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Wachablöse in der Herrengasse

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Dr. Prader und VP-Ganeralsekre-tär Dr. Withalm, der ja auch aus Niederösterreich stammt, sind Beweis dafür, daß nun hierzulande Sterne auch außerhalb des Bauernbundes aufzugehen pflegen. (Auch Julius Raab war kein Bauernbünd-ler, sondern Wirtschaftsbündler, obwohl er von den Bauern sozusagen als einer der ihren bezeichnet wurde.)

Neben den nun auf Bundesebene leuchtenden Sternen gibt es in Niederösterreich heute nicht nur „Dutzendpolitiker“, wie manche nicht in der „Provinz“ Wohnende zuweilen fälschlich behaupten. Aber wie viele Namen haben Klang auch außerhalb der Grenzen? Daher war man sich in den vergangenen Wochen, als man daran war, den neuen Landeshauptmann zu suchen, bald klar, daß der-eit eigentlich nur ein Eduard Hartmann imstande sein ^könnte, kraft seiner Ausstrahlung und Persönlichkeit die“,.G-ö,tt^rdämm^nuflg,,4nAirie-derösterreich zu verhindern. Und noch mehr: eventuelle Diadochen-kämpfe um das Erbe von Leopold Figl im Keim zu ersticken. Nicht von ungefähr hat Bundeskanzler Dr. Klaus jenen Eduard Hartmann ersucht, die Nachfolge Figls anzutreten, mit dem er noch vor nicht allzu langer Zeit einige 'innerparteiliche Meinungsverschiedenheiten hatte. Aber auch hier ist ein endgültiger Schlußstrich gezogen. Doktor Drimmel und Dipl.-Ing. Hartmann, die beide dem Kabinett Klaus I nicht angehören wollten, nehmen nun Positionen ein, die in ihrer politischen Bedeutung einem Portefeuille äquivalent sind.

So ganz glatt ging auch nach der Zustimmung Dipl.-Ing. Hartmanns die Wachablöse in Niederösterreich nicht vonstatten. Auch heute, da das Interregnum im niederösterreichischen Landhaus vorüber ist, hat man noch keine definitive Lösung für die Nachfolge Figls in der obersten Parteihierarchie gefunden. Das Erbe von Leopold Figl wurde nämlich nicht nach dem „bäuerlichen Ahnerbengesetz“ ungeteilt übergeben, es wurde vielmehr nach langem Tauziehen eine Zweiteilung vorgenommen. Demnach übernimmt Dipl.-Ing. Hartmann das Amt des Landeshauptmannes, NEW AG-Generaldirektor und ÖAAB-Ohef Vifctor Müllner dagegen erhält die Funktion eines Geschäftsführers der Landesparteileitung der ÖVP Niederösterreich. Erst Im Herbst wird vom Parteitag der Volkspartei der Obmann gewählt. Im Bereich der Partei hält die kaiserlose Zeit also offiziell noch an, wenn es auch unschwer zu erraten ist, wie der neue Herzag nach dem Parteitag heißen wird.

Ein Führungsanspruch des ÖAAB

Der innerparteiliche Führungs-enspruch des ÖAAB in Niederösterreich wird mit den Ergebnissen der jüngsten Urnengänge im Land unter der Enns begründet. Wer von dem Vormarsch des Arbeitnehmerbundes nach den Arbeiterkammerwahlen noch nicht überzeugt war, konnte nach den Landtags- und besonders nach den Gemeinderatswahlen nicht mehr daran zweifeln. Die Anzahl der Wähler, die zum ÖAAB tendieren, Ist um vieles größer als sein Mit-

gliedszahlen. Vor allem In den Städten sind dem ÖAAB bedeutende Einbrüche in bisher traditionell sozialistische Schichten gelungen. Dafür verlangt nun der zweitstärkste Bund der Volkspartei In Niederösterreich (79.000 Mitglieder, im Vergleich dazu hat der Bauembund 175.000) ein Honorar. Daß der Landeshauptmann wieder vom Bauembund gestellt würde, war ungeschriebenes Gesetz. Der Hebel wurde daher — und wie man sieht, schon mit einem gewissen Erfolg — beim Landesparteiobmann angesetzt.

Eine neue Achse...

