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Wegen „vorschriftswidrigen Verhaltens..

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Als nächstes schaffte die sudanesische Regierung in den Südprovinzen des Landes, die, zum Unterschied vom arabischen Norden, von Negerstämmen bewohnt werden, den christlichen Sonntag als Feiertag ab und setzte an seiner Statt den Freitag, den mohammedanischen Feiertag, als arbeitsfreien Tag ein. Dies, obwohl unter den drei Millionen Einwohnern des Süd-Sudans mehr als 400.000 Christen und nur 40.000 Mohammedaner leben und in manchen Gebieten der Anteil der katholischen Bevölkerung bis zu 70 Prozent beträgt.

Mitte 1960 waren es bereits 20 katholische Missionare, die das Land hatten verlassen müssen. Um diese Ausweisungen gegenüber der Bevölkerung zu begründen, ging man in verschiedenen Fällen sogar soweit, daß man Priester wegen „vorschriftswidrigen Verhaltens im Straßenverkehr“ als für das Land unerwünscht bezeichnete.

Als alle diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg zeitigten, verstärkte die Regierung 1960 ihre antichristliche Kampagne. Da nach dem Verbot der christlichen Schulen und der öffentlichen Lehrtätigkeit der Missionare christliche Bücher und Schriften zu einem wichtigen Mis-sionierungsmittel geworden waren, ordneten die Behörden die Schließung sämtlicher christlicher Buchläden und Schriftenstände an. Den Stammeshäuptlingen wurde nahegelegt, im Interesse der nationalen und religiösen Einheit zum Islam überzutreten.

Zum entscheidenden Schritt gegen das Christentum im Sudan sollte schließlich ein neues Gesetz, der sogenannte „Missionary Societies Act 1962“, werden. Dieses Gesetz beschränkte unter dem Mantel der Legalität die Tätigkeit der christlichen Konfessionen im Sudan auf ein Minimum. Unter anderem wurde bestimmt, daß künftig nur mehr Kinder christlicher Eltern die Taufe empfangen dürften, wobei — wie bisher — auch dazu eine besondere polizeiliche Genehmigung auf Grund einer schriftlichen Eingabe erforderlich ist. Priester dürfen nach dem Missionsgesetz nur mehr in eng abgegrenzten Gebieten missionieren. Der Grundbesitz der Kirche und das persönliche Eigentum der Missionare ist der strengen Kontrolle durch den Staat unterworfen.

In den Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz, die kurz darauf erlassen wurden, faßte man die christenfeindlichen Verfügungen noch strenger. Im zweiten Paragraph dieser „Regutations“ heißt es wörtlich: „Die Missionare dürfen keinerlei erzieherische, ärztliche, landwirtschaftliche, kommerzielle oder industrielle Tätigkeit ausüben. Außerdem ist ihnen die Veröffentlichung und Verbreitung von Zeitungen, Broschüren, Büchern, Schallplatten oder Bandaufnahmen untersagt, ebenso die Vorführung von Filmen, sofern sie nicht vom zuständigen Minister genehmigt wurden.“

Weiters wurden Reparaturen an den Missionsstationen von der Bewilligung eigener, oft Hunderte von Kilometern entfernter Büros abhängig gemacht. Priesterversetzungen, die überdies nur innerhalb eines sehr beschränkten Gebietes vorgenommen werden dürfen, müssen ein Jahr vorher den Behörden zur Bewilligung gemeldet werden. Durch diese Maßnahme wurde es praktisch unmöglich, Missionsstationen, deren Priester das Land verlassen mußten, neu zu besetzen.

Der inzwischen offene Kampf gegen das Christentum im Süd-Sudan verschärfte sich — gestützt durch die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen — in den letzten zwei Jahren immer mehr. Hatte man bisher irgendeinen Vorwand für die Ausweisungen gesucht und etwa erklärt, die ausländischen „Lehrpersonen“ (sie stellten im übrigen unter den Ausgewiesenen nur eine Minderheit dar) würden nach der Verstaatlichung der Schulen nicht mehr benötigt, so gab man seit dem Vorjahr zumeist überhaupt keine Begründung mehr für die sich mehrenden Ausweisungen an. Bis Anfang 1963 wurden insgesamt 130 christliche Missionare des Landes verwiesen, öffentlich erklärte ein Beamter des sudanesischen Innenministeriums: „Dieses Land soll und wird mohammedanisch werden.“

Das Ziel des „einen Landes, einen Volkes, einer Sprache und einer Religion“ wurde von den Behörden mit aller Macht verfolgt. Rund 30.000 Menschen wurden im Süd-Sudan in Gefängnissen festgehalten. Zehntausende weitere kamen als Flüchtlinge in die Nachbarstaaten des Sudans.

