erste Weg, der dem Sinn der Aktiengesellschaft entspricht und um dessent-

1 willen die Form der Aktiengesellschaft erfunden worden ist, der Gang auf den Kapitalmarkt, wurde geradezu ängstlich vermieden. Es ist kein Zweifel, daß hinter dieser Zurückhaltung ideologische Gründe stecken, und daß diese selbst durch die Möglichkeit der Ausgabe von Aktien mit Nennwerten eines durch Hundert teilbaren Bruchteiles von 1000 S (§ 8 Aktiengesetz) und dadurch die Ermöglichung des Aktienerwerbs durch Belegschaftsmitglieder, nicht überwunden werden konnte, bestätigt diese Annahme und verdichtet die Vermutung, daß die Absicht besteht, die Verstaatlichung nicht aus wirtschaftspolitischen, sondern au parteipolitischen Gründen zu fördern. Dazu kommt, daß man zwar auf neue Verstaatlichungsmaßnahmen verzichtet, aber für die bereits verstaatlichten Betriebe unbegrenzte Ausweitungs berechtigung verlangt, was im Laufe der Zeit zu einem fast gleichen Ergebnis führen kann. Und dies, obwohl die Verstaatlichung „für westliche Länder mit ungewöhnlich hohem Anteil“ von „100% der Erzproduktion, 99% des Roheisens, 95% des Rohstahls, 94% der Braunkohle, 85% der elektrischen Energie und 70% des Aluminiums" erreicht hat, wie kürzlich Professor Franz Nemschak betont hat.

Die Ertragslage

Dieser hohe Stand an verstaatlichten Unternehmungen ruft naturgemäß ein ebenso hohes Interesse der Öffentlichkeit an der Ertragslage dieser Betriebe hervor. Denn wenn die Verstaatlichung dem allgemeinen Wohl dienen soll und nicht bloß ein Auskunftsmittel zur Erreichung eines bestimmten Grades der Vollbeschäftigung ist — was nebenbei auch bezweckt werden darf, aber nicht ausschließlicher Zweck sein kann —, dann muß sich die Verstaatlichung auch in den Staatseinnahmen deutlich fühlbar machen.

Es sei vorweggenommen, daß das Steuererträgnis zunehmend befriedigender wurde. Ein Rückblick auf die Steuerleistungen der verstaatlichten Industrie auf die letzten zehn Jahre ergibt folgendes Bild:

Es wäre aber falsch, zu meinen, damit wäre die Verpflichtung des Unternehmens erfüllt, daß es seine Steuer ordnungsgemäß und zeitgerecht ab- führt. — Industriebetriebe sind auf Gewinn berechnet. Auch die verstaatlichten Industriebetriebe können keinem Selbstzweck frönen, sondern müssen mit in ihren Gewinnen gleichgearteten Betrieben vergleichbar sein.

Nimmt man nun die Grundkapitalien unserer verstaatlichten Unternehmungen und eine Durchschnittsdividende von fünf Prozent, so ergäben sich Dividendenausschüttungen nachstehender Art:

bescheidenen Gewinn abwerfen, ein runder Betrag von jährlich etwa 300 Millionen Schilling der Republik aus den Dividendenausschüttungen ihrer „Nationalindustrie" — dann erst würden sie, wenn überhaupt, diesen Namen mit Recht führen — zufließen könnte.

Die tatsächlichen Dividendenleistungen der Jahre 1954 bis 1959 aber erreichten diese Höhe nie. Sie betrugen bloß:

Da ergab insgesamt 437,759 Millionen Schilling. Das heißt, in sechs Jahren wurde nicht einmal das Eineinhalbfache einer durchschnittlichen

Jahresleistung an den Staat abgeführt. Diese Feststellung will niemandem einen Vorwurf machen. Die Lage der Betriebe war in diesem Zeitabschnitt noch vielfach so, daß in zahlreichen Betrieben der Aufbau erst in vollen Huß kommen konnte, ist er doch noch keineswegs abgeschlossen und sein Abschluß in manchem noch nicht absehbar. Die Kohlenbetriebe scheiden gänzlich, die Metallbetriebe — soweit sie nicht auf Aluminium beschränkt sind — weitgehend aus der Reihe der dividendenträchtigen Betriebe aus.

