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Vom NS-Regime befreit

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Die „Nachkriegszeit” war, was man damals noch nicht wußte, zugleich die „Vorkonzilszeit” für die Katholische Kirche - in Osterreich und darüber hinaus.

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Die „Nachkriegszeit” war, was man damals noch nicht wußte, zugleich die „Vorkonzilszeit” für die Katholische Kirche - in Osterreich und darüber hinaus.

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Der Krieg war zu Ende, das barbarische NS-Regime zusammengebrochen, die Siegermächte feierten, Deutschland und Österreich lagen in Trümmern. Vergeltung und Rache standen als politische Handlungsmaximen im Vordergrund, nur vereinzelt rief man nach Versöhnung. Auf dem Stuhl Petri saß der im März 1939 in einem der kürzesten Konklave zum Papst gewählte Pius XII. Noch warf ihm niemand vor, durch Schweigen über den Holocaust und andere NS-Greuel versagt zu haben.

Die Kirche Österreichs hoffte, an die Zeit vor 1938 anknüpfen zu können; daß dies zwar bei der Strukturierung des Katholizismus, nicht jedoch im staatskirchenrechtlichen Bereich möglich war, sollte sich sehr rasch herausstellen.

Noch im September 1945 untersagten die Bischöfe die Wiedererrichtung der einst blühenden katholischen Vereine mit ihrer eigenverantworteten demokratischen Struktur. Nun wollte man keine freigewählten Obfrauen und Obmänner, keine Präsides und keine Vereine. Vom Seelsorger beziehungsweise geistlichen Assistenten abhängige und ernannte Führer und Führerinnen sowie von oben nach unten durchstrukturierte Gliederungen waren angesagt.

Trotz heftiger Warnungen vor diesem kirchlichen Etatismus, wie Karl Rahner diese Form des Klerikalismus nannte, wurde die Katholische Aktion nach diesen Maximen, dem italienischen Vorbild folgend, aufgebaut. Das eigentliche Sagen hatten nicht die Laien wie vormals bei den katholischen Vereinen, die vornehmlich auf dem Gebiet der Politik ihr Hauptbetätigungsfeld gesehen hatten. Bibel und Liturgie war jetzt verordnet, so hatten deren Fachmänner, die geistlichen Herren wie Otto Mauer, Karl Strobl, Ferdinand Klostermann, Josef Schneiber et cetera, das Sagen.

Während im politisch-staatlichen Bereich sich schon durchgehend demokratische Strukturen durchgesetzt hatten, wurde in der Kirche Österreichs aber erst das nachgeholt, was in der Ära des Nationalsozialismus nicht möglich war. Die rauschenden und berauschenden Jugend- und Katholikentage mit einem Meer von Bannern und Wimpeln schienen den Konzeptoren dieser klerikalisierten Laienschaft recht zu geben. Unangefochten galt das auf der Wiener Seelsorgertagung 1935 formulierte theologischhierarchische KA-Grundprinzip: „Es ist katholischer mit dem Bischof in Irrtum als gegen den Bischof in die Wahrheit zu schreiten.” Der mündige Laie wurde zwar gefordert, aber nicht definiert.

Als sich 1954 einige Laien aus den traditionellen Vereinen zusammentaten, um deren Dachverband, die AKV, zu kreieren, erteilten Bischöfe deren Initiatoren Redeverbot, sogar das Verbot der AKV als solcher wurde betrieben.

Auf staatskirchenrechtlichem Gebiet gab es diesen berauschenden Aufbruch nicht. Hier versagte die Sozialdemokratie die Anerkennung des Konkordates und damit der Kirche die Rechte, die ihr zugestanden wären.

Aber die römische Kurie, insbesondere Papst Pius XII persönlich, dessen Unterschrift das Konkordat trug und trägt, dachte nicht im geringsten daran, von den verbrieften Rechten zurückzutreten. Die Entwicklung sollte ihm rechtgeben, Osterreich anerkannte nach langwierigen politischen Querelen und vatikanischen

Demarchen bald nach dem Staatsvertrag die Gültigkeit des Konkordates, und daran sich anschließende emsige Verhandlungen führten zu Modifikationen, die den verhängnisvollen Kulturkampf österreichischer Provenienz mit der Unterschrift des damaligen Außenministers Bruno Kreisky beendete. Die Kirche wurde frei für gesellschaftliches Wirken von allgemeiner humaner Bedeutung.

Als genuine Leistung des österreichischen Katholizismus, seiner Spiritualität und seines Aktionsprogrammes kann das Mariazeller Manifest gelten. In seiner Formulierung war es die Einzelleistung des damaligen Pressechefs des Katholikentages und späteren langjährigen Leiters der Katholischen Presseagentur Österreichs, Richard Barta. Sein damaliger Stellenwert kommt in seiner ursprünglichen Denomination zum Ausdruck, die schlicht und sachlich lautete: „Offizieller Bericht der Pressestelle des Österreichischen Katholikentages”. Dieser erst im Laufe der Jahre in seiner vollen Bedeutung erkannte Bericht erhielt zehn Jahre später von seinem Autor die Bezeichnung „Mariazeller Manifest”. Es wurde von keiner offiziellen kirchlichen Instanz beraten und beschlossen, geschweige denn promulgiert. Sein erster Teil kann bei kritischer Hinterfragung schwerlich uneingeschränkt unterschrieben werden, wenn man bedenkt, wie intensiv um die Anerkennung des Dollfuß-Konkordates gerungen und wie engagiert an Gegebenheiten in der Ära des „Christlichen Ständestaates” angeknüpft und sichere Plätze auf ÖVP-Wahllisten für KA-Funktionäre paktiert und ausgespart wurden, während im „Mariazeller Manifest” aber zu lesen steht: „Die Zeit von 1938-1945 bildet hier eine unüberschreitbare Zäsur: Die Brücken in die Vergangenheit sind abgebrochen, die Fundamente für die Brücke in die Zukunft werden heute gelegt. ... Keine Rückkehr zum Protektorat einer Partei über die Kirche ...” Sein zweiter Teil, der positiv zum Ausdruck bringt, was die Kirche Österreichs ist und sein will, ist ungleich besser gelungen und kann als eine Art Charta des österreichischen Katholizismus und des Dialogs gelten.

Am 23. April 1950 sollte im hohen Dom von St. Stephan Franz Jachym zum Erzbischof-Koadjutor von Kardinal Theodor Innitzer konsekriert werden. Mitten im liturgischen Geschehen verließ Jachym aber wohlüberlegt den Dom, sprachlos war die Gemeinde, fassungslos die katholische Welt. Zwar wurde Jachym einen Monat später in Rom in der Kirche Santa Maria dell'Anima zum Bischof geweiht, aber als Nachfolger Innitzers kam er nun schwerlich in Frage. So wurde der Weihbischof von StPölten, Franz König, 1956 Innitzers Nachfolger und prägte als Erzbischof von Wien wesentlich das Kirchenbild in Österreich und als Kardinal nicht unmaßgeblich das der Weltkirche.

In Graz-Seckau war 1954 auf Fürstbischof Ferdinand Stanislaus Pawlowski der aszetische Josef Schois-wohl gefolgt. Mit der Ernennung von Franz Zak zum Nachfolger Michael Memelauers von St. Pölten 1961 befinden wir uns bereits in der Zeit der großen Konzilserwartungen und -auf-brüche.

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