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vor dem weinen Rauch...

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Rom hat viele Gesichter. Eines davon, ein besonderes, trägt es in den Tagen um das Konklave. Es ist von Unruhe und Fieber gerötet und überall abzulesen: von der Straße, den Gazetten, den Menschen, dem Petersplatz und der weitesten Vatikanumgebung. Auch von den erregten Flüsternachrichten. So mußten diesmal der Neffe Pius' XII., der Vatikansender und der „Osser-vatore“ kategorisch ein Gerücht dementieren, nach dem das Jagebjchjdes verstorbenen Papstes gestohlen worden sei. Die Aufklärung war ver-häftflJäSHf elrÄFes konnte keines ge-stöhlen werden, weil es keines gab.

Alle Wege führen nach Rom. Einer der beschwerlichsten war der des Erzbischofs von Peking, Kardinal Thomas Tien SVD. — des ersten chinesischen Konklaveteilnehmers. Er hatte am 13. August in Westdeutschland, wo er im Exil lebt, einen Autounfall erlitten und lag seither mit Brüchen und Verletzungen im Krankenhaus von Siegburg. In einer Sondermaschine, mit zwei Aerzten und einer Pflegerin, wurde er nach Rom geflogen und unter großen Schmerzen auf einer Bahre in die Krankenabteilung des Konklaves gebracht.

Damit schien die Versammlung der 52 Kardinäle komplett, als ein tragischer Vorfall 70 Minuten vor dem Beginn des 80. Konklaves in der Geschichte der römischen Kirche am Samstag nachmittag ernste Schatten warf. Edward Kardinal Mooney, Erzbischof von Detroit, erlag im 76. Lebensjahr einer völlig unerwarteten Herzattacke. Damit war die Anzahl der nichtitalienischen Kardinäle auf 34 und damit unter die zur Erwählung notwendige Stimmenanzähl (zwei Drittel plus 1), die der gesamten Wähler (die Kardinäle Stepinac und Mindszenty abwesend, Kardinal Constantini nach dem Tode Papst Pius' XII. gestorben) auf 51 zusammengeschrumpft.'

Am Morgen des Samstags hatte das Heilige-Geist-Amt im Petersdom die Kardinäle zum letzten Male vor den Augen der Oeffentlichkeit versammelt. Nachmittags schloß der Konklavemarschall, Fürst Chigi, persönlich das Haupttor. nachdem die Handwerker alle Zugänge vermauert hatten, und pflanzte, während der Gouverneur von neuem die Türe versiegelte, seine Standarte davor auf. 240 Menschen waren „gefangen“. Schweigen senkte sich über die Sixtina und die Nebenräume.

Der Sonntag schien mit einer Riesenüberraschung anzuheben: der Wahl des Papstes schon in den ersten Wahlgängen. Aber es war falscher Alarm. Schuld daran war — die Chemie. Man hatte der guten, alten Tradition (schwarzer Rauch durch Verbrennung von nassem Stroh, weißer durch die bloße Verbrennung des Wahlzettelpapiers) mißtraut und diesmal durch Beimischung von Chemikalien die Rauchfahne eindeutiger zu kennzeichnen versucht. Aber der „Modernismus“ spielte, wie schon Tage zuvor bei der „neuartigen“ Form der Einbalsamierung des verstorbenen Heiligen Vaters, auch diesmal einen bösen Streich, dem auch der befugte Sprecher des Vatikansenders hereinfiel. Der Rauch schien anfangs weiß, war aber dann doch schwarz, zumindest grau. Hunderttausende auf dem Petersplatz jubelten erst und zogen dann enttäuscht ab: die ersten vier Wahlgänge des Sonntags waren doch ergebnislos geblieben.

Und das Rätselraten um die Dauer des Kon klaves ging auch am Montag weiter. Die Geschichte lieferte dazu ergiebiges Material 14 Tage hatte das Konklave 1447 gedauert, das Papst Nikolaus V. wählte. Calixtus III. (1455): 12 Tage. Pius II. (1458): 14. Paul II. (1464): 14 Alexander VI. (1492): 8. Pius III. (1503): 33 Leo X. (1513): 47. Hadrian VI. (1522): 12 Gregor XV. (1621): 1. Urban VIII. (1623): 17 Klemens IV. (1769): ganze 106 Tage! Pius VI (1775): 104. Leo XII. (1823): 35. Pius VIII (1829): 36. Gregor XVI. (1831): 62. Pius IX (1846): 9. Leo XIII. (1878): 3. Pius X. (1903) 5. Benedikt XV. (1914): 3. Pius XL (1922): 4. Pius XII. (1939): 1 Tag.

Die Kombinationen erstreckten sich aber nicht nur auf die mögliche Dauer des Konklaves und die Papstwahl im engeren Sinn, sondern auch auf ihre weiteren Auswirkungen, so unter anderem die Frage der Neubesetzung der Aemter. Man wies darauf hin, daß es zur Zeit im Vatikan allzu viele „Pro“ gibt, Würdenträger, die einen Posten versehen, der eigentlich einem Ranghöheren vorbehalten wäre. In diesem Zusammenhang wird vor allem die Frage aufgeworfen, ob Prostaatssekretär Msgr. Tardini weiterhin im Amt bleibt. Es ist jedenfalls anzunehmen, daß der neue Papst eine Reihe von Ernennungen vornehmen und unter anderem auch einen Staatssekretär bestimmen wird. Als möglicher Kandidat für diesen Posten wird auch Erzbischof Montini genannt.

Später dann wurde, nachdem am Mittag wieder schwarzer Rauch aufgestiegen war, eine neue Unheilsnachricht bekannt. Der Gesundheitszustand Kardinal Nikolaus Canalis, 84 Jahre alt, Italiener, der in letzter Zeit schon an einem Herzleiden laboriert hatte, hatte sich so verschlechtert, daß für ihn (und für drei weitere Erkrankte) Medikamente angefordert wurden. Aus der Tatsache, daß daneben auch Lebensmittelnachschub verlangt wurde, glaubte man auf eine längere Dauer des Konklaves schließen zu müssen.

... Aber es kam anders. Am Abend des Dienstags stieg der lang erwartete weiße Rauch über den Dächern des Vatikans auf: nach dem zwölften Wahlgang war der neue Pontifex maximus gewählt und zeigte sich bald darauf auf der Loggia, der versammelten Riesenmenge zum ersten Male den Segen urbi et orbi spendend. Wir haben wieder einen Papst.

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