6544941-1947_09_07.jpg
Digital In Arbeit

Walter Adam

Werbung
Werbung
Werbung

Zur Zeit der Besitznahme des Burgenlandes durch Österreich im Jahre 1921 überbrachte eines Tages ein Offizier der Redaktion der „Reichspost“ einen Situarions-bericht aus dem von Freischärlern insurgierten Gebiet. Bei der Nennung seines Namens erkannte ich in dem Major den gewesenen Stabschef der österreichisch-ungarischen Truppen in der Türkei während der letzten Jahre des Weltkrieges, der zuvor als Konzeptkraft beim Armeeoberkommando gedient und mit einigen für die Öffentlichkeit bestimmten Arbeiten Aufsehen gemacht hatte. In dem sich anknüpfenden Gespräch über die gegenwärtige Lage im nahen Orient gefiel mir das klar formulierte politische Urteil meines Besuchers. Sein burgenländischer Bericht erschien in der nächsten Nummer des Blattes, das Muster einer' Lageschilderung, aufgebaut in knappen Sätzen, plastisch und frei von Ubersteigerung. In den nach sten Jahren traf ich den Verfasser wieder holt im Heeresministerium und hörte über ihn von seinem Vorgesetzten Worte hoher Lobes. Doch kam unsere Fühlungnahme über eine flüchtige Bekanntschaft nicht hin aus. Groß war daher meine Überraschung als ich im Frühjahr 1924 die Bewerbun: des nunmehrigen Oberstleutnants W a 11 ei

Adam um Aufnahme in die Redaktion der „Reichspost“ empfing. Wie, dieser Offizier, ein sympathischer Vertreter seines Standes, der kaum ein Vierziger sein mochte und in einer sicher von vielen beneideten militärischen Laufbahn sich befand, will Journalist werden? In einer Unterredung setzte mir Walter Adam seine Gründe auseinander. Es sei nicht sein' Begehr, in- der Ministerialbürokratie über kurz oder lang als General zu versanden. Er sehne sich nach dem aktiven Schaffen, unser Land sehe er voll der wichtigen Aufgaben und er .hoffe, mit der Feder seinen Mann stellen zu können. Ob ich es mit hm nicht versuchen wolle.

So kam Wal ter Adam, beim Abschied vom Soldatenberuf zürn Oberst ernannt, in die Redaktion der „Reichspost ,

Es gibt Menschen von trefflicher Bildung ind ausgezeichnetem Wissen, die es nie zu “iner mittelmäßigen journalistischen Leitung bringen können, ' Schriftsteller die rielbelobte Bücher schreiben, und vffsagen, venn sie im Getriebe der Redaktion ohne ange Vorbereitung zu einem Ereigni'- Stclhing nehmen sollen. Und wieder andere

