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Was nicht gesagt wurde

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„Die Welt ist ärmer geworden“, soll Präsident Eisenhower gesagt haben, als er die Nachricht vom Tode Papst Pius' XII. erhielt. Der amerikanische Präsident war nur der Sprecher für Millionen Menschen. Sie alle, diese Millionen, fühlten, daß ein Mensch von ihnen gegangen war, der irgendwie zu ihrem Dasein gehört hatte. Millionen hatten diesen Papst ge-sehen, waren ihm gegenübergestanden oder hatten ihn im Film gesehen, im Fernsehapparat erblickt. Millionen hatten ihn gehört, von ihm gelesen. Der Welt war es schon zur Gewohnheit geworden, daß dieser Papst immer wieder seine Stimme erhob, um für den Frieden, für die Gerechtigkeit zu sprechen, um schlechtweg über alle Zeitprobleme seine Meinung zu äußern. 1? Bände umfassen die Ansprachen, die er während seines Pontifikats hielt, das gewiß nicht kurz war (nur sieben Päpste von 131 regierten innerhalb der letzten 1000 Jahre länger als Pius XII.), nicht weniger als 40 Enzykliken erließ dieser Papst. Und nun ist die Stimme dieses Papstes für immer verstummt. „Die Welt ist armer gewerden.“

Pius XII. war populär wie noch kaum ein Papst vor ihm. Er war populär unter Katholiken, unter Protestanten, unter Juden, unter Heiden.

Es'gab kein noch so übles Boulevardblatt in der Welt, das nicht plötzlich die sonst so gern gebrachten Sensationsmeldungen beiseiteschob und seine Titelseite der Krankheit, dem Tod des Papstes widmete. In den unzähligen Kommentaren, in den Nekrologen wurde alles über Pius XII. gesagt, was zu sagen ist, von seiner äußeren blendenden Erscheinung angefangen, über seinen Arbeitseifer, seine Sprachbegabung, seine hohe Geistigkeit, seinen Kampf für den Frieden, seine Tätigkeit auf kirchlichem Gebiet. Es wurde alles gesagt, was zu sagen ist — oder fast alles. Einiges allerdings wurde nicht oder nicht genügend erwähnt: es soll im folgenden mit einigen wenigen Zeilen versucht werden, dies nachzutragen.

In den vielen Nachrufen wurde fast nie eines bedeutenden Ereignisses während des Pontifikats Pius' XII., an dem er hervorragend beteiligt ist, gedacht, der Auffindung des Petrusgrabes unter der Kuppel der Peterskirche. Ein bedeutendes Ereignis, das nicht ohne Wirkung bleiben kann. Hatten die Reformatoren einerseits den Primat des Papstes geleugnet und die berühmte Stelle bei Matthäus als einen späteren Einschub bezeichnet, so hatte die historische Wissenschaft, des 19. Jahrhunderts anderseits die Behauptung, der hl. Petrus habe in Rom gewirkt und sei als Bischof von Rom gestorben, überhaupt verworfen. Niemand kann nun mehr leugnen, daß Petrus wirklich in Rom war. den Märtyrertod im Nero-Zirkus erlitt und im vatikanischen Friedhof ein armseliges Grab fand.

Neben diesem Faktum setzt sich inzwischen aber auch in der evangelischen Theologie immer mehr die Ansicht durch, daß die Stelle bei Matthäus, auf die sich der Primat begründet, kein späterer Einschub, sondern echt sei. Und seither ringt die protestantische Theologie um das Pctrusproblem. Einige wenige Pastoren haben für sich die Konsequenzen gezogen und wurden katholisch. Und hier se'tzte Papst Pius XII. wieder eine Tat. die von Bedeutung für die Zukunft sein kann. Er gestattet diesen Pastoren, katholische Priester zu werden und ihre — auch im katholischen Sinn — gültige Ehe fortzusetzen. Ein erster, vielleicht noch zager Schritt; wenn er aber eines Tages fortsetzt wird, dann kann er, besonders im anglikanischen Raum, einen

Erdrutsch der Seelsorger zur katholischen Kivche hin auslösen.

