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Währungspolitischer Fortschritt in Österreich

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Durch die außerordentlichen, nach der Befreiung in Österreich im Jahre 1945 herrschenden wirtschaftlichen Bedingungen hatte der Aufbau eines geordneten Geldwesens mit den allergrößten Schwierigkeiten zu kämpfen.Er begann mit dem Schaltergesetz (5. Juli 1945) und führte über das Schillinggesetz (30. November 1945) zum Währungsschutzgesetz (19. November 1947). Das Preis-Lohn-Übereinkommen von August

1947 diente im wesentlichen der Vorbereitung dieses letzten Schrittes.

Die Einmaligkeit der Voraussetzungen, unter denen das wirtschaftliche Leben in Österreich wieder beginnen mußte, findet auch im Ausweis der österreichischen Nationalbank ihren Niederschlag. Durch das fast vollständige Fehlen der üblichen Aktivposten, wie Barschatz und Wechseleskompt, bildete zunächst die Forderung gegen den Bundesschatz die Hauptdeckung für den Notenumlauf. Der Freigabe eines Milliardenbetrages vom ECA-Sonderkonto zum Zwecke der Verringerung der Bundesschuld kommt daher eine ganz besondere Bedeutung zu.

Folgende charakteristische Ziffern sollen die Situation unmittelbar vor dem Währungsschutzgesetz, unmittelbar nachher und per 31. Dezember 1948 nach Abbuchung der jüngsten Freigaben kennzeichnen.

amerikanische Regierung hat zum ersten Mal dem Wechselportefeuille wieder zu einer, gewissen Bedeutung verhol- fen und gleichzeitig im selben Ausmaß die Forderung gegen den Bundesschatz entsprechend verringert. Abgesehen von allen sonstigen Überlegungen, die sich daraus für die aktuelle Lage in Österreich ergeben, ist die nunmehr eingeleitete Normalisierung des Status der österreichischen Notenbank eine der begrüßenswertesten Folgeerscheinungen dieses Schrittes. Solange nämlich die starre Post der Bundesschuld de Hauptanteil unter den Aktiven der Notenbank darstellt, solange fehlt es dieser Bank an der notwendigen Elastizität und damit an dem entsprechenden Einfluß auf den Geldmarkt. Erst mit dem Ansteigen des Wechselportefeuilles kommt die Notenbank allmählich wieder in die Lage, durch strengere oder weniger strenge Handhabung des Exkompts geldpolitisch wirksam in Erscheinung zu treten.

Wie bekannt, hatte sich die Österreichische Nationalbank in der Zeit vor 1938 nach der Creditanstaltskrise durch die verhältnismäßig hohe Bundesschuld und das Vorhandensein eines starren Blockes von Finan - wechseln in einer ähnlichen, wenn auch weit weniger schwierigen Situation befunden. Der Geldmarkt wurde damals praktisch von den Privatbanken beherrscht und die Nationalbank hatte nicht di Möglichkeit, durch eigene Maßnahmen dem Defla- tionsdruck, der aus der zurückhaltenden Kreditpolitik der Privatbanken und derr sparsamen Finanzgebarung der öffentlichen Hand entsprang, wirksam entgegenautreten.

Für eine erfolgreich Geld- und Währungspolitik ist aber ein entscheidender Einfluß der Notenbank als zentrale Stelle des Geldmarktes nerläßlich. Di allmähliche Wiederherstellung eines solchen Zustandes muß daher die folgerichtig Konsequenz der seinerzeit mit dem Währungsschutzgeset beschrittenen wirtschaftspolitischen Linie darstellen, weil ohne ein solche die unzweifelhaften Erfolge dieses Gesetzes leicht wieder in Frage gestellt werden könnten. Aos diesem Grunde wäre tn wünschen, daß die knapp vor Jahreswende verfügt Freigabe zugunsten der Verringerung der Bundesschuld nur ein erster Schritt ist, dem weitere folgen werden.