Menschen, die, von geringer methodischer Bildnüg ausgehend, durch eine besondere Be-' gabung große Zeitungsleute Werden. Walter Adam bewies sehr bald, daß er beides besaß: eine sorgfältig gepflegte Allgemeiiv bildung, die nach der historisch-politischen Seite besonders betont war, und die ange-. borenen Fähigkeiten, die den richtigen Zeitungsmann machen, rasche Auffassung, Imagination, selbständiges Urteil, Fingerspitzengefühl für das augenblicklich Wichtige und die Kraft der klaren stilistischen Formung. Walte- Adam gewann die unein-gesdiränkte Anerkennung unserer Kameradschaft. Aber die Hochschätzung und herzliche Freundschaft'seiner Kollegen eroberten ihm seine Charaktereigenschaften: die Lauterkeit seines sittlichen Urteils, die Kom-promißlosigkeit seiner grundsätzlichen Auffassungen, sein feines Rechtsempfinden und als der hervorstechendste Grundzug seines Wesens: die Treue, die seine menschlichen Beziehungen und seine politische Begriffswelt bestimmte. Charakteristisch an ihm war sein Maßhalten in allen Dingen. Es entsprach der einstimmigen Meinung der Kameraden und fand die lebhafte Billigung des Prälaten Dr. S e i p e 1, als nach einigen Jahren Adam als Stellvertreter des Chefredakteurs in die Leitung des Blattes berufen wurde, das die führende Tageszeitung der österreichischen Katholiken und das politisdie Organ der chrtstlichsozialen Partei Österreichs war. Er wurde der treueste Helfer, den man sich denken konnte. Als zehn Jahre nach dem Eintritt Adams in die Redaktion der Verfasser dieser Zeilen an berufener Stelle die Aage vorlegen mußte, in welche Hände er nach btaid vierzigjähriger journalistischer Tätig-, keit nächstens sein Arbeitserbe legen solle, ein in harten Mühen aufgebautes Werk und treuhändig verwaltetes Eigentum der österreichischen Katholiken, ' da ,wies die eindeutige Antwort auf Walter Adam. Ein Junger sollte die Zügel ergreifen, einer, der durch seine Charaktereigenschaften, seine Überzeugung als katholischer Christ und Österreicher und durch seine journalistischen Fähigkeiten die Gewähr bot, für eine geradlinige Fortführung der hier zu erfüllenden Mission Auf einem gemeinsamen Spaziergang in - Baden Mitte Juni 193*4 redete ich mir diese Sorgen, Wünsche und Pläne gegenüber Adam vom Herzen. Irgendwo hatte die Gefühlswelt dieses Mannes, abhold sentimentaler Ostentation, ein geheimes Gärtchen, in das er nur seine vertrautesten Freunde zuweilen eintreten' ließ. An jenem Junitag hat er es mir geöffnet. Wir schieden, beide bewegten Herzens und beglückt, unsere innere Gemeinschaft und Zielrichtung wieder mit einem gemeinsamen Entschlüsse bestätigt zu haben. Mit Ende des Jahres sollt* der Wechsel sich vollziehen. *

Es war anders über uns beschlossen. Acht Tage später trat Adam tiefernst . in mein Zimmer: er befinde sich in einem schweren Konflikte. Kanzler Dollfuß habe ihn gerufen und ihn für die Stelle eines Leiters der vaterländischen Propaganda zur Abwehr der nazistisdien Umtriebe ausersehen. Er, Adam, wolle Journalist und unserem Abkommen treu- bleiben. Aber der Kanzller habe ihm die Not des Landes vorgestellt und ihm als Offizier die Gehorsamspflidit gegenüber dem Ruf des Vaterlandes vorgehalten. Da gäbe es für ihn aus eigener Kraft keine Wahl mehr, aber er bitte, ich möge versuchen, den Kanzler von seinem Plane abzubringen. Es war umsonst. Wenn Dollfuß im Namen Österreichs etwas wollte, dann trug er das Herz auf der offenen Hand und niemand konnte ihm widerstehen. So hat er mir denn Walter Adam abgebettelt. Es wurde ein sdimerz-licher Absdüed in der Redaktion. Am 11. Juli trat Adam sein Amt als Bundes-kbmmissär für Heimatdienst an, den Titel eines Propagandaleiters hatte er abgelehnt. Er wolle nicht Trommler sein, .erklärte er am 19. Juli in seiner Antrittsrede, er wolle nicht der Methode folgen „zu faszinieren, zu betäuben und einzuschüchtern“, sondern er wolle „überzeugen“. Sechs Tage später war Dollfuß ermordet und die gefährliche Lage des Landes grell erleuchtet. Schamlose Beschimpfungen des ermordeten Kanzlers in der führenden Presse des Dritten Reiches, das Kollerschlager Dokument, mit dem das blutige Attentat als Teil eines wohlvor-bereiteten großen Anschlages auf die Unabhängigkeit Österreichs, und die deutlich hervorkommende Mitschuld der Hitiler-regierung ließen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß es nun auf Leben und Tod für Österreich gehe. In dieser Lage hatte Adam die Aufgabe, das öffentliche Vertrauen wieder aufzurichten, die vaterländisch Gesinnten wieder zu sammeln, das österreichische Bewußtsein für die noch bevorstehenden schweren Kämpfe zu .stählen und die tückischen Verführungskünste, die mit allen Mitteln einer gewissenlosen Stimmungsmache über die Grenzen hereinspielten, abtuwehren. Vor kurzem saß er noch in der stillen Redaktionsstube in der Strozzigasse und nun stand er als Kämpfer, als Wörtführer Österreichs, zuvorderst, auf der Walstatt, die von einem zu allem entschlossenen Feinde umstürmt war.