Es fehlte natürlich nicht an Bedenken, ab ein Dualismus auf höchster politischer Ebene nützlich sein könnte. Schließlich hat man das leider auf Bundesebene mißglückte Experiment (Gonbach Kanzler, Klaus Bundesparteiobmann) noch in frischer Erinnerung. Falls sich Landeshauptmann und Geschäftsführer (später Landesparteiobmann) persönlich gut verstehen, könnte sich die Ämterteilung ohne Zweifel zum besten der Volkspartei im Land unter der Erms auswirken. Man hofft, daß es zu einer Achse Hartmann-Müilner kommen wird, welche sicherlich die Position der gesamten ÖVP stärken könnte.

Das eine ist sicher: man will bis zum Herbst noch Zeit gewinnen, um die Zweiteilung der beiden wichtig-

sten Funktionen der ÖVP in Niederösterreich erproben zu können. Daher hatte man es auch nicht eilig,

einen außerordentlichen Parteitag einzuberufen. Mißlingt nun das Experiment, so werden — wie schon versichert wurde — die Bauern mit aller Vehemenz dafür eintreten, daß Hartmann auch zum Landesparteiobmann gewählt wird.

Eduard Hartmann wie auch Viktor Müliner sind starke politische Persönlichkeiten. Jeder der beiden verfügt über eine gewichtige „Hausmacht“. Dipl.-Ing. Itärtmanri''bleibt bekanntlich weiterhin Direktor des Niederösterreichischen Bauernbundes; außerdem besitzt er als Generalanwalt des Genossenschaftsverbandes und als Obmann der Niederösterreichischen Genossenschaftszentralkasse einen großen wirtschaftlichen Einfluß.

Viktor Müllner ist Generaldirektor der NEWAG und NIOGAS sowie Chef des ÖAAB. Auch Müllner vereinigt erhebliche politische und wirt-

schaftliche Macht in seiner Hand und ist zudem ein erfahrener Landespolitiker, war lange Jahre Landes-

finanzreferent und schließlich, kurz nach dem Tode von Ing. Kargl, auch Landeshauptmannstellvertreter.

Nach seinem offiziellen Abgang aus dem Landhaus ist es Viktor Müllner noch gelungen, dem ÖAAB einige Schlüsselstellungen in der Beamtenhierarchie zu sichern. Gegenüber den Sozialisten hat Müllner stets eine harte Politik verfochten. Man denke an die Auseinandersetzungen des ÖÄAB mit “dem ehemaligen Innenminister Olah, wobei die Mannen des

Arbeiter- und Angestelltenbundes ihre „Feuertaufe“ siegreich bestanden.

Viel Arbeit für Hartmann

Minister a. D. Dipl.-Ing. Hartmann erwartet im niederösterreichischen Landhaus manche schwierige Aufgabe. Es gilt nun in Niederösterreich mit aller Kraft den wirtschaftlichen Anschluß an den Westen zu finden und anderseits den Sog, den die Bundeshauptstadt auf das Land ausübt, zu mildern. Der Wirtschaftsförderung, vor allem in den von der Abwanderung bedrohten Gebieten, und der Stärkung des Kultur- und Wirtschaftszentrums St. Pölten-Krems muß daher besonderes Augenmerk zugewendet werden. Das von Leopold Figl so mutig angefaßte heißa Eisen der Zusammenlegung der vielen Kleingemeinden muß weiter geschmiedet werden, nicht zuletzt im Hinblick auf die neue Gemeindegesetzgebung, die den kommunalen Selbstverwaltungskörpern viele neue Aufgaben zuweist. Ein ähnliches Problem stellen die vielen kleinen Zwergschulen dar, die in einer Bildungsgesellschaft ihre Aufgaben nicht mehr zu erfüllen vermögen. Auf dem Bausektor (Wohnbauförderung, Straßen-, Schuir, Kanalbau) ist in Niederösterreich, das im Krieg und in der Zeit der Besetzung so schwer gelitten hat, noch ein großer Nachholbedarf.

Salut von links

Die Niedierösterreicher glauben aber, daß sie mit Eduard Hartmann der Zukunft voll Zuversicht entgegenblicken können. Nicht nur die drei Bünde der Volkspartei bringen ihm ihr Vertrauen entgegen, sondern auch die linke Reichshälfte hat durch einen Salut, abgegeben von Landes-

hauptmannstellvertreter Dr. Tscha-dek, zu verstehen gegeben, daß sie zu ernster Zusammenarbeit mit dem neuen Landesvater bereit ist. Der Name Hartmann reiht sich würdig an die Namen der großen Vorgänger Reither, Steinbock und Figl im niederösterreichischen Landhaus.

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