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Vorarlberg rüstet zur Wahl

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Früher als in den anderen Bundesländern wurden in Vorarlberg die Kandidaten für die Wahl zum Nationalrat genannt. Die Aufstellung der Wahlwerber, jener Schritt, auf den das Gros der Wähler keinen Einfluß hat, war problemlos und ging bei allen Parteien ohne innere Auseinandersetzungen vor sich, wie dies dem ruhigen politischen Klima Vorarlbergs entspricht.

Von den fünf Vorarlberger Mandaten sind drei der ÖVP sicher, ein vierter Sitz steht außerhalb des Bereiches realer Hoffnung. An der Spitze der Wahlwerber steht wieder Dipl.-Ing. Pius Fink aus Andelsbuch, der Neffe des Vizekanzlers und Mitbegründers der österreichischen Republik, Jodok Fink. Fink gehört der Bundesgesetzgebung seit 1945 an. Der abgeklärte Mann erfreut sich bei allen Parteien des größten Ansehens; scheidet er einmal wegen vorgerückten Alters aus, wird es schwer sein, ihn zu ersetzen. Obwohl die Bauernschaft in Vorarlberg nur noch einen kleinen Teil der Wähler stellt, steht der Bauernbündler an erster Stelle. Daß bei der entscheidenden Parteisitzung die Bauern aus dem Bregrenzerwald wegen der Maulund Klauenseuche nicht erschienen waren, war eher mit ein Grund, Fink auf jeden Fall an den führenden Platz zu stellen.

Mehr als die Hälfte der Vorarlberger ÖVP-Wähler sind Arbeiter oder Angestellte. Sie werden, seit Staatssekretär a. D. Franz Grubhofer dem Nationalrat nicht mehr angehört, durch den Dornbimer Gemeindebeamten Herbert Stohs vertreten. Stohs hat sich insbesondere als gewerkschaftlicher Vertreter der öffentlichen Beamten bewährt. Listendritter ist der Textilgroßindustrielle Dipl.-Ing. Rudolf Hämmerle, gleichfalls aus Dornbirn. Gerade zur Zeit der wirtschaftlichen Integrationsverhandlungen sind Hämmerles Fachkenntnisse besonders wichtig. Mit den drei sicheren Kandidaten bleibt die Vorarlberger ÖVP bei ihren bewährten Männern.

DFP: wenig Chancen

Auch die Vorarlberger SPÖ hält an ihrem Vertreter, dem Feldkircher Gewerkschaftssekretär Roman

Heinz. Der Postbeamte Franz Kat- zengruber scheidet aus. Listenzwei- ter ist der Bregenzer Berufsberater Norber Neururer. Der zweite Vorarlberger SPÖ-Platz konnte bisher auf der Reststimmenliste gewonnen werden. Ob dies jetzt gelingt, ist fraglich, zumal die Vorarlberger SPÖ weder den Fußach-Schreck noch die Affäre Paul Peter überwunden hat. Der Landesparteisekretär und Landtagsabgeordnete Paul Peter hielt zu Olah und wurde aus der SPÖ avisgeschlossen. Da Paul Peter seinen Sitz im Landtag beibehielt, fiel die SPÖ im Landtag unter die Hälfte der ÖVP-Mandate, wodurch der Anspruch auf den Ersten Vizepräsidenten „wacklig“ wurde. Paul Peter kandidiert nun für die DFP zum Nationalrat. Seine Aussichten sind sehr gering, während anderseits auch der kommunistische Zug für die SPÖ so schwach ist, daß er überhaupt nicht ins Gewicht fällt.

Die Frage bei der bevorstehenden Wahl ist in Vorarlberg lediglich die, ob die FPÖ zu einem Grundmandat gelangt. 1949 errang der VdU im Ländle ein Grundmandat, obwohl nur vier Abgeordnetensitze, nicht wie jetzt fünf, zu vergeben waren. Die FPÖ kandidiert ihren fleißigsten Landtagsabgeordneten, der schon als Sekretär des Kriegsopferverbandes über eine starke Popularität verfügt: Werner Melter. Wie stehen nun die realen Aussichten? Bei der Nationalratswahl vom 18. November 1962 fehlten der FPÖ 2364 Stimmen auf die Wahlzahl. Hätte die Landtagswahl vom 18. Oktober 1964 für den Nationalrat gegolten, wäre das Manko nur 1130 gewesen. Gliedert man die Gemeindewahl vom 4. April 1961 vorsichtig auf, kommt man bei den Freiheitlichen gar nur auf einen Fehlbetrag von 800 bis 850.

Umkehr zum „Bundesland“

Es ist also in völliger Umkehrung zum „Bundestrend“ in Vorarlberg die FPÖ im Steigen. Vorarlberg und Tirol vergeben je 36 Landtagssitze. In beiden Ländern verfügt die SPÖ über 10 Mandate; die Übereinstimmung geht so weit, daß beide Male ausgesprochenes Pech im Spiel der Zahlen die SPÖ den elften Platz gekostet halt. Von den restlichen 26 Sitzen verfügt in Vorarlberg die ÖVP über 20, die FPÖ über sechs Mandate; in Tirol lautet das Verhältnis 25 zu 1. Man wendet ein, daß Gemeinden wie Lustenau von jeher stark nationalliberal und später nationalsozialistisch durchsetzt waren und daher heute Möglichkeiten für die FPÖ bieten. Die fernere nationalliberale und jüngere nazistische Vergangenheit gilt ebenso in vielen anderen Gebieten Österreichs, in denen Parteien wie VdU oder FPÖ keine Chancen mehr haben. Es sieht fast aus, als ob die FPÖ ausgerech net ln Vorarlberg die Aussicht eines politischen Überwinterns hätte.

Da Vorarlberg über eine bekannt vorzügliche Landesverwaltung und zugleich über ein ausgezeichnetes ÖVP-Team im Landtag verfügt, bleibt nur die Deutung offen, daß die Infrastruktur der ÖVP bestimmte Schichten, die der SPÖ femstehen und doch „bürgerlich“ wählen wollen, nicht erfaßt.

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