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Was wäre, wenn...?

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Der Beschluß des Kabinetts Wilson, in Brüssel ein. neues Gesuch um den vollwertigen Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einzureichen, erfordert eine Prüfung der neuen Situation, fernab allen Illusionen. Wenn Frankreich seine Bedenken zurückstellen sollte, würden die neuen Verhandlungen Großbritanniens, wie man in Brüssel erklärte, zwei bis drei Jahre dauern, so daß unter Berücksichtigung der notwendigen Ratifikationen durch die sieben Parlamente eine Erweiterung der EWG im aliengünstigsten Fall gegen Ende 1970 in Kraft treten könnte. Dabei genießt Großbritannien natürlich den Vortritt vor Irland, Spanien, Dänemark und Norwegen. Aus der nächsten Umgebung de Gaules wurde die Reserviertheit des General-Präsidenten dahin präzisiert, das Kabinett Pompidou würde weitgehendes Verständnis für Konzessionen sekundärer Art bekunden, aber ein wachsamer Hüter der Verträge von Rom und Paris bleiben, sobald die Wünsche und Bedingungen Großbritanniens die Gefahr heraufbeschwören, daß sich der Gemeinsame Markt in eine Art Freihandelszone verwandelt. Die EWG hat das gefährliche Problem ihrer Beziehungen au Drittländern seit jeher verschleppt, weil ihre Mitglieder bisher niemals eine Annäherung ihrer Anschauungen und Bestrebungen erzielen konnten. Jetzt muß sich Brüssel aber nicht nur plötzlich mit zahlreichen Beitrittsgesuchen auseinandersetzen, sondern auch mit der Kennedy-Runde des GATT und ihren unvermeidlichen Folgen, die einen ungewöhnlich starken Druck ausüben sowie ganze neuartige Probleme gegenüber Amerika und den Entwicklungsländern aufrollen.

Letzten Endes handelt es sich um einen äußerst langwierigen Prozeß, die Spaltung des freien Europa in drei handelspolitische Gruppen zu überwinden und viele andere internationale Zollschranken allmählich abzubauen.

Unter diesen Umständen hört man die Frage: „Was wäre, wenn der Vertrag besonderer Art, den Österreich in Brüssel anstrebt, in allernächster Zeit nicht zum Abschluß gelangen, vor allem nicht den weitgespannten Hoffnungen der Maximallisten entsprechen würde?“ Bisher befaßte man sich nur mit handelspolitischen Themen, wobei schon beim Osthandel und den Agrarproblemen unerwartet Schwierigkeiten auftauchten. Für merito-rische Verhandlungen über das zentrale Problem — die Anerkennung und Berücksichtigung der Neutralität — Wurde der Hohen Kommission überhaupt noch kein Mandat erteilt; denn für Brüssel handelt es sich um einen Präzedenzfall, zugleich um das Schema für Schwede! und die Schweiz.

Natürlich können drohende Verluste in der EWG nicht ausschließlich mit Hilfe des Osthandels ausgeglichen werden, wohl aber durcl verstärkte Exporte nach der EFTA dem Ostblock und der überseeisch« Staatenwelt, besonders nach Nordamerika. Schon ein flüchtiger Bild auf die Handelsbilanz des Vorjahre enthüllte neue Kräfte, die von selbs nach dieser Richtung drängen.

„Importschwemme 1966“

Die Erhöhung der Importe (sieh&#171; Tabelle A) galt im Vorjahr als eii Menetekel, daß Österreich in ein< Gefahrenzone gertaten war. Trot: der hohen Zuwachsrate der EFTA getragen in erster Linie von Schweden und der Schweiz, erreichten dd< Bezüge aus der EWG noch immei 58,8 Prozent des Gesamtimportes wobei Westdeutschland kraft seine: günstigen geographischen Lage du inderen Mitglieder des Gemeinamen Marktes zurückdrängen :onnte. Die Entwicklung der Ost-mporte zeigte wiederum große Jnterschiede, die von Rumänien — 19 Prozent) über Rußland und 'olen bis zu Ungarn und Bulgarien

(+ 41 Prozent) reichten. Die Vereinigten Staaten beanspruchten die fünfte Stelle nach Großbritannien, aber vor Frankreich. An der Spitze der Warenorcfaunig standen Maschinen, besonders Bagger, Kühlschränke, Verladegeräte, Wasch-, Buchungs- und Lochkartenmaschinen mit rasch steigenden Tendenzen, ähnlich wie bei den chemischen Produkten Kunststoffe, Metalloxyde, Pharmazeutika und heterozyklische Verbindungen. Eine peinliche Belastung bildeten auch im Vorjahr 136.684 Automobile (4,06 Milliarden Schilling, + 17 Prozent)! Textilien wurden von der Entwicklung der Garne beherrscht, weil Gewebe gegensätzlichen Tendenzen unterlagen. Weitere Erhöhungen ruhten bei elektrischen Apparaten auf Kochplatten, Staubsaugern und Rundfunkgeräten, bei Eisen und Stahl auf Weißblech, Ferrochrom und dickwandigen Rohren, bei Erdölprodukten auf Benzin und Schmieröl, bei NE-Metallen auf Silber und Kupfer, bei Erzen und Schrott ausschließlich auf NE-Erzen. Namhafte Beträge entfielen bei Metallwaren auf Bolzen, Beschläge und Haushaltsartikel, bei Feinmechanik auf Uhren, Meß- und Kontrollgeräte. Die höchsten Zuwachsraten erzielten Weine, Klei-dunig, Schuhwaren, infolge des Rückgangs der Schweinebestände auch lebende Tiere, vor allem jedoch Rohöl (+ 70 Prozent). Stabil blieben nur die Bezüge von Koks und natürlichen Düngemitteln. Verluste buchten dagegen Mais, Gerste, Obst und Gemüse, Fische, Baumwolle, Pflanzenöl, Steinkohle und landwirtschaftliche Traktoren.

Die Exporte (siehe Tabelle B) nahmen mit einer Zuwachsrate von 5 Prozent eine relativ günstige Entwicklung, allerdings mit einer auffallenden Erhöhung nach den Staaten der EFTA (+ 16 Prozent), während die Lieferungen nach der EWG (+ 1 Prozent) wegen der Diskriminierung bereits in eine Stagnation gerieten. Besondere Erwähnung verdient die Expansion der Exporte nach der Schweiz, Großbritannien und den Vereinigten Staaten, nach Schweden (+ 20 Prozent), Kanada (+ 23 Prozent) und Spanien (+ 31 Prozent), Hinweise genug, um die Richtung zu erkennen, in der Handel und Industrie dankbare Absatzmärkte finden. Da die Pflege eines selbständigen Osthandels zu den wichtigsten Staatsaufgaben gehört, kann auch niemand übersehen, daß die Exporte nach Polen um 12, nach der Tschechoslowakei um 18 und nach Rumä-

nien um 19 Prozent gestiegen sind. Der Beschluß der Vereinten Nationen, den Sitz der UNIDO — der neuen Organisation für den industriellen Aufbau der Entwicklungsländer — nach Wien zu verlegen, bietet zahlreiche Möglichkeiten zum Ausbau der direkten Kontakte mit vielen Ländern Asiens, Afrikas und Südamerikas.

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