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Welser Messe — motorisiert

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Am 1. September eröffnete die Zentral-Landwirtschaftsmesse Wels bei traditionell schönem Wetter. Diese Leistungsschau der Industrie ist heute weit mehr als ein Volksfest, als das es früher mehr oder weniger angesehen wurde. Aber auch die Bezeichnung „Landwirtschaftsmesse“ sagt nicht alles aus. Hier handelt es sich vielmehr um eine wirklich gut beschickte Industriemesse, die natürlich einen großen Sektor Landwirtschaft aufzuweisen hat. Es werden alle Arten von Maschinen gezeigt, wie etwa Rechenmaschinen, Schreibmaschinen usw., aber auch Kraftfahrzeuge und deren Zubehör, letztere allerdings in nicht allzu großem Rahmen. Die Welser Messe ist heute in mancher Beziehung unbedingt von Bedeutung, und man möchte sie in vielem der Wiener Messe gleichstellen.

Die Beschickung des Kraftfahrzeugsektors der Welser Messe ist hier natürlich vor allem interessant. Als größte Motorradfabrik stellte selbstverständlich Puch das gesamte Programm aus, und zwar angefangen vom Moped über den Roller bis zur 250-ccm-Maschine. Für ein Motorradwerk mag die Welser Messe von größerer Bedeutung sein als sonst eine dieser Art, da das Motorrad in der Großstadt an Bedeutung zwar etwas verloren hat, auf dem Lande jedoch vielfach das ideale Fortbewegungsmittel ist. Dies allein schon bedingt durch die Tatsache, daß in etwas von der Hauptstraße abgelegenen Ortschaften die Verkehrsverhältnisse wesentlich weniger angespannt sind, wodurch auch noch die Gefährdung des Fahrers wesentlich abnimmt. Dazu kommt noch, daß der Landbewohner sich gegen schlechte Witterung wesentlich unempfindlicher zeigt und außerdem bei ihm nicht so sehr die Notwendigkeit besteht, geschäftliche Erledigungen in ausgesprochen guter Kleidung durchzuführen. Aber auch die Naturverbundenheit ist vielleicht ein wesentlicher Faktor für die Tatsache, daß Motorräder und Mopeds gerade auf dem Lande noch immer unverändert gefragt sind. Nicht zuletzt ist hierfür maßgebend, daß es eine ganze Reihe von Feldwegen, Waldstraßen und Karrenwegen gibt, die mit einem Automobil schlecht oder gar nicht befahrbar sind, während sie mit Hilfe eines Motorrades ohne jegliche Schwierigkeiten bewältigt werden können. Einfache Wartung, billige Anschaffung und billige Erhaltung sind weitere Momente, die für die Landbevölkerung bei der Wahl eines Kraftfahrzeuges maßgeblich sind. All diese Ueber-legungen dürften auch andere Erzeugerfirmen dieser Sparte, wie etwa L o h n e r, die Firma K ö n i g e r mit ihren fast sämtlichen vertretenen deutschen Maschinen und natürlich auch die Mopederzeuger dazu bewogen haben, innerhalb großer Stände auszustellen. Die Firma Königer brachte sogar eine absolute Novität, die anläßlich der Internationalen Kraftfahrzeugausstellung dieses Jahres noch nicht gezeigt worden war, nämlich den Triumphroller „Tessy“. Es ist dies ein sehr hübsch gebauter 125-ccm-Roller, dessen Karosserie selbsttragend ist. Dieser Roller verfügt über einen gebläseluftgekühlten Motor, der eine Leistung von 5,7 PS abgibt. Der Verbrauch liegt, wie wir erfahren, bei 2,4 Liter auf 100 km. Der gesamte Triebwerkblock ist in einem gesonderten Triebwerk-träger in Gummi aufgehängt, wodurch die

Uebertragung der Motorvibrationen auf die Karosserie unterbunden wird. Selbstverständlich i$t bei einer so modernen Rollerkonstruktion, wie sie die „Tessy“ darstellt, ein großvolumiger Ansauggeräuschdämpfer. Drei parallelgeschaltete Auspufftöpfe dämpfen die Auspuffgeräusche auf ein Minimum. Vor der Blechschürze weist das Fahrzeug noch einen Gepäcksträger auf, der bei jedwedem Transport von Gütern sicherlich als angenehm empfunden wird. Alle Teile dieses Fahrzeuges sind sehr gut zugänglich. Der Preis beträgt 12.000 S.

