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Völker im Volke Österreichs

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Die Burgenlandkroaten

Die Kroaten des Burgenlande; sind eine durch den Staatsvertraj 1955 (Art. 7) zusätzlich ausdrücklich geschützte „nationale Minderheit“ Sie sind eine echte Volksgruppe mil angestammter Heimat und zugleich eine sprachliche Minderheit, deren Sprachenrechte ebenfalls nach Art. 7 des Staatsvertrages von 1955 besonderen Schutz genießen.

Wenn von angestammter Heimat gerade bei den Burgenlandkroaten zu sprechen ist, so nicht zuletzt auf Grund ihrer uralten Siedlung in diesem einst zu den Ländern der Stephanskrone („Ungarn“) gehörigen Gebiet, das bis 1918 allgemein Westungarn genannt wurde. Ob es nun, wie Andrew Burghardt1 annimmt, eine politische Geographie des Burgenlandes im strikten Wortsinn gibt oder nicht, so spielt jedenfalls die geographische Situierung der Burgenlandkroaten in der Geschichte des Donauraumes seit 1919 auch ■eine bestimmte politische Rolle. Die kroatische Volksgruppe des Burgenlandes ist von ihrer Geschichte her eine Flüchtlingsvolksgruppe, um einen Ausdruck der neuesten Volkswissenschaft zu gebrauchen2. Kroaten aus Bosnien, Kroatien und Dal-matien flüchteten vor den heranströmenden Türken im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts nach Westungarn.

Zur Besiedlungsgeschichte darf auf die bis heute wohl umfassendste Dissertation von Josef Breu3 verwiesen werden, der der Geschichte der Kroatensiedlungen in Westungarn bis in die kleinsten Details nachgegangen ist. Ein kleiner Teil der Burgenlandkroaten wurde auch seitens der Gutsherren in das Gebiet zwischen Thaya und Mur berufen. Czoernig spricht von einem kroatischen Archipel4, der die Verbindung zwischen Nord- und Südslawen in diesem Gebiet herstelle. Dieser Satz mag- mit -zu den Korridofbestrebun-gen beigetragen haben, die gegen Ender'dw ersten Weltkrieges -Von tschechischer wie serbischer Seite unternommen wurden, um sozusagen für immer zwischen den Magyaren und Österreichern einen der Staatszugehörigkeit nach slawischen Korridor zu legen, wobei das heutige Burgenland einschließlich der heute zu Ungarn gehörigen Gebiete mit Kroatensiedlungen zum künftigen südslawischen Staat (SHS) fallen sollten. Diese Forderung findet sich schon früh im sogenannten tschechischen Nationalprogramm5, vor allem aber in den weithin bekannten tschechischen Memoranden zur Friedenskonferenz von 1919, vor allem dem Memoire II6, das die Westgrenze des Burgenland-korridors von Theben bis westlich Neusiedl, dann von dort bis knapp östlich Wiener Neustadt und nach Süden bis östlich Fürstenfeld verlaufen läßt, die Ostgrenze aber von östlich Wieselburg bis westlich Kapuvär und von da ziemlich genau südlich bis östlich Nagy Kanizsa.

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges hat das kommunistische Jugoslawien in einer Reihe von Memoranden zusammen mit den Gebietsansprüchen auf Südkärnten und Teile der heutigen Untersteiermark diese Korridorforderung wiederum aufgestellt, diesmal jedoch keinerlei tschechische Unterstützung erhalten7. Die Burgenlandkroaten selbst haben keinerlei Interesse an einer staatlichen Verbindung zu Jugoslawien oder auch nur zu einem kroatischen Staat, wie er kurzfristig während des zweiten. Weltkrieges bestand (Nesavwizna Drzava Hrvat-ska), bekundet, und das kommt auch in der einschlägigen exilkroatischen Literatur, so in dem wissenschaftlich überragenden Werk von Jere Jarebs, zum Ausdruck.

Im Gegensatz zu jugoslawischen Ansprüchen auf Südkärnten wird man auch schon nach den amtlichen jugoslawischen Erklärungen vor dem österreichischen Staatsvertrag sagen können, daß die Korridoridee ernsthaft nicht aufrechterhalten wurde. Viele Autoren zur Geschichte des Donauraumes erwähnen die Korridoridee gar nicht einmal (Kann, Ubersberger, Wierer), und selbst Evard Benei kommt in seinen Memoiren darauf nicht zu sprechen. Die Burgenlandkroaten sind daher nicht Gegenstand politischer Gebietsansprüche. Dies dürfte erheblich dazu beigetragen haben, daß sie nicht im Mittelpunkt nationaler oder gar nationalistischer Debatten stehen und auch ihr uneingeschränktes Österreichbekenntnis nie in Frage gestellt worden ist.

