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Was unter die Haut geht

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,,Volksbegehren sollte man nicht leìchtfertig einceiten"

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,,Volksbegehren sollte man nicht leìchtfertig einceiten"

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Es war um die Jahreswende 1963/64. Das Volksbegehren für einen unabhängigen Rundfunk erregte die Gemüter, ein Entwurf für ein neues Rundfunkgesetz stand bevor. Im Wiener Volkstheater endete die dazu von 1 leinz Petters in Johann Nestroys „Liebesg'schichten und Heiratssachen" gesungene aktuelle Couplet- Zusatzstrophe mit den skeptischen Zeilen: „... und dieser Entwurf geht dann ans Parlament - und die G'schicht hat ein End', und die G'schicht hat ein End'!"

Nun, damalige Volksbegehren hatten aber doch Wirkung: Das Rundfunk-Volksbegehren ergab den, leider nur sporadisch wirklich unabhängig agierenden, ORF, wenige Jahre später führte die Initiative gegen das 13. Schuljahr immerhin zum Rücktritt von Unterrichtsminister Theodor Pif-fl-Percevic, schließlich wurde auch die 40-Stunden-Woche verwirklicht. Aber seit damals machte so mancher, def als Proponent eines Volksbegehrens auf die Wallstatt sprengte, die bittere Erfahrung, daß seine Anliegen im Nationalrat auf der Strecke blieben. So wurde das bisher stimmenstärkste Volksbegehren (gegen den Bau des Konferenzzentrums bei der Wiener UNO-City 1982) vom damaligen Regierungschef Rruno Rreisky völlig ignoriert. Der Verlust der t absoluten SPÖ-Mehrheit bei den Nationalratswahlen 1983 dürfte kein Zufall gewesen sein.

Welches Los wird den beiden jüngsten Volksbegehren beschieden sein? Sie haben bei weitem' die 100.000 für eine parlamentarische Rehandlung nötigen Unterschriften übertroffen, und jeder Politiker wäre schlecht beraten, würde er sie kurzerhand beiseiteschieben. Wenn sich 1,226.551 Menschen zur Gentechnik beziehungsweise 644.977 Menschen in Sachen Gleichberechtigung der Frauen die Mühe machen, mit einem Lichtbildausweis einen meist weiter als das normale Wahllokal entfernten Ort aufzusuchen und dort offen für ein Anliegen zu unterschreiben, dann gehen sicher vielen von ihnen die angeschnittenen Themen unter die Haut.

Es mag auch viele Mitläufer geben, die wenig über die Fragen nachgedacht haben (aber das wird man mit Recht auch vielen NichtUnterzeichnern nachsagen können), doch das Gros der Volksbegehrer sollte man weder als politische Wirrköpfe noch als arme Dummchen, die auf eine Horrorpropaganda hereingefallen sind, hinstellen. Ängste und Sorgen so vieler hat eine verantwortungsvolle Politik nicht nur durch I Lippenbekenntnisse i ernst zu nehmen, auch wenn sie ihnen nicht in allem Rechnung tragen wird (und dafür Argumente hat, denn schließlich haben ja viele bewußt, und nicht nur aus Requemlichkeit, nicht unterschrieben).

Eines, was aus vielen Gesprächen - ähnlich wie beim seinerzeitigen „Kirchenvolks-Begehren" - herauszuhören ist, sollte nicht oft genug betont werden: Viele Unterzeichner identifizierten sich nicht hundertprozentig mit jedem Satz ihres Begehrens, wollten aber die grundlegende Richtung unterstützen, und viele Nicht-unterzeichner befürworteten durchaus einzelne Punkte, sahen sich aber nicht in der Lage, dem gesamten Text zuzustimmen. Insofern sollte und dürfte es der Politik nicht schwerfallen, jene Punkte, über die weitgehend Konsens besteht, rasch umzusetzen.

Insgesamt sind die Ergebnisse auf jeden Fall differenziert zu betrachten. Reide Initiativen haben Gewicht, aber jene gegen die Gentechnik deutlich mehr. Es ist natürlich erfahrungsgemäß leichter, gegen als für etwas Stimmung zu erzeugen, vor allem in Österreich. Doch obwohl sich das Gentechnik-Begehren besonderer Unterstützung durch die sonst verfeindeten Kleinformate erfreute, obwohl es Existenzfragen des Menschen (Was nehme ich an Nahrung zu mir? Wer verfügt über Leben?) berührte, übertraf es die Zahl der Unterschriften gegen das Konferenzzentrum nicht. Das Bonmot, Österreich werde von der „Kronen-Zeitung" regiert, ist falsch, obwohl man (vor allem aber auch „frau") den Einfluß solcher Medien nicht unterschätzen darf.

Dem Frauen-Volksbegehren fehlte eine Medienkampagne in diesem Ausmaß, es spiegelte weniger die Angst vor einer hereinbrechenden Entwicklung, sondern vielmehr den Aufbruch in eine neue Rollenverteilung wider, und es enthielt etliche Punkte, denen nicht nur Männer, sondern auch viele Frauen die breite Zustimmung versagten. Die 644.977 Unterschriften sind beachtlich, sie werden aber, auch wenn die Initiatorinnen jeden Vergleich herunterspielen, zwangsläufig nicht nur an schwächeren (Ausländer, Tierschutz), sondern auch an den bisher stärksten Volksbegehren (Konferenzzentrum, Fristenregelung) und am gleichzeitig durchgeführten Gentechnik-Begehren gemessen.

Nicht einmal letzteres darf mit unmittelbarer politischer Umsetzung rechnen. Umso mehr müssen die Frauen darauf gefaßt sein, daß ihre Anliegen auf die lange Bank geschoben werden. Ein solches Vorgehen könnte all jenen - und das sind nicht wenige -, die jüngst mit dem Instrument Volksbegehren geliebäugelt haben oder es noch tun (zum Beispiel gegen die Kirchen-und für eine Kultursteuer, für die Erhaltung des Sonntags, für die Einschränkung von zuviel Medienmacht in einzelnen Händen, für die steuerliche Besserstellung der Familien), einen leichten Dämpfer geben.

Aber Volksbegehren sollte man auch nicht leichtfertig und nicht aus parteipolitischem Kalkül, sondern nur in Fragen von existentieller Bedeutung einleiten. Doch besonders erfolgreiche Volksbegehren (diesmal unterschrieben immerhin 21,25 bezie hungsweise 11,17 Prozent der wahlberechtigten Österreicher) sollten nicht nur vom Wohlwollen der Parlamentarier abhängen.

Die zwingend vorgeschriebene Durchführung einer Volksabstimmung, wenn ein hoher Prozentsatz der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterschrieben hat, wäre ein sinnvoller Ausbau der direkten Demokratie. Und letztlich würde erst nach einem solchen Beferendum klar sein, wie der Souverän, das österreichische Volk, wirklich mehrheitlich zu einem Problem eingestellt ist.

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