Die religiöse und rassische Diskriminierung der Negerbevölkerung im Süd-Sudan durch die acht Millionen nordsudanesischer Araber hatte zu Beginn des vergangenen Jahres schließlich die Aufmerksamkeit internationaler Körperschaften auf die Zustände im Sudan gelenkt. Der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen wurde auf ihrer in Genf tagenden 19. Tagung ein Memorandum über die Religionsverfolgung im Süd-Sudan unterbreitet. Auch die Internationale Union der katholischen Presse beschloß eine Protestresolution gegen die Unterdrückungsmaßnahmen der sudanesischen Regierung.

Diese Proteste in der internationalen Öffentlichkeit blieben im Sudan selbst nicht ohne Wirkung. Eine Zeitlang unterblieben weitere Ausweisungen von Missionaren. Die sudanesische Regierung beeilte sich, durch ihre Botschaft in Washington die Berichte von einer massiven Religionsverfolgung im Süd-Sudan dementieren und erklären zu lassen, daß sich jedermann im Sudan einer „allgemeinen Religionsfreiheit“ erfreue. Gegen Elemente, die gegen den Staat konspirierten, müsse allerdings vorgegangen werden.

Die „Aufruhrer“ und „Verschwörer“, gegen die „vorgegangen“ werden mußte, waren in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres besonders die katholischen Laien, da man angesichts der Reaktion der Weltöffentlichkeit weitere Ausweisungen von Missionaren zumindest für einen gewissen Zeitraum vermeiden wollte. Der Strom an Flüchtlingen schwoll weiter an. Hunderte von Hütten wurden auf Anordnung des Verteidigungsministeriums verbrannt, um Flüchtlingshelfer zu bestrafen. Als Maßregel gegen diejenigen, die dem „Landesinteresse Schaden zufügen“, wurden insgesamt 500.000 Stück Vieh beschlagnahmt.

Als sich die Situation in den Südprovinzen des Sudans so verschärfte, daß Beobachter das Ausbrechen eines offenen Aufruhrs für möglich hielten, wollte die sudanesische Regierung offenbar die unangenehmen Zeugen der gewalttätigen Unterdrückungsmaßnahmen im Süd-Sudan unter allen Umständen abschieben. So kam es dazu, daß in den letzten Wochen rund 350 katholische und protestantische Missionare in größter Eile das Land verlassen mußten. Am 24. März waren es nur mehr 21 katholische Priester, die. mehr als 400.000 Katholiken im Süd-Sudan zu betreuen hatten.

Angesichts der in der sogenannten „freien Welt“ in diesem Ausmaß einzig dastehenden Religionsverfolgung muß die Behauptung, die Missionare säten „Haß, Aufruhr, Unzufriedenheit und Feindseligkeit“, geradezu als Herausforderung wirken. Die Missionare selbst stellten den Sachverhalt vor der Weltöffentlichkeit eindeutig klar, als 130 von ihnen darunter zwei Oberhirten, folgende Erklärung veröffentlichten:

„Wir katholischen Missionare, die auf Grund einer Entscheidung der Regierung von Khartum vom 26. Februar 1964 aus dem Sudan ausgewiesen wurden, erklären: Der Grund, warum uns die sudanesische Regierung aus dem Land entfernt und warum sie den ausländischen Geschäftsleuten, die sich noch im Sudan befinden, strenge Bewegungsbeschränkungen auferlegt hat, ist darin zu suchen, daß sie keine Zeugen der gewaltsamen Unterdrückungsmaßnahmen und Repressalien wünscht... Wir, die wir Afrika leidenschaftlich geliebt und den Afrikanern unser Leben und unsere Güter aufrichtig und selbstlos gewidmet haben, rufen die afrikanischen Staaten auf, ihr Ohr nicht dem flehentlichen Ruf ihrer schwarzen Brüder, die in tödlicher Gefahr sind, zu verschließen ..

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