Die Öffentlichkeit muß aber die Frage aufwerfen: Wann soll eine befriedigende Dividende erwartet werden, wenn nicht wenigstens in der Zeit gesteigerter Konjunktur?

Die Teilung der Dividenden zwischen dem Finanzminister und dem Ressortminister für die verstaatlichten Unternehmungen in dem für diesen so günstigen Verhältnis von 25:75 schafft dem Ressortminister eine Quelle von Mitteln zur Anwendung, um schwachen oder vorübergehend geschwächten Betrieben bei ihren Investitionsanliegen Unterstützungen gewähren zu können. Dieses „Medium", wie es Minister Dr. Klaus in Kleß- heim genannt hat, verschafft dem verstaatlichten Betrieb einen nicht zu übersehenden Rückhalt und Vorsprung. „Der Privatbetrieb wird, sobald die Löhne den Ertrag aufzehren, geschlossen. Der öffentliche Betrieb kann lange Zeit mit Verlust arbeiten; es werden die Fehlbeträge durch Anleihen oder Steuern gedeckt — und es wird so das öffentliche Unternehmen zu einem Parasiten der Volkswirtschaft.“ Wir sind weit davon entfernt, dieses harte Wort, das kein Geringerer als J. Conrad in seinem bekannten Werk „Grundriß der politischen Ökonomie" 1921 (I., Jena, Seite 336) niedergeschrieben hat, uns auch nur im leisesten zu eigen zu machen; wir können es — wie wir glauben — mit Recht noch zurückweisen; aber als Daueveinrichtung sind defizitäre Staatsbetriebe in der Regel ruinös, und müssen aus volkswirtschaftlichen Gründen allgemein abgelehnt werden. Die Existenz des Investitionsfonds und seine begünstigte Zuteilung aus den Dividenden findet ihre Rechtfertigung nur darin, daß dadurch andere Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln an die verstaatlichten Unternehmungen unnötig werden und daß in berechenbarer Zeit aus seinen Mitteln die Gesundung der zur Zeit noch nachhinkenden Betriebe betrieben und erreicht werden kann.

Die politische Seite

Unsere verstaatlichten Aktiengesellschaften einer aktiven Dividendenpolitik zuzuführen, ist aus allen angeführten Gründen auch eine zwingende politische Notwendigkeit. Eugen Philippovich hat schon im Jahre 1926 („Grundriß der politischen Ökonomie“, Seite 213) eine aus größter Erfahrung abgeleitete Warnung ausgesprochen: „Die oberste Leitung der öffentlichen Wirtschaftsbetriebe liegt in den Händen derjenigen, welche die politische Macht in Händen haben, und die Gefahr ist daher eine große, daß für die Führung der Unternehmungen nicht bloß sachliche Gesichtspunkte, sondern auch politische Interessen der Machthaber und ihrer Freunde von Einfluß wären.“

Auch vor dieser Gefahr heißt es die Augen offenhalten. Doch darf man annehmen, daß die Gefahr selbst nicht einmal so recht ernst zu nehmen ist. Dafür müßte die gegenseitige Kontrolle, die in der Koalition gegeben erscheint, hinreichend Garantie bieten. Weit größer ist die Gefahr, daß man der Koalition die Vernachlässigung dieser Kontrolle vorwirft, und unsere verstaatlichten Betriebe in eine Atmosphäre des Mißtrauens absinken, die ihnen und dem sozialen Frieden nur abträglich sein könnte.

Jede Steigerung der aktiven Dividendenpolitik bedeutet demnach eine Verfestigung deä Ansehens unserer verstaatlichten Unternehmungen und einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur weiteren glücklichen Gestaltung unserer Wirtschaft, deren gesunder Zustand die unverzichtbare Voraussetzung des Bestandes unseres Staates und seiner gegenwärtigen Gesellschaftsordnung ist.

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