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Viel Selbstgefühl und kühner Mut

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FRANCO. EINE BIOGRAPHIE. Von Brian Crozier. Aus dem Englischen von Christian Spiel. Bechtle-Veriag, 1967. 505 Sei- ten, 23 Lichtbilder, 17 Kartenskizzen. DM 38.—.

Zu Lebzeiten verfaßte Biographien sind eine Bestätigung für die Größe der geschiilderten Persönlichkeit, sie können aber doch nur „behutsam und unvollständig andeuten, was zu bedenken ist, wenn später ein end- gültiges Urtei! versucht wird”. So sieht der Journalist Crozier seine Aufgabe, nachdem er in dreijähriger Forschung erkannt hatte, daß Franco nicht der vom propagandistischen Standpunkt aus zu tadelnde „Fasčhist” ist, sondern ein Staats- mann, der ihm die urspriingliche „Antipathic zu widerwilliger Bewun- derung” gewandelt hat. Schon der äußere Lebenslauf bestrickt den Biographen: mat 22 Jahren Hauptmann, mit 35 der jiingste General Europas, Kommandant derFremden- legion und der Militärakademie in Saragossa, bevorzugt von Alfons XIII., Chef des Generalstabes, Gouverneur der Kanarischen Inseln, seit 1936 Spaniens Staatsoberhaupt. In der Reihe der zum Staatschef emporgestiegenen Soldaten fällt auf, daß relativ viele sehr lange regier- ten: Napoleon I. und Atatürk fünf- zehn Jahre, Washington 18, Hor- thy 25, Bernadotte 26, Porflrio Diaz 31 und Franco beginnt sein viertes Jahrzehnt. Eine ausgezeich- nete Vorschule für bewegte Zeiten bot Franco seine Dienstleistung in Marokko, wo er im Kampfe gegen Abd el Krim den legendären Ruf vorbildlichen Mutes erwarb.

An führende Rolle in der euro- päischen Geschichte rückte ihn der Bürgerkrieg 1936 bis 1939, den der Verfasser an Hand instruktiver Skiz- zen verfolgt. Am schwierigsten war der Beginn, als 15.000 Mann aus Afrika auf dem Luftweg nach der Iberischen Halbinsel geschafft wer- den mußten, entscheidend dann die Vereinigung der national gebliebenen Provinzen mit Abriegelung des Kriegsschauplatzes gegen Portugal und Frąnkreich und Verkürzung der republikanischen Küstenzonen zwecks Einkreisung Madrids. Erst nach zweidreiviertel Jahren fiel der Sieg den militarise!! gut geführten Nationalen zu, die Ende 1937 582.000 Mann gegen 492.000 Republikaner zählten. Während an Francos Seite deutsche und italienische Kontingente fochten, standen in den Reihen der Regierungstrüppen dreizehn Internationale Brigaden. Dieser seine Rahmen schon sprengende Bürger- krieg beednflußte das Schicksal des ganzen Kontinentes und auch den zweiten Weltkrieg. Mit Recht wid- met Crozier einen breiten Raum der Liquidierung der blutigen Ausein- andersetzung durch die harte Vergel- tungsjustiz der Sieger, wie sie nach Niederwerfung von Aufständen in aller Welt scheinbar unvermeidlich ist. Reguläre Streitkräfte sind eher frei von Racheexzessen, in Bürger- kriegen dominiert stets die anfangs unkontrollierbare Vergeltung gegen alle, denen eigene Mitbürger zum Opfer gefallen sind.

