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„Vier Viertl is a Ganz”

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Wia a Kinderl sei Muatter, wia a Hünderl sein Herrn” - so gern hat der Oberösterreicher sein „Hoamatland”. So versichert es uns jedenfalls die Landeshymne: Rreit und gemütlich kommt sie daher, und mit jener Mischung aus Ehrlichkeit und Treuherzigkeit, die der Kabarettist und (Halb-)Oberösterreicher Josef Hader seinen (Halb-)Landsleuten im furchk-Interview zuspricht (siehe Seite 15).

Doch was läßt sich sonst noch sagen übr 1 .and und Leute ob der Enns? Von den Vorarlbergern wissen wir, daß für sie Ostösterreich bei St. Anton anfängt, die Steirer sind das „wilde Bergvolk hinter dem Semmering”, bei den Kärntern denken wir (wie lange noch?) an Seen und Fremdenverkehr, und über die Burgenländer gibt es wenigstens (unterschiedlich gute) Witze.

Alles Klischees, gewiß. Aber wo sind diese Klischees im Falle Oberösterreichs, welche Bilder sind es, die man mit dem 1 .and assoziiert?

Selbst dem obersten Oberösterreicher, Landeshauptmann Josef Pühringer, fiel dazu nichts ein außer: Wir sind die Ober-Österreicher (siehe Interview Seite 14). Demnach wäre er dann der Ober-Ober-Österreicher, wohingegen der Bundespräsident als der eigentliche Ober-Österreicher dastünde ...

Doch das heikle Verhältnis Bundesländer - Bund wollten wir hier eigentlich nicht streifen. Es drängte sich freilich in diesem Fall (und jenem des im Osten angrenzenden Bundeslandes) in besonderer Weise auf, sind es doch jene beiden Länder, die den Namen der Gesamtrepublik in ihrem Namen führen. Das verweist darauf, daß Ober- und Niederösterreich in ihren heutigen Grenzen jene Gebiete miteinschließen, die das mittelalterliche Herzogtum Österreich (ab 1156) bildeten. Eine erste schriftliche Quelle, die ein „oberes Österreich” nennt, stammt aus 1246, dem Todesjahr des letzten Babenbergerherzogs, Friedrichs II. (des Streitbaren). Gemeint war damals damit vermutlich der Landstrich zwischen dem Hausruck und der Ybbs. Das durch das Erlöschen des Babenbergergeschlechts entstehende Machtvakuum rief unter anderem den aus Böhmen stammenden Premysliden Ottokar auf den Plan. In einem Vertrag mit dem ebenfalls auf das Babenberger-Erbe schielenden König von Ungarn erhielt Ottokar die obderennsischen Gebiete, der Magyar bekam die Steiermark.

In die Zeit der Regentschaft Otto-kars II. fällt die erste urkundliche Erwähnung der noch heute gängigen Territorialbezeichnung supra Ana-sum (ob der Enns). Vor allem aber meinte es der böhmische Herrscher mit dem „oberen Österreich” offensichtlich recht gut und förderte durch eigene Landtaidinge dessen Verselbständigung. Den beim Landtai-ding von Linz 1264 wirkenden „Oberrichter” Konrad von Sumerau könnte man so gesehen als den ersten oberösterreichischen Landeshautpmann bezeichnen.

Nun gut, historisch betrachtet also ist das Land gewissermaßen urösterreichisch. Doch nehmen wir noch einen Anlauf, um seinem Wesen auf die Spur zu kommen. Nochmals greifen wir zu diesem Zweck auf den Poeten Franz Stelzhamer, dessen Feder auch die Worte zur Landeshymne entstammen, zurück: „Vier Viertl is a Ganz”, finden wir da, und entsinnen .uns sofort des Heimatkunde-Unterrichts, wo man uns beibrachte: Oberösterreich besteht aus dem Inn-, dem Hausruck-, dem Traun- und dem Mühlviertel. Das läßt sich im Prinzip seit 1779 behaupten. Im Gefolge des Rayerischen Erbfolgekrieges (Österreich hatte Anspruch auf Bayern erhoben, die Preußen stellten sich dagegen) gelangte das Innviertel zu Österreich und Maria Theresia zur Ansicht, mit diesem Friedensschluß ihre lange politische Karriere „gloriose geendigt” zu haben.

Und indem wir nun von Vierteln sprechen, wird plötzlich auch das Land als Ganzes konkreter. Die Kargheit des Mühlviertels haben wir als Bild im Kopf, der Bierliebhaber denkt vielleicht an die hocherfreuliche Brauereiendichte im Innviertel (siehe Seite 17); vor allem aber führt uns das Stichwort Traun in eine der schönsten Regionen des Bundeslandes, ja ganz Österreichs. Der Traunsee mit der imposanten Kulisse des Traunsteins, das charmante Gmunden, ziehen nicht umsonst Besucher aus ganz Europa an. Und nicht nur diese: ganz in der Nähe von Gmunden, in Ohlsdorf, hatte sich auch Thomas Bernhard seine eigene Welt eingerichtet, ohne die er wohl nicht leben konnte - in der es freilich auch nicht auszuhalten vermochte (siehe Seite 16).

Traunaüfwärts schließlich gelangt man immer tiefer ins Salzkammergut, wo landschaftliche Schönheit, Habsburg-Nostalgie und Massentourismus unauflöslich miteinander verwoben sind. Zuletzt grüßt der Dachstein, doch da beginnt dann eine andere Geschichte ...

Was also ist Oberösterreich, fragen wir nun nach diesen Annäherungsversuchen. Wir wollen vorerst einmal zur Kenntnis nehmen, daß vier Viertel ein Ganzes sind, auch weil es mathematisch plausibel klingt. Stelzha-mers Satz soll so stehenbleiben.

Einige Aspekte dieses Ganzen wob len dann die folgenden Seiten vermitteln. Und wenn Sie das nächste Mal mit der Bahn von Wien nach Salzburg fahren, denken Sie vielleicht daran, daß die endlose Ebene nicht alles ist; daß das Bier im Speisewagen keinesfalls die Raffinesse obderennsischer Braukunst widerspiegelt; daß aber, wenn es Ihnen mit treuherzigem Blick und ehrlichen AVorten serviert wird, der Kellner höchstwahrscheinlich ein Oberösterreicher - also in gewissen Sinn ein Ober-Österreicher - ist.

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