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Was denkt die Orthodoxie?

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„Wir wollen lieber unter dem Halbmond als unter der Tiara leben.“ Dieser Ausspruch griechischer Prälaten aus den letzten Tagen von Byzanz zeigt die tiefe Abneigung und Entfremdung, die zwischen Morgen- und Abendland eingetreten ist. Diese Abneigung ist letzten Endes ein Ergebnis der verschiedenen geschichtlichen Entwicklung. Byzanz stand auf dem Höhepunkt seiner politischen und geistigen Macht, seiner kulturellen Ausstrahlung, als der Westen noch von Barbaren überflutet war; es konnte es-nicht verwinden, daß in seinen alten Tagen der Ohnmacht alle Macht und Herrlichkeit, ja sogar die geistige und kulturelle Führung auf diesen Westen übergegangen war. Aber das sind alte Geschichten, die weit zurückliegen: seit dem großen Schisma von 1054 haben 179 Patriarchen in Konstantinopel residiert. Der 179., Athenagoras L, jahrzehntelang Erzbischof in Amerika, seit 1949 Oekumenischer Patriarch, in einer Zeit, da die eigene Jurisdiktion des Konstantinopler Stuhls nur noch gering, die Verbindungen zu den anderen orthodoxen Kirchen schwierig und heikel sind und höchster diplomatischer Kunst bedürfen, ist ein weltweiter moderner Mann, für den diese alten Geschichten längst historische Vergangenheit sind.

Anders in der provinziellen Enge von Griechenland. Zwar beim griechischen Volk als solchem ist von provinzieller Enge nichts zu bemerken, und Reminiszenzen an die alte Abneigung gegen die „Franken“, die „Lateiner“ (womit alle abendländischen Völker gemeint sind), können im politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und jedem anderen Bereich kaum noch aufgespürt werden. Die einzige Ausnahme bildet die autokephale Kirche Griechenlands, die seit 1850 hierarchisch nicht mehr dem. Patriarchen untersteht (dies ist nur noch der Fall mit einigen Provinzen, die erst im 20. Jahrhundert zu Griechenland gekommen sind, wie Kreta und Rhodos). Die Kirche Griechenlands verharrt — zum überwiegenden Teil — in einer Mentalität, die für die Zeit der Türken- heS'Sclörft'-Verständlich, JWeüte ab 1 übefÜölFist. Ihre Abkapselung gegen die katholische Kirche

Vergleiche von demselben Verfasser: „Blick von Byzanz nach Rom“ in der „Furche“ Nr. 36. ist oft ein Ausfluß der Furcht vor einem geistig und materiell übermächtigen Konkurrenten, weil man besorgt ist, bei engeren Beziehungen ihm zu unterliegen. Rechtsradikale Kreise, die diese Haltung der Kirche teilen und stützen, sprechen das offen aus, wie zum Beispiel die Zeitung „Ethnos“. Den Standpunkt der Athener Synode gab schon im Jänner, noch vor Bekanntgabe des Konzilplanes, nur auf Grund des Wiedervereinigungsappells in der päpstlichen Weihnachtsbotschaft, ein Artikel des offiziellen Organs der Synode, der Zeitschrift „Ekklesia“ wieder. Sperantsas, der Direktor der Zeitschrift, schrieb, während die orthodoxe Kirche die apostolische Lehre unverfälscht erhalten habe und erhalte, habe das Papsttum als Erbe römischen Geistes und im Austausch gegen weltliche Herrschaft und Macht die evangelische Wahrheit verändert und umgedeutet und sei von Abweichung zu Abweichung bis zu dem Punkt fortgeschritten, ein menschliches Geschöpf, den Papst, für unfehlbar zu erklären. Trotzdem sei die Frage nach der Einheit der christlichen Welt niemals so brennend gewesen wie heute. Die griechisch-orthodoxe Kirche nehme daher die Papstbotschaft erfreut auf. „Die tatkräftige Bekundung christlicher Demut darf nicht davor zurückschrecken, Irrtümer einzugestehen.“ Nur so könne die Einheit des Glaubens und der Gemeinde verwirklicht werden, heißt es in diesem Artikel der „Ekklesia", der ein aufmerksames Lesen verdient. Die Zeitung „Ethnos“ aber nannte die Initiative des Papstes eine Utopie.

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