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Warum Solschenizyn ausgeschlossen wurde

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Im November 1969 schloß die Rjasaner Schriftstellerorganisation. Alexander Solschenizyn aus dem Schriftstellerver-band der UdSSR aus, und diese Entscheidung wurde von der Verbandsleitung für die Russische Föderation und angeblich von den Literaten der UdSSR gebilligt. An und für sich war dies keine Überraschung für die sowjetischen Schriftsteller. Solschenizyns Benehmen und sein ganzes Schaffen widersprachen den Prinzipien, Aufgaben und Statuten des Schriftstellerverbandes. Im Westen rief diese Entscheidung diversen Widerhall hervor. In diesem Zusammenhang wandte sich ein APN-Berichterstatter an mehrere sowjetische Schriftsteller mit der Bitte, sich zu dieser Angelegenheit zu äußern. Von den Antworten, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen, veröffentlichen wir die der , Dichter Sergej Michälkow und Nikolai Gribatschow:

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Im November 1969 schloß die Rjasaner Schriftstellerorganisation. Alexander Solschenizyn aus dem Schriftstellerver-band der UdSSR aus, und diese Entscheidung wurde von der Verbandsleitung für die Russische Föderation und angeblich von den Literaten der UdSSR gebilligt. An und für sich war dies keine Überraschung für die sowjetischen Schriftsteller. Solschenizyns Benehmen und sein ganzes Schaffen widersprachen den Prinzipien, Aufgaben und Statuten des Schriftstellerverbandes. Im Westen rief diese Entscheidung diversen Widerhall hervor. In diesem Zusammenhang wandte sich ein APN-Berichterstatter an mehrere sowjetische Schriftsteller mit der Bitte, sich zu dieser Angelegenheit zu äußern. Von den Antworten, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen, veröffentlichen wir die der , Dichter Sergej Michälkow und Nikolai Gribatschow:

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S. MICHÄLKOW: In der westlichen Presse sind zu diesem Beschluß zahlreiche Äußerungen erschienen. Solschenizyn wird dort für seine in verschiedenen ausländischen Verlagen sowohl auf Russisch als auch in anderen Sprachen herausgebrachten und die Sowjetgesellschaft verleumdenden Werke als „Klassiker“ verherrlicht, und seine Fürsprecher halten seinen Ausschluß für eine „Schande“ und eine „barbarische Methode“ der Behandlung von Schriftstellern in der Sowjetunion.

Was ist in Wirklichkeit geschehen? Worin liegt die Logik der Dinge?

Seinerzeit war Solschenizyn in den Schriftstellerverband aufgenommen worden, der eine frei-

willige Vereinigung von Gleichgesinnten ist und dessen Mitglieder bestimmte Aufgaben, Ziele, Rechte und Pflichten laut Statut haben. Nach einigen in der UdSSR veröffentlichten Werken publizierte Solschenizyn weiterhin im Ausland — sowohl auf Russisch als auch in Fremdsprachen. Diese seine in der Sowjetunion unveröffentlichten Werke wurden dort als „kühne und talentvolle“ Kundgebungen gegen den Sozialismus und gegen die Sowjetmacht, also gegen alles, was für einen echten Sowjetmenschen heilig ist, in den Himmel gehoben. Wirklich kommt in diesen Äußerungen die Weltanschauung des Verfassers richtig zum Ausdruck. Gerade deshalb wurden ja auch seine Werke von sowjeti-

schen Zeitschriften und Verlagen abgelehnt. Solschenizyn wollte überdies die von den Redaktionen der Zeitschriften „Swesda“, „Prostor“ und „Nowy Mir“ vorgeschlagenen Verbesserungen nicht annehmen. Er zog es vor, in „offenen Briefen“ das Fehlen jeglicher Aufmerksamkeit von seiten der Verbandsleitung für seine Werke zu beklagen. Diese Briefe wurden im Ausland veröffentlicht und dort in einem bestimmten Sinne kommentiert. Als Mitglied des Schriftstellerverbandes der UdSSR verletzte Solschenizyn das Statut seines Verbandes, als Bürger der UdSSR und als Literat seine grundlegenden Pflichten: Seine Manuskripte Wurden illegal ausländischen Verlegern überwiesen und von diesen zu Zwecken benutzt, die unserem Land Abbruch tun. Solschenizyn protestierte nicht dagegen, er hielt all das offenbar für durchaus natürlich, er setzte sich dem gesamten Kollektiv von gleichge-sinnten Schriftstellern entgegen und wurde schließlich gemäß dem Statut aus diesem ausgeschlossen. Obwohl Solschenizyn nicht Mitglied der Moskauer Schriftstellerorganisation war, wurde seine Angelegenheit in einer erweiterten Sitzung des Sekretariate der Moskauer Organisation diskutiert, und 22 hervorragende Schriftsteller befürworteten seinen Ausschluß wegen antisozialen Benehmens und Verletzung der wichtigsten Grundsätze des Verbandsstatuts.

Jedermann wählt seinen eigenen Weg. Doch kann man nicht einen anderen als den Kollektivweg wählen und dabei doch in Reih und Glied weiterschreiten wollen. Nun, wir sowjetischen Schrift-

steller und Solschenizyn haben verschiedene Wege gewählt. Also wäre es besser, uns zu trennen. *

Frage an den Dichter Nikolai GRIBATSCHOW: Was meinen Sie zur Erklärung der „Times“, man wolle Solschenizyn durch den Ausschluß mundtot machen? GRIBATSCHOW: Was die „Times“ meint, ist Angelegenheit ihrer Redaktion, aber ein Patent auf die absolute Wahrheit hat diese Zeitung sicher nicht genommen. Niemand entzieht Solschenizyn Papier und Federhalter. Es gibt ja hierzulande übrigens zahlreiche Schriftsteller, die wohl Bücher veröffentlichen, aber nicht Mitglieder unseres Verbandes sind. Es ist das Recht eines jeden Schriftstellers, zu schreiben oder Statt dessen dem Gezwitscher der Vögel zu lauschen, und das Recht eines jeden Verlages, ein Buch zu drucken oder es 'abzulehnen. Nur zu natürlich ist es also, daß unsere Verlage einen Roman wie Solschenizyns „Im ersten Kreis“ nicht drucken wollen. Meines Er-achtens ist das richtig: Das Buch ist überladen mit unverhohlener Tendenz, es enthält wenig echte Dichtung, das Leben ist in einem krummen und dazu eindeutig antisowjetischen Spiegel wiedergegeben. Wenn man das Buch nun im Westen druckt, so hat das nichts mit Sorge um die Kunst, die Kultur und den Fortschritt zu tun, sondern nur mit antisowjetischer Propaganda und Sensationshascherei. Vielleicht sollte Solschenizyn näher bei seinen Verlegern wohnen? Wir würden einer solchen „Wahl der persönlichen Freiheit“ keinerlei Hindernisse in den Weg stellen.

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