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Warnungszeidien in Iberoamerika

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Dr. M., Buenos Aires, 2. August 1954

Anläßlich des kommunistischen Jugendkongresses in Bukarest vernahm man, daß in seinem Festraum eine blau-weiß-blaue Fahne mit einem bunten Papagei gehißt worden sei. Niemand habe ihre Bedeutung gekannt. Es habe eine Weile gedauert, bis man erfahren habe, daß es sich um die Nationalflagge der „vom nördamerikanischen Monopolkapitalismus“ kontrollierten mittelamerikanischen Republik Guatemala gehandelt habe, aus der eine Abordnung zu diesem Kongreß erschienen sei.

Die Anwesenheit dieser Abordnung sollte ein Bekenntnis ihres Landes zu den Bestrebungen des roten Jugendkongresses symbolisieren; eines kleinen Landes von 3,3 Millionen Einwohnern davon 70 Prozent reine Indios, die auf einer Fläche von 108.889 Quadratkilometer dünn besiedelt sind; der Staat lebt’ zu drei Vierteln von seinem Außenhandel, der fast zur Gänze auf die USA- Märkte angewiesen ist.

Die im Frühjahr in Caracas abgehaltene Panamerikanische Konferenz befaßte sich ausführlich mit der Frage der kommunistischen Infiltration in den amerikanischen Ländern; es kam mit Müh und Not zu einer den Kommunismus ächtenden Entschließung, von der man wußte, daß sie in erster Linie gegen das kleine Guatemala gerichtet war, das sich den Beratungen der Konferenz fernhielt, als es die Spitze gegen sich gerichtet verspürte.

Für den Kenner der südamerikanischen Probleme steht längst nicht mehr zur Debatte, daß der Kreml seine iberoamerikani- schen Chancen erkannt hat. Moskau braucht sich hier nicht anzustrengen. Es braucht nur nachzuhelfen, um die Situation zu nützen. Die Kolonialherrschaft in diesen Ländern hat dem Kommunismus ein ungewöhnlich günstiges Klima geschaffen. N ichteindring- lich und nicht laut genug kann man den verantwortlichen Staatslenkern den sehr ernsten T atbestand vordas Gewissen halten. Schon die Aufstände, die der großen Französischen Revolution folgten, die Freiheitskriege gegen die Spanier waren nur zum Teil nationalen, ebenso aber auch sozialen Ursprungs. Das wurde erst recht gültig für die iberoamerikanischen Aufstände des 20. Jahrhunderts. Nicht mit Unrecht sagt der Stalin- Preisträger und international bekannte kommunistische Dichter aus Chile, Pablo N e- r u d a, daß der Kommunismus in Amerika schon akut gewesen sei, bevor ihn Marx und Lenin erfunden hätten.

Die mexikanische Revolution von Villa Za- pata veranlaßte Lenin zum Ausspruch: „Auch Amerika ist reif für den großen Aufstand des Proletariat s.“

Der Kreml nützte die Gelegenheit. Schon 1925 ließ sich die erste sowjetische diplomatische Mission unter Führung von Alexandra ‘ Kolontay in Mexiko nieder. Zwei Jahre später war in Mexiko schon die erste kommunistische Partei Amerikas gebildet und organisiert. Es fand zu jener Zeit die erste Begegnung der iberoamerikanischen Extremisten mit dem Kommunismus statt. Es begann sich ein rotes Netz über Iberoamerika auszubreiten. 1936 war es so stark, daß Trotzki nach Mexiko zog, in der Hoffnung, hier als Gegenspieler Stalins Aussichten zu haben. Auf dem iberoamerikanischen Kontinent wandte der Kreml eine besondere Taktik an. Seine Tätigkeit begann fast unvermerkt; harmlos und in aller Stille setzte die Infiltrierung Südamerikas ein. Als die Aufmerksamkeit der Staatskanzleien der anderen Mächte während des zweiten Weltkrieges durch das militärische Geschehen gefesselt war, konnte Konstantin Umansky, der Sowjetbotschafter für Mexiko und Kuba, sein Kontaktsystem über ganz Mittel- und Südamerika spannen. Weitsichtige konservative Politiker erhoben damals schon ihre Warnerstimme. Sie setzten sich nicht durch. Die damalige Washingtoner Politik der Roosevelt-Aera gegenüber Moskau machte den Kommunismus sozusagen salonfähig. Wer damals gegen diese Politik in den iberoamerikanischen Ländern Bedenken erhob, wurde bezichtigt, gegenüber Washington unfreundlich zu sein und eine gegen die USA gerichtete Tendenz zu vertreten.

Die Ressentiments der iberoamerikanischen Länder aus den Freiheitskriegen gegen die „Madre Patria“ sind längst abgeklungen. Diese Länder betrachteten vor dem zweiten Weltkrieg mit Interesse die Entwicklung der Ereignisse auf der Iberischen Halbinsel. Es war eine Zeit, als diese Länder mit Franco sympathisierten, während die Roosevelt-Politik auf die Karte der spanischen Republikaner und der linksrevolutionären Bewegungen in Iberoamerika setzte.

