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Vor dem scharferen Wettbewerb

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Motorisierung und Reiseverkehr, die zueinander in enger Beziehung stehen, befinden sich vorläufig weiterhin in expansiver Entwicklung, und die Auswirkungen davon finden in den Berichten der Fremdenverkehrsgemeinden mit der steigenden Frequenz von Gästen und Nächtigungen ihren Niederschlag. Das Konjunkturbild in der Fremdenverkehrswirtschaft könnte demnach zur Zufriedenheit Anlaß geben. Es wäre nicht richtig, den Erfolg zu leugnen, der sich aus den Bemühungen der vergangenen Jahre einstellte.

Dennoch muß bei einer Beurteilung der Gesamtlage unserer Betriebe im Hotel- und Gastgewerbe betont werden, daß es eine Reihe von unerfreulichen Faktoren gibt, mit denen sich das Fremdenverkehrsgewerbe befassen muß. Und diese Probleme sind von einer Größenordnung, die für die Zukunft der Hotels und Gaststätten als Repräsentanten der Dienstleistungswirtschaft persönlicher Prägung zu Bedenken Anlaß geben. So manchem Problem könnte dabei die Schärfe genommen werden, wenn die oftmals geforderte Fremdenverkehrsgesinnung schon mehr Eingang im allgemeinen öffentlichen Leben gefunden hätte.

Wer liest nicht mit Hochachtung die Zahlen über die Einnahmen aus dem Reiseverkehr? Die Funktion des Fremdenverkehrs als Ausgleich im Defizit der Handelsbilanz ist schon ziemlich jedem Staatsbürger bekannt. Doch in der Praxis viersagt man bei vielen Gelegenheiten die Anerkennung für Wert und Bedeutung der Fremdenverkehrswirtschaft. So ist der dringende Ruf der Interessenvertretung nach endlicher Verabschiedung des ERP-Gesetzes zur Überwindung der Sperre der ERP-Mittel viel zu lange ungehört geblieben. Damit wurden wertvolle Investitionsmöglichkeiten blockiert und dadurch schwerer Schaden angerichtet.

Der Streik der Zollbeamten hat ein weiteres Beispiel mangelnder Fremdenverkehrsgesinnung geliefert. Was bei dieser Aktion für ein Schaden angerichtet wurde, läßt sich gar nicht so leicht übersehen. Wenn auch kaum eine boshafte Absicht gegenüber den Besuchern unseres Landes bestanden hat, so brachte doch die Unüberlegtheit dieser Aktion unseren gastlichen Ruf in bösen Mißkredit. Damit wurde ein Beispiel dafür geliefert, wie schnell die Fremdenverkerrfs-wirtschaft geschädigt werden kann, wenn Differenzen auf der wirtschaftspolitischen Ebene im Bereich der Fremdenverkehrsbelange ausgetragen werden.

Der allgemeine Durchbruch einer richtigen umfassenden Fremdenverkehrsgesinnung ist also noch nicht vorhanden, und dies erschwert natürlich die Position der Fremdenverkehrsbetriebe erheblich. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil sich in der internationalen Entwicklung des Reiseverkehrs eine wesentliche Wettbewerbsverschärfung abzeichnet, die u. a. von neuen Reiseländern verursacht wird und den Erfolg der klassischen Reiseländer beeinträchtigen kann. Um nicht zurückgedrängt zu werden, stellt sich unseren Fremdenverkehrsbetrieben die Aufgabe, die Leistungsfähigkeit noch mehr zu steigern, die gastliche Atmosphäre noch attraktiver zu gestalten.

Dies zu erkennen, ist eine Pflicht, gerade in der Zeit der Konjunktur. Es wäre nicht richtig, wenn die Unternehmer in der Fremdenverkehrswirtschaft sorglos auf den Wellen der Konjunktur ritten, ohne dafür zu sorgen, auch für die Zukunft reale Grundlagen für die Erhaltung der Fremdenverkehrserfolge zu schaffen und zu sichern. Dies ist allerdings ein wirtschaftspolitisches Programm, dessen Durchführung man nicht allein den Trägern des Fremdenverkehrs überantworten kann. Die bereits erwähnte Fremdenverkehrsgesinnung muß zu einer Ausweitung in der gesamten Wirtschaftspolitik des Staates entsprechend der Bedeutung dieses Berufsstandes zur Hebung des Wohlstandes fuhren. Praktisch bedeutet dies eine großzügigere Kreditpolitik gegenüber den Fremdenverkehrsunternehmen, eine tolerante Steuerpoli-t i k, eine Vergrößerung der Werbemittel und eine Abstimmung aller wirtschaftlichen Belange mit jenender Fremdenverkehrswirtschaft.

