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Von Salurn bis Kufstein

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Die 150-Jahr-Feiern der Tiroler Freiheitskämpfe werden am 15. August und am 13. September ihre Höhepunkte erreichen. Obwohl im September der farbenprächtige Aufmarsch von mehr als 20.000 Tiroler Schützen und Musikkapellen erfolgen wird und somit das imposanteste Schauspiel dieser Feiern geboten werden wird, so ist doch der 15. August von viel größerer Bedeutung: An diesem Tage wird zum erstenmal der Tiroler Landtag zusammentreten mit allen Tiroler Abgeordneten von Salurn bis Kufstein.

Diese Landtagssitzung ist das Kernstück des Gedenkjahres, denn sie wird vor der ganzen Welt die unteilbare Einheit des Landes dokumentieren.

In diesem Zusammenhang soll man sich an die Sitzung des Tiroler Landtages vom 23. September 1919 erinnern, in der der spätere Landeshauptmann Dr. Franz Stumpf und die Abgeordneten Martin Rappoldi und Wilhelm Greil einen Antrag einbrachten, in dem es unter anderem hieß:

„Der Verfassunggebende Landtag von Tirol erblickt in dem von der Nationalversammlung der Deutschösterreichischen Republik angenommenen sogenannten Friedensvertrag mit den alliierten und den assoziierten feindlichen Staaten eine unerhörte Vergewaltigung des Landes Tirol. Dieser Friedensvertrag greift über die Vereinbarungen des Waffenstillstandes vom 3. November 1918 hinaus und steht mit den feierlich verkündeten und von allen feindlichen Staaten als Friedensgrund- lage angenommenen 14 Punkten des Präsidenten Wilson in krassestem Widerspruch. Der Landtag stellt fest, daß kein tirolischer Abgeordneter der Nationalversammlung für die Annahme dieses Gewaltfriedens gestimmt hat.

Unter Mißachtung aller historischen Rechte, der offenkundigen nationalen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Beziehungen wurde am grünen Tisch ein deutsches Land, das auf eine mehr als tausendjährige deutsche Vergangenheit und deutsche Kultur zurückblicken kann, gegen den klar ausgesprochenen Willen der gesamten Bevölkerung auseinandergerissen. So wurden die heuchlerischen Redensarten vom Selbstbestimmungsrecht der Völker, vom Schutz der kleinen Nationen Lügen gestraft, und diese unerhörte Gewalttat wurde von den Bekämpfern des Militarismus noch mit strategischen Gründen zu rechtfertigen versucht.

Vor Gott und der Welt bekundet der Verfassunggebende Landtag von Tirol, daß er nicht rasten und ruhen wird, bis diese Schändung der Freiheit des Landes wiedergutgemacht wird und sich Norden und Süden des Landes in gemeinsamer Staatlichkeit zu friedlicher Kulturarbeit vereinigt haben werden.”

Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Dieser Tiroler Landtagsbeshluß sei ergänzt durch die Entschließung des Ausschtesses für Auswärtige Angelegenheiten des österreichischen Parlaments über den Pariser Vertrag vom 1. Oktober 1946, die nach den Antragstellern benannte einstimmig angenommene „Resolution — Pernter-Schärf “:

„Der Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten nimmt den Bericht des Bundesministers für Auswärtige Angelegenheiten, Dr. Karl Gruber, zur Kenntnis mit dem Ausdruck des Bedauerns, daß es nicht gelungen ist, die Freiheitsrechte des Südtiroler Volkes bei der Friedenskonferenz durchzusetzen …

…Die mit Italien vereinbarte Regelung, von der nicht feststeht, ob sie die Zustimmung des gesamten Südtiroler Volkes gefunden hat, bedarf noch mancher Interpretation, um als Zwischenlösung angesehen werden zu können. . Die Haltung Oesterreichs bedeutet in keiner Weise einen Verzicht auf die unveräußerlichen Rechte unseres Staates auf Süd tiro 1. Der Ausschuß gibt der bestimmten Hoffnung Ausdruck, daß eine geänderte Weltlage in Zukunft den Südtirolern die Möglichkeit der Selbstbestimmung über ihre staatliche Zugehörigkeit geben wird. Er ist der Meinung, daß dieses Prinzip der einzige Weg für eine dauernde Lösung der Südtiroler Frage ist, die von Oesterreich als gerecht und befriedigend angenommen werden könnte.”

Abschließend muß hier noch auf die unerschütterliche Treue der Südtiroler hingewiesen werden, die Oesterreich verpflichtet, seine Aufgabe, zumindest als Partner des Pariser Vertrages, zu erfüllen. Am 22. April 1946 wurden vor der Hofkirche in Innsbruck dem damaligen österreichischen Bundeskanzler Ing. Leopold Figl 123.777 Unterschriften übergeben, die von Südtirolern in S ü d t i r o 1 gesammelt wurden. Damals hatte Südtirol zirka 180.000 Deutsch und Ladinisch sprechende Einwohner, so daß geradezu alle erwachsenen einheimischen Südtiroler ihre Unterschrift gegeben hatten.

Zur damaligen Zeit herrschten in Oesterreich wirtschaftlich und staatsbürgerlich noch sehr schlechte Zustände, und die vierfache Besatzung war alles eher als ein Anreiz. Bürger dieses Landes werden zu wollen.

Obwohl auf Versammlungen der Südtiroler Volkspartei die Redner immer ausdrücklich auf die Umstände hinwiesen, kam dieses gewaltige Ergebnis zustande, das praktisch wie eine Volksabstimmung zu werten ist.

Muster des damals verwendeten Formulars:

Bezirk: Ort:

Es ist unser unerschütterlicher Wunsch und Wille, daß unser Heimatland Südtirol vom Brenner bis zur Salurner Klause mit Nordtirol und Oesterreich wieder vereinigt werde. Wir bestätigen dies mit unserer Unterschrift. It is our unshakable wish and wil] that our homeland South Tyrol from the Brenner up to Stalurn may be reunited again to North Tyrol and Austria. We confirm this through our signatures.

Vor- und Zuname Hofname oder Hausnummer

Ergebnis der Unterschriftensammlung in den Bezirken:

Bezirk Bozen 26.635

Bezirk Bozner Unterland …. 8.542

Bezirk Brixen 17.351

Bezirk Bruneck 24.699

Bezirk Meran 25.745

Bezirk Schianders 14.699

Bezirk Sterzing 6.106

123.777

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