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Vertraut, doch fern vom Klischee

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Was hat Österreichs Image in Deutschland mit dem Image der Schuhfirma Humanic von der Fraaaanz-Werbe-kampagne gemeinsam? Die totale Bekanntheit, verbunden mit unerwünschten, änderungsbedürftigen Vorstellungen vom jeweiligen Produkt. Jeder kannte Humanic und dachte dabei an solide, aber unmodische Treter. Fraaaanz sollte das ändern und hat es auch getan. Österreich hingegen hat nicht nur beim deutschen Otto Normalverbraucher, sondern auch im deutschen Feuilleton das Image eines insgesamt etwas rückständigen Urlaubslandes mit kulinarischer Kultur, dessen Dichter, sofern es überhaupt lohnt, sie zu lesen, längst nur in deutschen Verlagen (oder allenfalls noch im Salzburger Residenzverlag) publizieren. Den Rest könne man sowieso vergessen.

Der Österreich-Schwerpunkt der Buchmesse 1995 war eine Chance, einen Schritt in Richtung auf ein für Österreich im allgemeinen und seine Literatur- und Verlagsszene im besonderen günstigeres Image zu setzen. Be-kanntlich ist es leichter, Unbekanntes bekannt zu machen, als bestehende Vorstellungen zu verändern.

Die Buchmesse 1995 war eine Buchmesse wie jede andere. Und doch auch ganz anders. Dafür, daß sie anders war, sorgte eben Österreich mit dem heurigen Schwerpunkt. Einen solchen gibt es jedes Jahr, 1996 wird er beispielsweise von Irland bestritten, doch mit Österreich präsentierte sich erstmals ein deutschsprachiges Land. Die Premiere wurde hier wie dort, in Österreich wie in Deutschland, mit gemischten Gefühlen erwartet. In Deutschland zunächst mit wenig Neugier. Ging es doch zum ersten Mal nicht um die Begegnung mit einer mehr oder weniger unbekannten Literatur und Buchkultur. Meint doch Deutschland und vor allem das deutsche Feuilleton, genug über Österreich zu wissen. Das deutsche Feuilleton aber hat sehr viel Macht.

Der Buchmesse ging eine Serie österreichischer Aktivitäten voraus: Seit Jahresbeginn 600 Literaturveranstaltungen, im Vorfeld der Buchmesse 75 Veranstaltungen mit 300 österreichischen Autoren im Frankfurter Literaturhaus. Die „Frankfurter Allgemeine” ließ sich anfangs noch ungnädig und ganz im Sinne der etablierten Österreich-Klischees vernehmen. Abende, die, hätten sie der Präsentation der spanischen, italienischen oder irischen Literatur gegolten, als Chance, Neues kennenzulernen, begrüßt worden wären, wurden als Ausdruck eines sattsam bekannten Minderwertigkeitskomplexes gedeutet. Nach eher schwachem Zustrom kam es aber nach einigen Tagen zum Umschwung. Fast anschlagartig waren nun - noch vor der Anreise der Messebesucher - die Veranstaltungen gesteckt voll, und dies bis Mitternacht. Der offenere, phantasievollere, showmäßigere österreichische Veranstaltungsstil war nur einer der Gründe dafür. Und auch das deutsche Feuilleton wurde auf einmal freundlich. Österreichs Selbstdarstellung hatte im großen und ganzen drei Komponenten. Für die große Zahl der Buchmessenbesucher war der von Adolf Kri-schanitz entworfene Rundpavillon im Freigelände zwischen den Messehallen bestimmt. Er war stets gesteckt voll, und wird sich, da zerleg- und wiederverwendbar, hoffentlich amortisieren. Mit seinen mit Musil-Zitaten geschmückten Wänden sah er sehr gut aus. Die von einem österreichischen Literatur-Insider registrierte Ähnlichkeit mit den Zettelchen des österreichischen Pflück-dir-ein-Gedicht-Lyrikers Helmut Seethaler, die daneben von einer Leine baumelten und vom österreichischen Oberorganisator äußerst scheel betrachtet wurden, kann geradezu als hinterfotziges Kompliment gedeutet werden.

Ein kleineres, zum Teil eingeladenes, zum Teil Eintrittskarten kaufendes Publikum wurde in der Alten Oper von für einen Abend eingeflogenen Publikumslieblingen, von (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Dene bis Ott, Schenk bis Steinhauer, Muliar bis Schwab österreichisch bedient. Über Kosten und Nutzen darf man angesichts der Fünfminutenauftritte (bis herunter zu den gestoppten 45 Sekunden eines der Megastars) streiten, aber was tut Österreich nicht alles für sein Image im Aus- und dessen Rückspie-gelungen ins Inland. Die zwischendurch hoffnungslos gegen die Profis anlesenden Autoren waren gewiß viel billiger.

Intellektuelle und rhetorische Brillanz bot Robert Menasse mit seiner vielfach zitierten Rede über Geschichte und Menschlichkeit zur Eröffnung der Buchmesse. Als geistiger Imagefaktor darf aber auch das von der IG Autoren erarbeitete „Kataloglexikon der österreichischen Literatur des 20.

Jahrhunderts” und die Literaturdatenbank gelten. Sie beeindruckten ein Fachpublikum, dessen Multiplikatorwirkung durchaus auch auf das Feuilleton ausstrahlen könnte.

Der Österreich-Schwerpunkt fand auch auf dem Schauspielsektor seine Entsprechung: Mit der deutschen Erstaufführung von Thomas Bernhards „Heldenplatz” im Schauspiel Frankfurt (eine dem Vernehmen nach wesentlich harmlosere Aufführung als die des Burgtheaters) und mit einem Werner-Schwab-Gastspiel des Wiener Schauspielhauses im Theater Am Turm. Ob das alles im gewaltigen kulturellen Hintergrundrauschen untergeht oder wenigstens ein bißchen weiterwirkt und dazu führt, daß die österreichische Literatur etwas weniger als Anhängsel der deutschen gesehen wird, oder ob bloß eine Buchmesse lang der rotweißrote Schwanz mit dem deutschen Hund gewedelt hat, bleibt abzuwarten.

Abgesehen davon war die Buchmesse wieder wie immer. Branchensorgen wie immer, wenn auch nicht ganz dieselben wie immer. Niemand fürchtet mehr, die elektronischen Medien könnten das Buch verdrängen. 400 Verlage mußten aus Raummangel zurückgewiesen werden. Aber der Konzentrationsprozeß schreitet weiter voran. Angesehene Verlage mittlerer Größe müssen, wegen des Kapitalbedarfes, fusionieren, verkaufen, sich zusammenschließen. Und die Rationalisierungstendenzen im Buchhandel führen dazu, daß immer mehr Buchhandlungen ihr Angebot auf immer weniger Bücher reduzieren.

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