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Was noch zu tun ist

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Aber es wäre doch falsch, zu sagen, daß das heutige Österreich das ohne Beeinträchtigung der Staatssicherheit leicht mögliche Maximum dessen gewährt hat, was eine weitschauende und großzügige Minder-heitenpolitik tun könnte. Schon die Einreiseverbote, die über die slowenischen Wissenschaftler vom Laibacher Minderheiteninstitut für Studienreisen in österreichische Minderheitengebiete verhängt sind, gehören aufgehoben. Die doppelsprachigen Aufschriften auf Ortstafeln und Amtsgebäuden in Gemeinden und Dörfern mit starker Minderheit sollten angebracht werden. Was kann das Österreich schaden? Jedermann, vor allem auch der Ausländer, würde aber sehen, daß auch in dieser materiell vielleicht unwichtigen, ansehensmäßig aber geradezu entscheidenden Frage Toleranz geübt und Entgegenkommen bekundet wird. In der Kärntner Schulfrage — im Burgenland gibt es auf diesem Gebiet so gut wie keine Klagen — ließe sich ohne Bruch des Elternrechts eine wesentliche Verbesserung der utra-quistischen Schule etwa nach dem burgenländischem Muster finden. Das erfordert freilich ein auch juristisches Neudurchdenken der ganzen Frage. Der Artikel 7 des Staatsvertrages müßte wenigstens bezüglich der Gerichtssprachenbestimmung seif executing sein, notfalls durch ein Bundesgesetz dazu erklärt werden, um der heute hiezu divergierenden Rechtssprechung ein Ende zu bereiten. Andernfalls müßten zwei weitere Gerichtssprengel in Kärnten und eine Reihe Gerichtssprengel im Burgenland gesetzlich als zweisprachig im Sinne des heutigen Kärntner Gerichtssprachengesetzes erklärt werden. Endlich müßte in geeigneter Weise die Minderheitssprache in Gemeinden wie Verwaltungsbezirken, in denen ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung in der letzten Volkszählung sich in irgendeiner Variante als der Minderheitssprachgruppe zugehörig bekannte, als äußere Amtssprache zugelassen werden, wofür es nach vorherrschender Verfassungsrechtslehre eines eigenen Gesetzes bedarf. Schließlich müßten die Burgenlandkroaten eigene, von ihnen gestaltete Rundfunksendungen zugebilligt bekommen.

Die heikle Frage der Mdnderhei-tenfeststellung, zu der gewiß noch manch anderes ebenfalls heikles Problem kommt, ließe sich, wenn der Gesetzgeber tatsächlich eine amtliche Minderheitenfeststellung als not wendig für weitere Durchführungsgesetze zum Staatsvertrag ansehen sollte, lösen, wenn man dabei von der Zielsetzung ausgeht, die Volksgruppe nicht so klein wie möglich zu halten, sondern umgekehrt. Da es wie dargestellt für das staatstragende Mehrheitsvolk in Österreich keinerlei Gefahr bedeuten und keine Rolle spielen kann, ob in Kärnten 5, 10 oder 15 Prozent der Gesamtbevölkerung als Minderheitszugehörige ermittelt werden — mehr können es ja nicht sein, mag man das Prinzip der objektiven Merkmale noch so großzügig anwenden — und da es auch im Burgenland nur um 10 bis ebenfalls höchstens 15 Prozent gehen kann, für ganz Österreich aber nur um die Frage, ob 0,8 oder höchstens 1,2 Prozent Angehörige der Volksgruppen und Sprachminderheiten gezählt werden, ist Großzügigkeit und ein echtes förderndes Nationalitätenrecht für Österreich keine Last, sondern müßte geradezu als eine beglückende Aufgabe im Sinne überlieferter Tradition angesehen werden.

Dabei kann man von anderen Staaten durchaus noch lernen. Als kaum überbietbar großzügig muß das finnische Nationalitätenrecht gelten, und zwar nicht nur wegen der Autonomie der Aland-Inseln mit ihrer rein schwedischen Bevölkerung85, sondern wegen der Regelung der Minderheitsrechte der Schweden und jetzt auch der Samen (Lappen)

im Binnenland. Diese Regelung ging in den letzten Jahren nicht ganz ohne Kampfsituationen ab. Die, nach Jahrzehnten erbitterten Kämpfe bis hin zu chauvinistischer Unterdrük-kung, 1948 von Dänemark dem Volk der Färinger auf den Färöern gewährte nationale Autonomie ist ein weiteres großartiges Beispiel, das sich übrigens in der Praxis ausgezeichnet bewährt und aus den Färin-gern eine dem Staat gegenüber absolut loyale Volksgruppe gemacht hat. Als ausgezeichnete Beispiele vorbildlicher Regelungen mit autonomen Einrichtungen der Volksgruppe in Misch- und Streulage können die Regelungen für die Sorben in der sogenannten DDR und für die Italiener in Jugoslawien86 auf Grund der Vereinbarungen vom 21. 1. 1965 gelten. Das deutsch-dänische Regierungsabkommen87 hat eine volle Befriedigung an dieser sonst so kampfumtosten Volkstumsgrenze geschaffen.

Zum Abschluß kann in diesem Zusammenhang nur wiederholt werden, was Bundeskanzler Dr. Josef Klaus , der übrigens der erste Fundeskanzler ist, der auf einer nationalslowenischen Kundgebung gesprochen hat, anläßlich der Staatsvertragsfeier 1965 des Volksrates der Kärntner Slowenen (Narodni Svet) am 9. Mai 1965 in Klagenfurt sagte88: „Wenn man Kärnten liebt, muß man es als ganzes lieben. Bei der Durchführung der im Staatsvertrag verankerten Minderheitenbestimmungen geht es um die Erhaltung der slawischen Volksgruppen. Dazu bekennein wir uns. — Na koroskem se stikajo trije kulturni svetovi: slovanski, ger-manski und romanski — Koroska naj bos Evropa v malern.“

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