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Von Vermögenden zu Bettlern

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In der alten österreichisch-ungarischen Monarchie wurden Bauern, Gewerbetreibende, Ingenieure und Techniker geradezu ermuntert, sich irgendwo in den weiten Gebieten, die zur Monarchie gehörten, niederzulassen oder Betriebe zu gründen. Viele dieser Pioniere zogen in jungen Jahren hinaus, brachten es durch Fleiß und Können nicht nur zu hohem Ansehen, sondern auch zu persönlichem Besitz. Nach der Zerschlagung der Monarchie normalisierten sich die Verhältnisse in den Nachfolgestaaten, und die Österreicher behielten — von wenigen Ausnahmen abgesehen — Besitz und Stellungen.

Dann kam das Jahr 1938. Aus den österreichischen wurden deutsche Staatsbürger, und mit Beginn des Krieges verschärften sich vielfach die Gegensätze zwischen den Auslandsösterreichern und ihren Nachbarn. Als dann der zweite Weltkrieg zu Ende war, nahmen die Russen in den Oststaaten die bedeutendsten Teile des Eigentums von Österreichern in Anspruch. Andere Vermögensteile wieder wurden konfisziert oder verstaatlicht. Vielfach behandelte man die Österreicher nicht anders als die In diesen Ländern lebenden Sudetendeutschen, Donauschwaben oder Siebenbürger. Oft mußten diese Österreicher innerhalb weniger Stunden ihr Haus räumen, konnten von ihrem Eigentum nichts mitnehmen und kamen als Bettler in das vom Krieg heimgesuchte und schwer angeschlagene Österreich.

Die im April 1945 wiedererrichtete Republik Österreich konnte nichts tun, um Leben und Eigentum der Österreicher im Ausland zu schützen. Durch die vierfache Besetzung waren ihr die Hände gebunden. Man wußte zwar, daß die Verluste der Österreicher in den Oststaaten sehr groß waren, aber es gab keinen Weg, um auch nur bescheidene Werte zu retten. Leider verfügt die Republik Österreich über keine genauen statistischen Unterlagen darüber, was ihre Staatsbürger als Folge des zweiten Weltkrieges im Ausland tatsächlich verloren haben, Die österreichischen Verluste in der CSSR werden allein auf acht bis zwölf Milliarden Schilling geschätzt. Mögen diese Zahlen vielleicht auch etwas au hoch gegriffen sein, so kann doch nicht übersehen werden, daß es tatsächlich in Böhmen, Mähren und Schlesien sehr viele Österreicher gab, die dort lebten, arbeiteten und Besitz hatten.

Der Staatsvertrag

So hofften die vielfach vor dem Nichts stehenden Österreicher von Jahr zu Jahr, daß sie eines Tages doch wenigstens einen bescheidenen Ersatz für das verlorene Familienhaus, den Gewerbebetrieb, die Fabrik oder das bäuerliche Anwesen erhalten werden. Zehn Jahre hindurch gab es überhaupt keine konkreten Ansätze für eine baldige Regelung. Dann kam es im Jahre 1955 zum Abschluß des Staats Vertrages, der auch über die Vermögensfrage in seinem Artikel 27 etwas aussagte. Dieser Artikel hat folgenden Wortlaut1:

„Die alliierten und assoziierten Mächte erklären ihre Absicht, österreichische Vermögenschaften, Rechte und Interessen, so wie sie sich derzeit in ihren Gebieten vorfinden, zurückzustellen oder, soweit solche Vermögenschaften, Rechte und Interessen einer Liguidierunp»-, Verwendung*- oder sonstigen Verwertungsmaßnahme unterzogen worden sind, den Erlös, der sich... ergeben hat, abzüglich der aufgelaufenen Gebühren, Verwaltungsausgaben, Gläubigerforderungen und anderen ähnlichen Lasten auszufolgen. Die alliierten und assoziierten Mächte sind bereit, zu diesem Be-hufe Vereinbarungen mit der österreichischen Regierung abzuschließen.“

Damit wurde ein klarer Rechtsanspruch der Österreicher auf ihr Eigentum ausgesprochen: Es muß entweder zurückgestellt werden oder — wo eine solche Rückgabe in natura nicht möglich ist — durch eine entsprechende Entschädigung abgelöst werden. Diese Bestimmung des Staatsvertrages löste bei den Betroffenen berechtigte Hoffnungen aus, die aber zehn Jahre später entweder überhaupt noch nicht oder nur zu einem mehr als bescheidenen Teil in Erfüllung gingen.