Noch durchzuckten diese Ersdhütte- rungen das Land, als der Krieg 1939 bis 1945 den Caudillo nochmals einer mehrjährigen aufreibenden Probe aussetzte, als ihn die Achsen- mächte zum Eintritt in den Krieg drängten. Der Generalissimus blieb unbeirrt neutral, und Hitler bezeich- nete es als einen seiner folgen- schweren Mißerfolge, den selbstbe- wußten spanischen Staatschef niicht fiir den Krieg gewonnen zu haben. Der Verfasser erinnert an Jodis Wort, Spaniens Verweigerung des deutschen Durchmarsches sei einer der Gründe für die deutsche Nieder- lage gewesen. Franco ging aus dem zwedten Weltkrieg isoliert hervor, Spanien wurde diffamiert, und eine Exilregierung glaubte 1945, in weni- gen Wochen in Madrid amtieren zu können. In die so widerspruchsvolle Haltung der Mächte bietet die Biographlie weiten Einblick, und der Leser mag sich fragen, wie es die große Politdk mit der Entregistrie- rung von Staaten halt — man hat sie Einzelindividuen nicht vorent- halten. Spaniens Verbindung mit Hitler und Mussolini war schließlich nur eine Phase unter vielen, und anderen Mächten wurden ähnliche Orientie- rungswechsel nicht verübelt. Stärker als alle Ressentiments blieb übrigens die Wirklichkeit. Seit 1945 hat sich Spanien durch Lösung komplizierte- ster Fragen, wie der Staatsform, des Konkordates, des Marokkoabkom- mens, der wirtschaftlichen Erholung und der Entmachtung der Falanse, seinen Weg bis in die UNO, NATO, UNESCO und den OEEC gebahnt: „Francos Regime wird trotz aller seiner unbestreitbaren Mangel als die längste Periode des Friedens, der Stabilität und des Fortschritts in der jüngeren Geschichte Spaniens gel- ten.”

Das Wertvollste an der Biographic ist die Aufgliederung jener Eigen- schaften, die den General Franco als Staatsmann erweisen. „Er war nie besonders faschistisch, ebensowenig besonders monarchistisch oder repu- blikanisch…er war in erster Linie Berufssoldat, bedacht auf Disziolin und Ordnung, mit einer paternalisti- schen Auffassung von seiner Pflicht gegen das Vaterland und nur gerin- gem Interesse an den konstitutionel- len Formen…Alle seine Taten, nicht nur die Missetaten, werden ,vor Gott und der Geschichte’ zäh- Jen…ein Meister im Umgang init, der Macht.” Er billigt Ungehorsam, ,.wenn der Mißbrauch der Macht die Nation ins Unglück führt”, er fordert Disziplin auch dann, „wenn unser Denken mit dem gegebenen Befehl nicht übereinstimmt”, er verlangt Respektierung demokratischer Wahl- ergebnisse, sofern sie von einer „echten, geordneten und wirkungs- vollen Demokratie stammen, in der es Parteien verwehrt ist, die nationale Einigkeit aufzulösen”, er ver- bietet dem ..faschistischen Element jeden maßgeblichen Einfluß auf die Politdk”, er schwört im Kampf auf den „blinden Glauben an den Sieg”, im Frieden auf-..Geschick und Klug- heit”. Der Caudillo ist ein Mann des kühlen Abwartens und des günstig- sten Zeitpunktes, er kennt die Bil- dungslücken seines Volkes und riskier! deshalb nicht, der vollen Demokratie „die Schleusen zu öffnen”. In vielem verwandt dem General de Gaulle, gelten Franco das Vaterland, der Glauben und die Ordnung als die alien geistigen Kräften über- geordneten Begriffe, dem Volk halt er dessen Fehler vor, die Neigung zu negativer Kritik, zu Anarchie, Extre-

mismus und innerem Zwist, zugleich identifiziert er sich mit der spanischen Unnahbarkeit und fanatischen Hingabe an das Ganze. Wie nahelie- gend ist es, hier an Schiller zu den- ken, der in seinem „Don Carlos” Philipp II. zu Marquis von Posa sagen läßt: „Viel Selbstgefiihl und kühner Mut, bei Gott! Doch das war zu erwarten — stolz will ich den Spanier!”

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