Im übrigen kam diese Freigabe durchaus nicht völlig überraschend, sondern entspradi einem Plan der Bundesregierung zur Finanzierung des Wiederaufbaues für das Jalir 1948/49, der vom österreichischen Finanzministerium gemeinsam mit dem Bund'es- ministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung und der österreichischen Nationalbank ausgearbeitet und im Frühherbst der amerikanischen Regierung vorgelegt worden war. In diesem Plan war im wesentlichen vorgesehen, bis zum Jahresende 1948 Investionen in der Höhe von rund 600 Millionen Schilling durch Finanzwechsel bei der Nationalbank zu decken. Die für Investitionen auszugebenden Finanzwechsel sollten dann zu einem späteren Zeitpunkt durch Industrieobligationen abgelöst werden. Da sich durch die Finanzierung dieses Investitionsprogramms durch die Notenbank der Geldumlauf erhöhen müßte, wurde zu gleicher Zeit vorgesehen, im selben Ausmaß, in dem Finanzwechsel von der Notenbank aufgenommen werden, die Bundesschuld zu verringern. Dabei soll die Abbuchung von der Bundesschuld zu Lasten der Reliefkohten gehen. Aus diesem Grunde war auch die Zustimmung des ERP- Administrators erforderlich. Di? insgesamt 1450 Millionen Schilling stammen mit 850 Millionen Schilling aus Überweisungen von den ECA-Sonderkonten und mit 600 Millionen Schilling aus den Reliefkonten.

Wie aus dem Ausweis der Nationalbank per 31. Dezember 1948 hervorgeht, haben die Abbuchungen auf die Geldzirkulation (Notenumlauf plus freie Giroverbindlichkeiten) keinen Einfluß. Lediglich die Zusammensetzung der Aktivposten hat sich, worauf schon verwiesen wurde, geändert. Die Abbuchung dieser Beträge hat jedoch (ähnlich wie seinerzeit beim Währungsschutzgesetz die Verringerung des Buchgeldumlaufes) die potentiellen Gefahren einer Aufblähung des Notenumlaufes wesentlich verringert. Hätten nämlich die Einzahlungen auf diese Sonderkonten nicht stattgefunden, dann hätte die Ausweitung des Notenumlaufes, die durch das ständig wachsende Wirtschaftsvolumen bedingt war, noch größere Dimensionen angenommen. Nunmehr besteht die Gewißheit, daß diese Beträge n i c h t w i e d e r auf anderen Umweg in. die. Wirtschaft einfließen und hierin liegt zugleich ein großer währungspolitischer Erfolg und eine nicht zu untersdiätzende Stärkung des Vertrauens in die künftige Entwicklung.

Es mag vielleicht scheinen, als ob es nützlicher wäre, die auf den Sonderkonten eingehenden Beträge insofern „produktiver" zu verwenden, als man sie zur Finanzierung des Wiederaufbauwerkes in einem noch weitergehenden Umfang statt zur Abtragung der Bundesschuld bei- der Nationalbank verwendet. Bekanntlich wecken ja auch gerade diese Konten immer wieder die begehrlichen Augen jener Interessengruppen, die im gegenwärtigen Kampf der österreichischen Wirtschaft um ihre endgültige Konsolidierung noch nicht voll ihren richtigen Platz erreicht haben und von denen man im Interesse der Gesamtheit noch eine gewisse Zurückhaltung verlangt. Schließlich ist auch die Deckung des außerordentlichen Budgets von der Verfügbarkeit über diese Sonderkonten weitgehend abhängig.

Wie selten zjjyor-wird aber .gerade damit jedem Einsichtigen auf das deutlichst demonstriert, daß der W i ė d e r au f b a u ęiner Wirtschaft niemals mit Geld, sondern nur'mit Gü t e r f erfolgen kann. Der Nutzen',- der Österreich und die übrigen am Marshall- Plan teilnehmenden Länder aus dieser Hilf ziehen, besteht in dem Erhalt der Güter mengen, die zur Sicherung der Ernährung und zum Wiederaufbau benötigt werden Die Bestimmung, daß die für deren, Verkaw erlösten Beträge auf einem Sonderkonte einzuzahlen sind und daß darüber nur mi Zustimmung der amerikanischen Regierung verfügt werden darf, hat lediglich dei Zweck, die Vorgänge auf der Geldseiü soweit zu lenken, daß nicht durch störend' Entwicklungen das Aufbauwerk gefährde