Immer wieder wurde erwähnt, daß Pius XII. der erste Papst war, der einen Chinesen und einen Inder ins Kardinalskolleg berief. Aber nirgends stand, daß unter seinem Pontifikat die Anzahl der einheimischen Bischöfe von 25 auf 125 stieg, daß es schon zahlreiche Negerbischöfe gibt und daß die Zeit nicht mehr fern ist. da der erste Neger in das Kardinalskolleg einziehen wird. Nirgends stand auch, daß dieser Papst rund 430 Diözesen errichtete, in Europa, in Asien, in Afrika, in Amerika. 430 Diözesen — eine Zahl, die beweist, wie sehr dieser Papst, der immer wieder als Diplomat gepriesen wurde, die Kirche in die Welt sandte, ja trieb, und nichts unversucht ließ, die Gebiete der Erde der Obhut, der Sorge der Bischöfe anzuvertrauen. Viele Gebiete gingen unter seinem Pontifikat — nicht durch die Schuld des Papstes, sondern durch die Macht der Politik — der Kirche mehr oder minder verloren, wie China zum Beispiel. In anderen Gebieten dagegen blühte das kirchliche Leben immer mehr auf. wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in denen die katholische Kirche die stärkste Religionsgemeinschaft ist, wo Orden ein blühendes Leben führen, die in Europa schon erloschen sind oder nur noch ein, kümmerliches Dasein fristen, wo es Priesterberufungen in einem für Europa schon unvergleichlichen Ausmaß gibt.

Nicht vergessen soll werden, daß Pius XII. der Testamentsvollstrecker Pius' X. auf dem Gebiet der Liturgie wurde. Erst durch seine Erlässe setzte sich die von Pius X. begonnene Reform endgültig durch. Noch vor 30 Jahren war für alle Anhänger der Liturgie die Einführung der Osternacht, die Reform der Osterliturgie überhaupt, ein Traum, der sich vielleicht in 100 Jahren erfüllen könne. Rasch, für manche Katholiken sogar zu rasch, kam die Einführung der Osternacht, die Verlegung des Gründonnerstagsgottesdienstes auf den Abend, die Erlaubnis für die Gläubigen, auch am Karfreitag die heilige Kommunion zu empfangen.

Hatte Papst Pius X. die Gläubigen aufgefordert, täglich zur heiligen Kommunion zu gehen, so hatte es Papst Pius XII. durch die Einführung der Abendmessen, durch die Beschränkung des Nüchternheitsgebotes auf drei Stunden, wobei der Genuß von Wasser überhaupt immer gestattet ist, den Gläubigen erst ermöglicht, im weitesten Maß der Aufforderung Papst Pius' X. nachzukommen. Eine revolutionäre Tat im wahrsten Sinn, wäre doch vor drei Jahrzehnten noch die Einführung der Abendmessen auf ähnliche Abwehr gestoßen wie einst die Kommuniondekrete Pius' X.

Zum Schluß soll nicht vergessen werden, daß dieser Papst, der in seinem Pontifikat die Freude erleben konnte, Pius X. unter die Zahl der Heiligen aufzunehmen — es ist der fünfte bisher heiliggesprochene Papst innerhalb eines Jahrtausends — daß dieser Papst trotz aller Ueber-lastung die Zeit fand, Gebete zu verfassen, Ja sogar die Zeit fand, sie in seiner zierlichen Handschrift niederzuschreiben; schöne, einfache Gebete, die seinen wahren Charakter vielleicht mehr enthüllen als alle Ansprachen, alle Enzykliken, alle Briefe; Gebete, die vielleicht nur noch durch die Schlichtheit und klassische Schönheit seines Testaments übertroffen werden, Gebete, aus denen hervorgeht, daß Pius XII. ein tieffrommer, sehr demütiger Beter gewesen ist.

„Die Welt ist ärmer geworden.“

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