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Vor zwölf Jahren…

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El-Fatach entstand schon 1956. Ihre Gründer waren palästinische Mitglieder der El-Ichwan el-Muslimin („Die Moslem-Bruderschaft“). Dieser Geheimbund, 1928 in Ismailia von dem ägyptischen Lehrer Scheich Hassan el-Banna gegründet, erstrebte politische Wiedergeburt, staatliche Einheit aller Araber und religiöse Erneuerung des Islams. In Ägypten unterstützte er, vor und nach dem Staatsstreich vom 23. Juli 1952, zunächst die kleinbürgerliche Reformbewegung Gamal Abdel Nas- sers. 1954 kam es zum Bruch, nachdem die Bruderschaft angeblich einen Attentatsversuch auf den damaligen MinisterPräsidenten unter-., nommen hatte. Der Geheimbund, wurde verboten, und seine Mitglieder kamen, soweit man ihrer habhaft wurde, in Haft. Es folgten die obligatorischen Schauprozesse, und man vollstreckte einige Todesurteile.

Moslem-Brüder anderer Nationalität, die bis dahin in Ägypten Asyl gefunden hatten, flohen nach Syrien, Jordanien und dem Irak. Unter ihnen waren auch einige junge Palästiner. Sie sind, glaubt man dem israelischen Scheruth Bitachon („Sicherheitsdienst“), heute die Anführer dieir Fatach. Einer davon war "William Nadschib Nasser und der andere heißt Jassir Arafat. William Nadschiib Nasser geriet am 3. März 1968 bei Abu Gosch in israelische Gefangenschaft. Jassir Arafat ter nennt sich auch Abu Ammar) ist jetzt anscheinend tonangebend in der Fatach. Von ihm ist bekannt, daß er den Palästinischen Studenten-Bund in Ägypten leitete (1951), im Ghaza-Streifen eine Terroristengruppe gründete (1954) und als Student an der Technischen Hochschule in Stuttgart die erste Keimzelle seiner heutigen Organisation um sich sammelte (195859). Er ist gebürtiger Jerusalemer, von Beruf Elektroingenieur und erst 39 Jahre alt. Trotzdem nennen ihn seine begeisterten Anhänger Abu („Vater“). Er ist ein unauffälliger, schmaler Typ mit vollem Gesicht, wird sehr verehrt und gilt als geborene Führernatur. In mancher Beziehung ist er eine palästinische Entsprechung Gamal Abdel Nassers. Heute lebt er asketisch in Zeltlagern an der Jordangrenze; noch vor wenigen Jahren verdiente er in Kuweit als Bauunternehmer Millionen, und er besitzt eigene Häuser in Beirut und Kairo. Von ihm stammt auch die Parole „Lange lebe das freie Palästina“. Mitgründer der Fatach in Stuttgart waren Chani el-Hassan und Chalil el-Wesir, der sich später Abu Dschichad („Vater des Krieges“) nannte; in Beirut unter anderem Kamal ‘Ismail Scherif, Verfasser des Buches „Die Moslem-Bruderschaft im Palästina-Krieg“, der 1948 bei Hebron Kampferfahrungen sammelte, Taufik Churi, der die Zeitschrift Falastinona („Unser Palästina“) herausgab, Kamal Nammar, ein Zivilingenieur, der als Chef-Ideologe gilt, und Scheich Takei ed- Din Nabachani, der aus dem heute israelischen Acre stammt und die Hizto et-Tachrir („Befreiungs-Partei“) gegründet hatte.

Zwei Nahziele

Erstens möchte El-Fatach den Widerstand gegen die Besatzungsmacht wachhalten sowie die Kollaborationsbereitschaft bekämpfen; zweitens ist sie gegen vorzeitige Verhandlungen (wenn nicht überhaupt dagegen), weil sie fürchten muß, dadurch könnten die besetzten Gebiete zum staatsrechtlichen Vorkriegsstatus zurückzukehren gezwungen werden. Für sie steht nämlich weder deren etwaige Annektion durch Israel noch deren Rückkehr zu Transjordanien oder Ägypten (für den Ghaza-Streifen) zur Diskussion. Sie wünscht, und das ist ihr Fernziel, eine „palästinische Lösung“.

Noch sollen 29 Prozent der militärischen Aktivisten Söldner sein, die, je nach Erfolg, für einen Einsatz zwischen zehn und hundert jordanische Dinar bekommen. Sie übertreiben offensichtlich maßlos ihre Taten und zeigen nicht sehr viel Mut. Außerdem fehlt es ihnen noch an systematischeir Ausbildung. Letztere erfolgt vor allem in Syrien und in Algerien. Man spricht aber auch von Übungsplätzen in China. In den wenigen Trainingszentren, die ausländischen Journalisten zugänglich gemacht wurden, war der Drill von großer Härte. Doch lassen die Auswirkungen bisher noch auf sich warten.

Die Waffen kommen ebenfalls aus Chirla, darunter Maschinenpistolen, leichte Maschinen-, Kalatschinow- und Bazooka-Gewehre. Außerdem einfache Minen, von denen die kleinste acht Gramm schwer ist und einem Mantelknopf ähnelt und die größte sieben Kilogramm wiegt und sogar Panzer ausschalten kann. Hinzu kommen tschechische und englische Minen größeren Kalibers und Sprengstoffe aus Ägypten, Jugoslawien, Ungarn und der DDR. Eine andere ihrer Waffen ist die Carl- Gustav-Maschinenpistole, die mit schwedischer Lizenz in Ägypten nachgebaut wird. Die Organisation ist anscheinend keineswegs abhängig von Waffenlieferungen durch die arabischen Staaten oder den Osten. Neben Beutewaffen verfügt sie über selbst eingekaufte westliche Waffen und Fahrzeuge wie deutsche „VW-Transporter“ und britische „Landrover“.

Wenig bekannt ist über die Geldquellen der Fatach. Ihr Beiruter Büro verfügt jedenfalls über große Mittel. Sie kommen wahrscheinlich vor allem aus Kuweit, Saudi- Arabien und Libyen. Kuweit erhebt für sie eine zweiprozentige Sondersteuer auf Treibstoff und Kinokarten. In Katar spendete ein wohlhabender Privatmann 175.000 Dol- lar. Aber man verläßt sich nicht allein darauf. Es gibt, wohl unter mehr oder weniger sanftem Druck, auch Geldsammlungen bei den Palä- stinera Im besetzten Gebiet und bei ihren wohlhabenden Landsleuten im arabischen und nichtarabischen Ausland. Aus diesen Mitteln erhalten bedürftige Hinterbliebene getöteter Fedajin sogar Rentenzahlungen.

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