Die Grandzüge dieses Planes sind ,ir „österreichischen Volkswirt", Heft Nr. 35/194! unter dem Titel: „Die nächsten Finanzierung; .ufgaben" besprochen.

oder beeinträchtigt wird. Es wäre zum Beispiel von nur sehr problematischem Wert, wenn eine übersteigerte Kreditfinanzierung des Wiederaufbaues einen Wicksellschen Prozeß (inflationistische Preisentwicklung) größten Ausmaßes hervorrufen, damit die Rentabilitätsverhältnisse verschieben und Fehlinvestitionen begünstigen würde. Auf der anderen Seitę ware es natürlich ebenso unzweckmäßig, die betreffenden Beträge auf den Sonderkonten zu sammeln und sie überhaupt nicht freizugeben, weil ein solches Vorgehen früher oder später zu einem vernichtenden Deflationsprozeß führen müßte. Bei der Disposition über die Sonderkonten handelt es sich also um ein überaus delikates und schwieriges Problem. Der? Entzug von Umlaufsmitteln durch Abbuchung auf die Bundesschuld wirkt gegenüber der Kredit- expansiön kompensatorisch und ist geeignet, die sonst unvermeidlichen Kumulationserscheinungen weitgehend auszuschalten. Durch die Ausgaben für produktive Zweck (so wurden zum Beispiel bereits vor längerer Zeit 588 Millionen Schilling für staatliche Subventionen, und zwar zur Deckung des im außerordentlichen Staatshaushalt für

1948 vorgesehenen Aufwandes, freigegeben) kann aber jeglicher deflationistischen Tendenz begegnet werden.

Die Sonderkonten nehmen also währungspolitisch betrachtet eine außerordentlich interessante, einmalige Stellung ein.- Aus dieser ergeben sich im übrigen auch neue Aspekte- für die wissenschaftliche Forschung, auf die jedoch hier im einzelnen nicht näher eingegangen werden kann. Erst die völlige Klärung der gesamten Problematik der Hilfslieferungen wird, das Verständnis dieser verwickelten Zusammenhänge wesentlich fördern. Sicher ist jedoch, daß der Frage der Sonderkonten in diesem Rahmen eine besonders große Bedeutung zukommt. Allein die Herkunft der Beträge, die auf diese Sonderkonten fließen, nämlich ob aus dem Bereiche des Letztkonsums oder aber der Produktionsmittelindustrie, führt zu einer grundsätzlich verschiedenartigen Beurteilung bei ihrer weiteren Verwendung.

Je größer jedenfalls der Anteil der Investitionen im Verwendungsplan der Mittel ist, umso stärker ist der Drude nach Bereitstellung der entsprechenden Geldbeträge, weil Investitionen nur dann sinnvoll sind, wenn sie zu Ende geführt werden. Dieser Prozeß dauert aber normalerweise mehrere Jahre. Andere Verwendungsarten, also zum Beispiel für Ernährung oder für den laufenden Verbrauch sind viel leichter beeinflußbar und können auch plötzlichen Änderungen unterworfen werden. Die Dispositionen über die auf den Sonderkonten angesammelten Geldmittel wird sich also dann umso eher den jeweiligen Erfordernissen anpassen können, je geringer der Anteil der Investitionen am Gesamtprogramm ist. Ijür Österreich, wo 6ich bereits verschiedentlich Anzeichen einer gewissen Übersteigerung der Investitionstätigkeit bemerkbar machen, wird es daher nicht nur zum Zwecke einer reichlicheren Versorgung mit Konsumgütern, sondern auch aus grundsätzlichen währungspolitischen Überlegungen zweckmäßig sein, die Investitionslüst ein wenig zurückzudämmen. Dadurch würde nicht nur das außerordentliche Budget erheblich entlastet, sondern auch eine im Interesse der österreichischen Währung sinnvolle Disposition über die Sonderkonten wesentlich gefördert werden.

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