Erstmals wurde mit der deutschen Volkszählung 1939 auch bezüglich der Kroaten die Zählung nach „kroatisch“ sowie „deutsch und kroatisch“ vorgenommen. Da sich niemand als zu einer Sprachminderheit gehörig bekennen oder ermitteln lassen wird, sei es auch nur in der Variante der Doppelsprachigkeit, der dem Mehrheitssprachvolk angehört, müssen jene, die unter „deutsch und kroatisch“ verzeichnet wurden, zu den Kroaten gerechnet werden. Ihre Zahl war übrigens nicht groß, nämlich 2031, davon 1032 weiblich'. Außerdem wurde auch nach der kroatischen Volkszugehörigkeit gefragt. Zu dieser bekannten sich 17.444 Personen, davon 4005 in den zum Reichsgau Steiermark gekommenen

Bezirken des Bundeslandes und 13.439 in dem zum Reichsgau Niederdonau gekommenen Nordburgenland. Diese Zahl, die hiermit erstmals der Öffentlichkeit vorgelegt wird und bislang nur dem Verfasser dieser Artikelreihe zugänglich geworden war, zeigt eine verhältnismäßig große Resistenz der Burgenlandkroaten gegenüber der gewiß auch angestrebten deutschen Einvolkung. Allerdings spielt bei der viel größeren Anzahl der sich nur der Sprache nach als Kroaten bekennenden Personen die Fragestellung nach der Muttersprache eine große Rolle. Sie ist, wie schon bisher dargetan, minderheitenfreundlich, das heißt, sie erbringt in Gebieten mit einem Sozialprestigegefälle von der ethnischen Mehrheit zur ethnischen Minderheit notwendigerweise eine größere Anzahl Minderheitsangehöriger als die Frage nach der Umgangssprache.

Die Definition der Muttersprache

Die Probe aufs Exempel liefert die Volkszählung 1961!°, die gegenüber jener von 1951 ein starkes Anwachsen der reins;>rachigen Kroaten bei gleichzeitig starkem Absinken der doppelsprachigen Mischtypen („kroatisch-deutsch“, „deutsch-kroatisch“, „magyarisch-kroatisch!', „kroatisch-magyarisch“) deshalb ergab, weil 1951 nur nach der Umgangssprache im öffentlichen Leben gefragt war, 1961 aber die erhobene Umgangssprache als Haus- und Familiensprache erläutert wurde, was doch eher sich dem Begriff Muttersprache nähert. 1951 zählte man 15.729 Personen mit kroatischer Umgangssprache (5,7 Prozent), 1961 aber 23.813 (8,79 Prozent). Hingegen gingen die Personen mit der Sprachdeklaration „kroatisch-deutsch“ von 14.782 (5,35 Prozent) auf 2414 (0,89 Prozent) und „deutsch-kroatisch“ von 3828 (1,38 Prozent) auf 1867 (0,69 Prozent) zurück.

Daraus ist ersichtlich, daß die Zählung solcher Mischtypen des Bilinguismus keine brauchbaren Ergebnisse mit sich bringt, wenn der Kultursog der Staatssprache groß ist. Nur dann, wenn, wie zum Beispiel in den Minderheitenstatuten der doppelsprachigen Gemeinden der unter der Verwaltung der SR Slowenien stehenden Zone B des Freien Territoriums Triest“, die ethnische Minderheit (dort die italienische) auf einem besonders hohen Kulturniveau steht, wirkt sich die gesetzliche Einrichtung und Anerkennung des Bilinguismus nicht zum Nachteil der Minderheit aus.

Wie Breu ausführt, sind die heutigen kroatischen Sprachinseln im Burgenland nur Reste eines einst viel größeren Volksbodens. Er stellt für 1937 freilich fest, daß einzelne Kroatendörfer auch Volksgewinne zu verzeichnen hätten“. Das war in der besonders kroatenfreundlichen Ära vor 1938 durchaus möglich, zumal die Burgenlandkroaten durch Dr. Lovro (Lorenz) Karall, der — noch 1945 durch zehn Jahre auch Landeshauptmann — im öffentlichen Leben (Christlichsoziale Partei) erheblichen Einfluß hatten.

Die veränderten Bedingungen

Während die Burgenlandkroaten sich auch im Dritten Reich gut hielten — sie waren nur in verschwindendem Maße der NSDAP zugeneigt gewesen, für deren Liste bei den letzten Landtagswahlen vor dem Anschluß im ganzen Burgenland nur B93 Stimmen abgegeben wurden <—, sind sie nun in zunehmendem Maße

Pnoto: Swoboda von einem Abbröcklungsprozeß ergriffen. Auch wenn man nicht von den Volkszählungsauswertungen ausgeht, die Pfeifer“ und Homma11 ihrer Beurteilung der Lage der Burgenlandkroaten zugrunde legen, wobei sie (u. E. zu Unrecht) die Variante

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