Solche Forderungen werden seit Jahren erhoben und sie entspringen keinesfalls einem kurzsichtigen Gruppeninteresse ohne Bedachtnahme auf die Erfordernisse in anderen Wirtschaftszweigen. Die Deviseneinnahmen aus dem Fremdenverkehr kommen ja schließlich der gesamten Volkswirtschaft zugute.

Unsere Fremdenverkehrswittschaft denkt nicht daran, pessimistische Stimmung zu verbreiten, muß aber doch auf die internationalen Strömungen im Reiseverkehr verweisen, die bisher weniger die Frequenz unseres Reiseverkehrs, wohl aber die Qualität beeinflußt haben. Das Angebot im Reisesektor wird immer größer. So sind heute Jugoslawien, Marokko, Libanon, Palästina, Spanien, eine Reihe von afrikanischen Staaten und jetzt auch die nordischen Länder immer stärker als interessante Reiseländer in Erscheinung getreten, und die ausgezeichneten Verkehrsverbindungen mit Flugzeugen machen auch die weit entfernten Länder zu bequem erreichbaren Fremdenverkehrsgebieten. Das klassische Reisegebiet der Alpen einschließlich der traditionellen Reiseländer Italien und Griechenland hat also eine Reihe von neuen Konkurrenten erhalten, die vor allem vom kapitalkräftigen und ausgabenfreudigen Reisepublikum besucht werden.

Es braucht nicht geleugnet zu werden, daß damit in der eigenen Fremdenverkehrswirtschaft eine große Qualitätsverminderung im Reisepublikum eingetreten ist. Das ist keine abwertende Qualifizierung gegenüber den Gästen, die Tirol besuchen, sondern es ist die kommerziell bedenkliche Feststellung, daß trotz erhöhter Leistungen und Aufwendungen die durchschnittliche Rentabilität im Reiseverkehr sinkende Tendenz zeigt. Im Gegensatz dazu steht aber die steigende Kostenerhöhung. Die Bilanz in der Fremdenverkehrswirtschaft zeigt demnach trotz der Millionenzahlen der Nächtigungen eine unerfreuliche Grundlage. Hier durch eine Qualitätsteigerung der eigenen Leistungen wieder einen Umschwung zu erzielen, ist das Zukunftsprogramm der Tiroler Fremdenverkehrswirtschaft.

Nach dem Grundsatz, in der eigenen Organisation beispielgebend voranzugehen, bemühen sich die Unternehmer besonders in Zusammenarbeit mit den Verkehrsvereinen und den aufgeschlossenen Gemeindeverwaltungen, die Q u a-1 i t ä 15 e r h ö h u n g auf die Orte und darüber hinaus auszudehnen. So ist in den letzten Jahren mit dem Bau von Schwimmbädern, Kuranlagen, Golfplätzen, neuen Skiabfahrten, Spazierwegen, Musikpavillons usw. viel getan worden, um Fremdenverkehrsorte in ihrer Gesamtheit als Anziehungspunkte zu gestalten. Denn dessen ist man sich gerade in der Tiroler Fremdenverkehrswirtschaft bewußt: die Natur allein ist nicht mehr der automatische „Zubringer“ der Gäste, es muß auch sonst etwas für behagliche Atmosphäre, für Unterhaltung und Bequemlichkeit getan werden. So hat unter anderem die Schaffung von Parkplätzen große Bedeutung erlangt, auch die Bekämpfung der Lärmquellen ist wichtig.

Auf der Gemeindeebene ist also im allgemeinen die Fremdenverkehrsgesinnung bereits Allgemeingut geworden, nicht zuletzt aus dem Umstand heraus, daß die Zusammenarbeit zwischen Fremdenverkehr und Landwirtschaft in Tirol eine traditionelle Erscheinung ist. Die Verbesserung des Ortsbildes in der Absicht, ein vielseitig anziehungsmäßiger Fremdenverkehrsort zu werden, führt zur erhöhten Besuchszahl von Dauergästen. Damit hat die Fremdenverkehrswirtschaft praktisch das wichtigste Ziel in der Fremdenverkehrspolitik bereits erfolgreich angeschnitten. Die Umbildung vom eiligen durchreisenden Gast zum Urlauber, der mit seiner Familie einen ruhigen Erholungsaufenthalt nehmen will, ist die Rückgewinnung der Rentabilitätsgrundlage, welche die Unternehmen brauchen, um wieder wettbewerbsfähige Betriebssubstanzen zu erhalten. Dies geht besonders in der Steigerung der Wintersaison als zweite Betriebsperiode vor sich, denn dort überwiegt der Dauergast mit seinen relativ höheren Ausgaben.

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