Der Sonderfall Jugoslawien

Eine gänzlich andere Behandlung erfuhr das österreichische Eigentum in Jugoslawien. Bekanntlich stellte dieser Staat nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nicht unerhebliche Territorialforderungen an Österreich. Um aber Jugoslawien von seinen Gebietsforderungen abzubringen, mußte sich Österreich mit einer totalen Konfiskation des österreichischen Eigentums, das sich bei Kriegsende jenseits der Karawanken vorfand, einverstanden erklären. Auch dieser Verzicht fand Irn Staatsvertrag seinen Niederschlag, wobei die Republik Österreich zu Entschädigungszahlungen verpflichtet wurde. Die diesbezügliche Bestimmung des Artikels 27 lautet:

„Unbeschadet der vorstehenden Bestimmungen“ — über das österreichische Eigentum in anderen Staaten. Der Verf. — „wird der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien das Recht eingeräumt, österreichische Vermögenschaften, Rechte und Interessen, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages auf jugoslawischem Gebiet vorfinden, zu beschlagnahmen, zurückzubehalten oder zu liquidieren. Die österreichische Regierung verpflichtet sich, österreichische Staatsangehörige, deren Vermögen auf Grund dieses Paragraphen herangezogen wird, zu entschädigen.“

Damit ist klar ausgesprochen, daß das österreichische Auslandsvermögen in zwei Teile zerfällt. Einmal in jenes, das zurückgegeben oder gegen eine Entschädigung abgelöst werden muß, und jenes, für das die Republik Österreich Ersatz zu leisten hat.

Wie sieht es nun um die Einhaltung dieser Bestimmung des Staatsvertrages aus? Mit den Staaten der westlichen Welt war es sehr bald möglich, die Freigabe des beschlagnahmten österreichischen Eigentums oder eine entsprechende Ablöse zu vereinbaren. Die Entschädigung für das in Jugoslawien gelegene österreichische Eigentum wurde durch das 11. Staatsvertrags-durchführungsgesetz1 festgelegt. Die Durchführung dieses Gesetzes, das angemessene Entschädigungssätze vorsieht, ist noch nicht abgeschlossen. Immerhin rechnet man damit, daß die Gesamtentschädigung einen Betrag zwischen 500 und 700 Millionen Schilling erforderlich machen wird.

Die anderen Staaten

Anders sieht es dagegen mit der Regelung der Vermögensfrage mit Bulgarien, Rumänien, Ungarn, der CSSR, Polen und der UdSSR aus. Der erste Vermögensvertrag konnte mit Bulgarien3 abgeschlossen werden. Er sieht die Zahlung einer Globalsumme von 350.000 US-Dollar durch Bulgarien vor. Es folgte dann der Vermögensvertrag mit Rumänien4. Dieser sieht vor, daß Rumänien 1,350.000 US-Dollar zahlt. Beiden Verträgen hat das Parlament zugestimmt, und die Betroffenen können mit der Zuerkennung einer bescheidenen Entschädigung rechnen, denn die Republik Österreich gibt zunächst nur jene Beträge an die Betroffenen weiter, die sie selbst von Bulgarien und Rumänien bekommen wird, österreichische Mittel sind in den Durchführungsgesetzen nicht vorgesehen.

Ein weiterer Vertrag wurde zwischen Österreich und Ungarn abgeschlossen. Er sieht die Zahlung einer Entschädigung von 87,500.000 Schilling durch Ungarn vor. Dieser Vertrag, der bisher dem Parlament nicht vorgelegt wurde, löste wegen der Bewertung des Bodens im Burgenland heftige Proteste aus. Er hat aber noch einen anderen schwerwiegenden Schönheitsfehler. Es heißt nämlich im Artikel 1, daß Ungarn „keine Entschädigung für land- und forstwirtschaftliches Vermögen eines' Eigentümers in einem 100 Katastral-joch übersteigenden Ausmaß leistet“.