Durch vier Jahre wurde die Öffentlichkeit Zeuge, in welchem Geiste Adam diese Aufgabe erfüllte, als Leiter des Heimatdienstes, dann als Generalsekretär der Vaterländischen Front und Führer des Bundespressedienstes. Gegen die Verführerstimme aus dem Dritten Reich setzte“ er die Stimme seiner glühenden Vaterlandsliebe, gegen die Verhöhnungen der Goebbelspropaganda sein stolzes Bekenntnis zu Österreichs Geschichte und Aufgabe, gegen die Knüppel der Angreifer die noblen

Waffen seines ritterlichen Geistes ein.'

. Nach vier Jahren wanderte er, der bis zur letzten Stunde noch angesichts der nahenden Gefahr auf seinem Posten ausgeharrt hatte, ins KZ. Die schimpflichen Demütigungen, denen er zuvor noch in Wien ausgesetzt war, konnten seiner Haltung ebensowenig etwas anhaben als die Erlebnisse im Dachauer Moor und dann in den Steinbrüchen von Floßenbürg. Was er früher in Wort und Schrifr verkündigt hatte, die Liebe und Treue zu Österreich, den unerschütterlichen Glauben an den Sieg des Rechtes und der Menschlichkeit, das lebte er uns, seinln Schicksalsgenossen, vor in einer beispielhaften tapferen Haltung und einer keine politischen Schranken kennenden Kameradschaft. Karl Kraus hatte im Mai 1935 von ihm in der „Fackel“ geschrieben, das Wichtigste an Adam in seinen Kundgebungen an der ' Spitze des Heimatdienstes sei die „Echtbürtigkeit und Erlebtheit der Anschauungen, durch die er den Ausdruck beglaubigte“. Ihren höchsten Glanz .erreichte diese Echtbürtigkeit seiner sittlichen Persönlichkeit damals in der Zeit -seiner tiefsten äußeren Erniedrigung als Arbeitssklave der SS in den Steinbrüchen von Floßenbürg. Ich war in seiner nächsten Nähe, als er schon mit sinkenden körperlichen Kräften, bereits herzkrank und mit Atemnot kämpfend, keuchend Eisenbahnschienen hoch bergauf schleppte oder im Laufschritt durch den nahen Sumpf Steintrümmer zu tragen gezwungen wurde. Auch in Fetzen und von oben bis unten mit Erdkrusten bedeckt, war er noch immer ein Herr, ein Unbesiegter, ein Held, 'ein Österreicher, den nichts und niemand zu beugen vermochte, der die Achtung und Bewunderung seiner Schicksalsgenossen ohne Unterschied der Partei besaß und dem die unbegrenzte Liebe seiner Freunde gehörte. Über alle Demütigung und Qual obsiegte sein Bewußtsein, Bekenner zu sein für Österreich. Als endlich die Freiheitsstunde für ihn schlug, trug er bereits den Todeskeim mit sich. Mit großen Hoffnungen hatten ihn (seine Freunde erwartet. Wehmütig mußten sie von ihren Plänen, die Walter Adam zu bedeutenden Aufgaben berufen sollten, Abschied nehmen. Der bittere Kelch seines Leidens füllte sich für Walter Adam bis zum Rande, als der Kranke in langem Dahinsiechen erkennen mußte, daß er auf dieser Welt bald nichts mehr von seiner Liebe an dieses Land und seine Freunde zu verschenken habe.

Wenn einmal das österreichische Volk seinen für die Befreiung Österreichs im Kampfe gegen die Hitlerdespotie Gefallenen ein Denkmal setzen wird, dann wird an vornehmer Stelle der Name stehen müssen: Walter Adam.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung