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Verwaltungsreform und Recht

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Schlagworte haben die Eigenschaft, von Zeit zu Zeit aus der Versenkung hervorgeholt zu werden und dann wieder von der Tagesvdnung zu verschwinden. Zu diesen Schlagworten gehörte schon in der Ersten Republik und gehört auch jetzt wieder das Thema Verwaltungsreform.

Auch in anderen Ländern gibt es die gleichen Probleme. Man meint damit, daß die öffentliche Verwaltung billiger und einfacher werden soll. Auf dem Weg zu diesem Ziel gibt es zwar da oder dort kleine Erfolge, aber von der Verwaltungsreform wird man hoch im Jahre 2000 reden.

Kürzlich fand in Wien eine Tagung des österreichischen Akademikerbundes statt, die dem Thema Verwaltungsreform gewidmet war. Die Referate waren ausgezeichnet una die Diskussion bewegte sich auf einem hohen Niveau. Aber im Verlauf der Aussprache ereignete sich etwas, das Beachtung verdient. Ein hoher Beamter vertrat die Ansicht, daß vor einer wirksamen Verwaltungsreform der Gesetzgeber in Aktion treten und die erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen beschließen müßte.

Diese Meinung wird von der Verwaltung kolportiert, und weite Kreise der Öffentlichkeit »ind der Ansicht, daß es nur am Gesetzgeber liege, in Österreich eine billigere und einfachere Verwaltung zu schaffen. Einer solchen Ansicht aber muß mit aller Entschiedenheit widersprochen werden. Dies tut nun einer mit aller Leidenschaft, der seit zwei Jahrzehnten an der Gesetzwerdung mitarbeitet und der durch seine Interventionstätigkeit viele Erfahrungen sammeln konnte.

Da wäre also zunächst die Frage zu untersuchen, ob der Gesetzgeber tatsächlich erst Maßnahmen treffen müßte, um eine Verwaltungsvereinfachung zu ermöglichen. Dazu ein ganz entschiedenes Nein! Nur ein Beispiel für viele. Die Lehrer erhalten eine sogenannte Bildungszulage von 100 Schilling im Monat. Voraussetzung für die Gewährung dieser Zulage war der Nachweis über den Ankauf von Büchern, die Teilnahme an entsprechenden kulturellen Veranstaltungen usw. Die Betroffenen sammelten also Bücherzettel, Theaterkarten und andere Belege, um in den Genuß der Bildungszulage zu kommen. Dann mußten diese Belege eingereicht, gesammelt und kontrolliert werden! Im Herbst des vergangenen Jahres trug ein Abgeordneter an den Bundesminister für Unterricht die Anregung heran, diesen Unsinn abzuschaffen. Der Unterrichtsminister prüfte die Anregung und — das sei anerkennend festgehalten — er handelte. Die Lehrer brauchen keine Belege mehr zu sammeln, um die Bildungszulage zu erhalten. Aber interessant ist an der Sache, daß gegen die erwähnte Anregung aus Lehrerkreisen Einspruch erhoben wurde.

Ein anderes Beispiel. Die Kfz- Steuer soll von allen Steuern verwaltungsmäßig am teuersten kommen. Wer versteht das? Die Steuerkarten geben die Trafikanten aus, die Steuer wird in Form von Stempelmarken entrichtet, und wenn ein Jahr um ist, müssen die Steuerkarten beim zuständigen Finanzamt abgeliefert werden. In diesem Augenblick aber soll eine enorme Verwaltungsmanipulation einsetzen. Natürlich muß kontrolliert werden, ob die Steuer in der richtigen Höhe geleistet wurde. Aber es ist schon die Frage, ob wirklich jede einzelne Steuerkarte noch gesondert verbucht werden muß! Also auch hier wären Vereinfachungen und Verbilligungen möglich, ohne daß der Gesetzgeber das Kfz-Steuergesetz in einem einzigen Satz zu ändern brauchte. Will man mehr Beispiele?

Die zweite, aber nicht weniger wichtige Frage: Wer formuliert die in das Parlament kommenden Gesetze? In der Regel doch die ressortmäßig zuständigen Beamten, Initiativanträge von Abgeordneten sind nicht gerade zahlreich. Und das österreichische Parlament ist lammfromm, denn die von der Verwaltung kommenden Gesetzesvorlagen werden nur selten in den Ausschüssen abgeändert. Wenn also die Verwaltung dem Parlament die Gesetze vorlegt, dann kann die gleiche Verwaltung nicht nachher dem Parlament vorwerfen, die Gesetze wären zu kompliziert und deren Durchführung zu teuer.

Manche- Gesetze weisen einen Schönheitsfehler dadurch auf, daß sie viele „Kann“-Bestimmungen enthalten. Natürlich läßt sich nicht alles in die Zwangsjacke starrer Paragraphen kleiden, aber „Kann“- Bestimmungen müßten eine ganz selten» Ausnahme sein. Der Gesetzgeber soll klare Rechtsnormen setzen, welche für alle Staatsbürger gelten und an welche die Verwaltung bei der Durchführung der Gesetze gebunden ist. Die Erfahrung zeigt nämlich., daß auf Grund von „Kann“- Bestimmungen gestellte Anträge zunächst abgelehnt werden. Hat nun der Antragsteller entsprechende Beziehungen oder setzen gar von mehreren Seiten Interventionen ein, dann kann er sicher noch mit einer positiven Erledigung rechnen. „Kann“-Bestimmungen fördern keineswegs die Rechtssicherheit und sie sind außerdem Ursache ungezählter Interventionen.

Die dritte Frage ist die der Kompetenzen. Auch wenn es aus sachlichen Gründen zweckmäßig wäre, eine bestimmte Angelegenheit in einer Hand zu konzentrieren, scheitert das nicht selten am Ressortegoismus, denn auf Beamtenebene wird vielfach ein Kampf auf Leben und Tod geführt, um nur keine Position aus seinem Herrschaftsbereich zu verlieren. Hier braucht man also keine Änderung von Gesetzen, um gewisse Dinge zu bereinigen, sondern die Überwindung einer gewissen ehrgeizigen Haltung wäre ausreichend. Sind für diese Behauptung Beweise erwünscht? Sie können in beliebiger Zahl angeführt werden.

Die Bemühungen der Bundesregierung um eine Verwaltungsreform verdienen die Unterstützung aller Gutgesinnten. Aber echte Erfolge werden sich erst dann einstellen, wenn die Verwaltung selbst bereit ist, an echten Reformen und Vereinfachungen mitzuwirken.

Dieser Beitrag soll aber nicht nur kritische Bemerkungen enthalten, sondern es muß auch ein Wort zur Ehre unserer Verwaltung gesagt werden. Wenn man hierzulande auf die Schweiz verweist, wo angeblich wesentlich besser und billiger verwaltet wird — was Schweizer Freunde nachdrücklich bestreiten —, so darf man doch nicht übersehen, daß sich das Recht im neutralen Nachbarland kontinuierlich entwickeln konnte. In Österreich gibt es geltende Vorschriften aus der Monarchie, aus der Ersten und Zweiten Republik, selbst aus dem „Tausend jährigen Reich“ blieben bis heute Reste von Gesetzen und Verordnungen geltendes Recht. Wenn Bundeskanzler Dr. Klaus die Rechtsbereinigung zu einem •wesentlichen Punkt seines Arbeitsprogramms machte, ist ihm zuzustimmen. Es ist allerdings zu befürchten, daß es in dieser Legislaturperiode auf diesem Gebiet keine’a Fortschritt geben wird.

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