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Verstößt die Neuinszenierung gegen die Verlagsrechte?

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Der Kenner der Theatergeschichte weiß, daß auch in der Vergangenheit ähnliche, im Zeitgeist begründete Wiedergaben von Opern stattgefunden haben. Neu ist nur der hohe Grad an bewußtem Rechtsanspruch, den Regisseure von heute für ihre persönliche Werkansicht geltend machen. Heikel wird die Sache dann, wenn noch Autorenrechte bestehen, die auf eine authentische, text- und partiturgerechte Darbietung pochen können.

Beim „Rosenkavalier” von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal verhält es sich ähnlich wie bei heutigen Musical-Werken, wo die Aufführungsrechte mit einer „Originalinszenierung” gekoppelt vergeben werden. Für die Dresdner Uraufführung des „Rosenkavaliers” im Jahre 1911 gab Strauss seine Zustimmung nur unter der Bedingung, daß Bühnenbilder und Kostümgestaltung Alfred Boller übertragen wurden. Und diese in den Verlagsvertrag aufgenommene Bedingung gilt, wie Fachleute bestätigen, de jure bis heute.

Der Verlag Boosey und Hawkes, der die internationalen Bechte des seinerzeitigen Berliner Verlages Fürstner in Sachen Strauss-Hofmannsthal übernommen hat, bestätigt, es sei „korrekt”, daß für frühe „Rosenkavalier” -Inszenierungen die Verwendung der Roller-Entwürfe gefordert worden sei, doch sei dies schon vor dem Zweiten Weltkrieg, also zu Lebzeiten von Strauss, nicht erzwungen worden. Er nehme es hin, sagt ein Sprecher des Verlages, daß „heutzutage eine bedauerliche Tendenz bestehe”, Werke zu „modernisieren”, der Verlag, ebenso wie der Strauss-Enkel Richard, „mißbilligen diese Tendenz”. Wichtig sei jedoch, daß Aufführungen, die an der bestehenden Form festhalten, „der höchsten Tradition entsprechen”.

Der Verlag schätzt somit die Situation liberal ein. Der Sachverwalter des Hofmannsthal-Erbes (im Freien deutschen Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum, Rudolf Hirsch) teilte mit, die in England und den USA lebenden Hofmannsthal-Erben hätten „nur einen gebrochenen Einblick in die zu großen Teilen urheberrechtlich bedingten konkreten Situationen und überlassen daher den Verlagen das Handeln, wenn es gefordert wird”. Nach den Verträgen sei das Urheberrecht an Strauss übertragen, der sich seinerseits durch Fürstner (später durch Schott und Boosey & Hawkes) vertreten ließ. Die Hofmannsthal-Erben selbst haben demnach kein Einspruchsrecht!

Bichard Strauss jun., der Enkel des Komponisten, äußert sich, in Übereinstimmung mit seinem Bruder Christian, schärfer. Ursprünglich auch als Regisseur tätig, habe er dieses Metier aufgegeben, weil er nicht bereit sei, die moderne „Verhunzung von Meisterwerken mitzumachen”. Bei den Werken großer Meister der Vergangenheit halte er sich an die Musik. Bei den Opern seines Großvaters sei die Situation jedoch anders: „Unser Interesse ist allein darauf gerichtet, das Werk von Richard Strauss zu erhalten, zu pflegen und zu fördern”. Das sei nicht immer leicht.

„Vor ca. 20 Jahren habe ich eine Aufführung der ,Salome' in Augsburg verboten. Ich kannte den Regisseur und sah den Entwurf des Bühnenbildes. Was glauben Sie, was damals losging! Die gesamte Presse^links ist ja in der Kultur modern, fiel über mich her”, erzählt Richard Strauss jun. Man habe ihm die Beurteilungskompetenz abgesprochen. Verbieten sei nicht so einfach, wie man glauben mag. In der sogenannten Demokratie habe niemand das Recht, jemandem seine „künstlerische Freiheit” zu beschneiden, und das moralische Recht sei wie „eine Gummiwand”. Und die Tantiemen? Ihr Verlust wäre, laut Strauss-Enkel, kein Motiv für das Verbot einer problematischen Aufführung.

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