Guatemala war in jener Zeit der erste Staat der Welt, der die provisorische Regierungsjunta Francos in Salamanka anerkannt hatte, sogar vor den Achsenmächten. An der Spitze der Regierung in Guatemala stand zu jener Zeit General Ubico als Staatspräsident. Seine Regierungszeit charakterisierte später, im Jänner d. J., die amerikanische Zeitschrift „Time" mit den Worten: „General Ubico war nicht mehr und nicht weniger Diktator wie etwa der Präsident Somoza von Nikaragua. Er verwaltete Guatemala musterhaft, achtete den ausländischen Besitz und gab den Linksern und Kommunisten keine Atempause.“ Zu jener Zeit war aber in Washington maßgebend die Auffassung, ausgedrückt in der „New York Times“, in der die Anerkennung der Franco- Regierung als „profaschistischer Schritt“ bezeichnet und gewünscht wurde, „in Guatemala möge der Diktator von einer wahrhaft demokratischen Volksregierung abgelöst werden“. Und dieser Wunsch ging in Erfüllung. Ubico erklärte 1937 einem deutschen Journalisten: „Ich habe die nationalspanische Regierung sofort anerkannt, obwohl ich überzeugter Liberaler und Republikaner bin und keine sonderlichen Sympathien für die einseitige Ausrichtung der Politik Salamankas empfinde. Aber die gewiß nicht kommunistischen spanischen Republikaner gaben in ihrem Lande den Kommunisten zu großen Spielraum. Und wo das geschieht, setzt sich, wie wir es in Spanien sehen, eine Handvoll entschlossener Kommunisten rasch gegen alle wohlmeinenden Republikaner durch. Das droht auch uns in Mittelamerika. Was ein rotes Spanien für Iberoamerika bedeuten würde, brauche ich nur skizzieren.“

So wie es General Ubico kommen sah, so geschah es auch. Das revolutionäre Triumvirat Arana-Toriello-Ar- benz stürzte 1944 die Regierung Ubico. Der frühere Komintern-Delegierte Jorge Granados wurde zum Botschafter Guatemalas in Washington ernannt und vertrat sein Land auch bei der UNO. Der Linkskurs schlug ein. Zunächst blieb die Freundschaft mit den USA aufrecht. Deren finanzpolitischer Exponent, die „U nitedFruits C o." die den Ausfuhrmarkt Guatemalas beherrschte und zu den größten Kaffeeplantagenbesitzern gehörte, war auch der unsichtbare Drahtzieher dort, wo die Diplomatie nicht einschreiten konnte oder nicht wollte. Jacobo Au-benz, der jüngste der Revolutionsjunta, verstand es, unterstützt von den Kommunisten, seine Konkurrenten auszuschalten: sein Anhang schreckte auch vor Mord nicht zurück Obwohl selbst nicht Kommunist, war er umgeben von Mitarbeitern, die den Kommunisten völlig ergeben waren und auf ihre Weisungen hörten. Die allgemeine Gewerkschaftsbewegung geriet unter Arbenz völlig in kommunistische Hände und war die unermüdliche Triebkraft für Umgestaltungen nach sowjetischem Muster.

Gleichzeitig wurden die Beziehungen zwischen Staat und Kirche gestört. Im Verlauf der Debatten über die Verfassungsänderung wurde es klar, daß die politischen Machthaber kirchenpolitisch feindselige Pläne hatten. Eine Eingabe des Episkopats an die verfassungsgebende Versammlung blieb unbeant-wartet. Während der Gewerkschaftsbund starken Druck auf die Landarbeiter ausübte, um auch sie der Kirche und dem Glauben zu entreißen, schränkte die Regierung die Einwanderungsmöglichkeiten für Priester, trotz des Mangels an Klerus, ein; dagegen wurden die Tore breit geöffnet sowjetischen Technikern und „Wissenschaftlern“, auch dem Moskauer Ballett. Der Episkopat wies 1945 und 1946 mehrmals auf die Notwendigkeit einer ernsten Sozialreform hin, die Antwort bildeten Angriffe sowohl seitens der Gewerkschaften als auch der von der „United Fruits Co.“ abhängigen Arbeitgeber. In einem gemeinsamen Hirtenbrief warnten die Bischöfe von Guatemala, ihnen an der Spitze der Erzbischof Msgr. Mariano Rosell A r e 11 a n o, vor der bevorstehenden kom- ipunistischen Gefahr. Die Entwicklung der Dinge verschärfte sich aber so, daß 1948 man dem Erzbischof drohte, daß er landesverwiesen werde; zuvor schon ließ die Regierung den katholischen Sender schließen.

Auf die Spitze getrieben wurde die Spannung im Juli 1949, als Oberst Francisco Javier Arana, Chef der bewaffneten Kräfte und Präsidentschaftskandidat, der sich der Landesverweisung des Erzbischofs widersetzte und der aus seiner antikommunistischen Einstellung keinen Hehl machte, ermordet wurde.

Mit dieser Bluttat entledigten sich die kommunistischen Elemente ihres größten Gegners; Jacobo Arbenz, der neue Präsident, war ein williges Werkzeug der Moskauer Agenten. Auch der Regierungswechsel in den USA wirkte sich in Guatemala aus. Das Regime Arbenz machte auch nicht vor der Allmacht der „United Fruits Co.“ halt; auch deren Ländereien fielen unter die Bestimmungen der eingeleiteten Bodenreform, die Nordamerikaner büßten ihre Kaffee- und Bananenplantagen ein.

Die Rechnung ging aber nicht auf. An der guatemaltekischen Landwirtschaft hatten aber die politischen Drahtzieher in Moskau kein Interesse. Sie brauchten weder den Kaffee aus Guatemala, sondern taten auch weiterhin sibirischen Tee in ihre Samowars; das Paradies der Arbeiter und Soldaten braucht ja kein Mahagoniholz für Luxusmöbel und an

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