Nun gibt es vielleicht zehn Österreicher, die In Ungarn Grundbesitz von mehr als 100 Katastraljoch hatten und die heute in bitterster Not in Österreich leben, da sie ja keinen Anspruch auf eine Rente oder Pension haben. Hätten diese Österreicher nur 99 Joch Grund ererbt oder erworben, würden sie wenigstens eine bescheidene Entschädigung erhalten. Weil ihr Eigentum aber 105 oder 110 Joch groß war, sollen sie leer ausgehen? Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch unsozial, und das Parlament wird zu dieser Angelegenheit sicher ein sehr ernstes Wort zu sagen haben.

Mit der UdSSR sind die Gespräche über die Vermögensfrage noch nicht recht vorangekommen, denn die Sowjets verlangen eine Kompensation der Kosten für die Rückführung österreichischer Kriegsgefangener mit denen der Vermögenswerte. Dabei will offensichtlich die Sowjetunion die mehr oder weniger lange und oft recht schwere Arbeit der österreichischen Kriegsgefangenen überhaupt nicht in Rechnung stellen.

Am heikelsten: Wien—Prag

Am schwierigsten gestalten sich die Verhandlungen mit der CSSR, wo der höchste Prozentsatz des

österreichischen Auslandsvermögens war. Bei diesen Auseinandersetzungen spielt die Frage des sudetendeutschen Vermögens eine nicht unerhebliche Rolle. Nicht daß etwa die Republik Österreich von der CSSR eine Entschädigung für jenes Eigentum fordert, das österreichischen Staatsbürgern gehörte, die bis zum Herbst 1938 tschechoslowakische Staatsbürger waren, sondern umgekehrt, die CSSR fordert, daß die Republik Österreich einen formellen Verzicht auf alle vermögensrechtlichen Ansprüche der ehemaligen Sudetendeutschen, die heute österreichische Staatsbürger sind, abgibt.

An dieser offenen Frage sind bisher alle Versuche, eine Regelung der Vermögensfrage zwischen Wien und Prag zu erreichen, gescheitert. Dabei muß ganz offen ausgesprochen werden, daß das Verlangen der CSSR vollkommen unberechtigt und von Österreich nicht zu erfüllen ist. Als nämlich ein Teil der vertriebenen Sudentendeutschen nach Österreich kam, waren diese nicht mehr Im Besitz ihres Eigentums, da dieses ja durch die Dekrete des Staatspräsidenten Beneä vom 21. Juni, 2. August und 25. Oktober 1945 konfisziert worden war. Nun kann man von einem Staat nicht verlangen, daß er formell auf etwas verzichtet, das zu einem Zeitpunkt verlorenging, an dem die Enteigneten nicht seine Staatsbürger waren, es sei denn, der verzichtende Staat übernimmt die Entschädigungsverpflichtung. Dazu ist aber die Republik Österreich weder bereit noch auch in der Lage, geht doch der Wert des konfiszierten sudetendeutschen Eigentums In die Milliarden.

Die Klärung: der 13. März 1938

Gibt es also einen Ausweg? Bei gutem Willen selbstverständlich, denn der künftige österreichischtschechoslowakische Vermögensvertrag sollte für jenes österreichische Eigentum eine Klärung bringen, das am 13. März 1938 tatsächlich österreichischer Besitz war. Damit würden sich die beiden vertragsschließenden Parteien keiner Unterlassung schuldig machen. Österreich fordert keinen Ersatz für das Vermögen seiner Neubürger, es verzichtet aber auch nicht darauf. Für eine solche Regelung würden die früheren tschechoslowakischen

Staatsbürger, die Sudetendeutschen, vollstes Verständnis haben. Was aber zu heftigen innerpolitischen Auseinandersetzungen führen müßte, wäre ein offizieller österreichischer Verzicht auf jene Werte, die Menschen zu einer Zeit verloren haben, als sie noch nicht österreichische Staatsbürger waren.

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