Aber nicht nur die Motorrad-, sondern auch die Zubehörindustrie konnte mit einigen interessanten Dingen aufwarten. So stellte die Firma Z a a r ihr gesamtes Reifen- und Zündkerzenprogramm aus. Vor allem war hier natürlich der von der Schweizer Firma Palas General Pneu herausgebrachte Schneereifen bemerkenswert, der bereits auf eine ganze Reihe von Erfolgen bei Sportveranstaltungen zurückblicken kann. So wurden 1952 beim Monte-Carlo-Rallye zehn Pallas-General Winterpneus verwendet, während es heute bereits 160 sind. Die besondere Profilgestaltung dieses Schneereifens weist mehrere beachtliche Vorteile auf. Die massiven Querelemente wirken wie Zahnbalken und übertragen maximale Traktionskraft. Die Zahnabstände sind so gehalten, daß sie einerseits selbstreinigend sind, wodurch eine stetige sichere Straßenhaltung garantiert erscheint, anderseits keinerlei Trommeleffekte aufweisen, so daß er auch auf vollkommen trockener und schneefreier Straße geräuschlos läuft und keinerlei Vibrationen in das Fahrgestell trägt, wodurch er eigentlich den Charakter eines normalen Reifens aufweist. Selbstverständlich ist eine gute Längsführung durch entsprechende Profilgestaltung, die jedoch durch die asymmetrisch versetzten Stollen auch eine besondere

Querstabilität des Pneus und damit sichere Straßenhaltung des Fahrzeuges garantieren. Wir wollen uns hier jedoch mit diesem Spezialreifen nicht so sehr auseinandersetzen, obwohl es allmählich Zeit wird, sich auch über diese Probleme den Kopf zu zerbrechen. In einer der nächsten Nummern der „Furche“ werden wir jedoch zeitgerecht vor Eintritt des Winters Erläuterungen zu diesem wichtigen Kapitel der Kraftfahrt bringen.

Interessanterweise stellte die Firma Zaar innerhalb der Welser Messe auch ein Schweizer Motorboot aus, das von bekannten Bootsbauern, nämlich den Brüdern Padrazzini, gefertigt wird. Dieses wunderschöne, dreisitzige Boot der Type Super Leggera war eine wirkliche Attraktion der Ausstellung. Man konnte stets einen Ring von Neugierigen diesen Außenborder betrachten sehen. Gerade in Oberösterreich und Salzburg ist der Motorbootsport heute sehr gefragt. Das Boot wurde denn auch gleich am Eröffnungstag verkauft. Dieses speziell gefertigte Erzeugnis wiegt 108 kg und erreicht mit einem Johnson-Außenbordmotor von 30 PS rund 65 km/h. Die Ausführung ist erstklassig, die Form gekonnt und elegant. Boot und Motor zusammen wiegen rund 150 kg.

R o t a x stellte innerhalb der Kraftfahrzeugschau sein Motorprogramm aus, das heißt die Firma zeigte ihre Fahrzeug- und Stationärmotoren. Namentlich letztere dürften für die Landbevölkerung von Interesse sein, da innerhalb der Landwirtschaft nicht nur Elektromotoren Verwendung finden, sondern dort auch der Benzinmotor eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen hat.

Ein sehr interessantes Gerät für die Landwirtschaft ist aber auch eine Vorrichtung, die den Deichselschlag weitestgehend zu verhindern bzw. abzufangen in der Lage ist. Bekanntlich entsteht der Deichselschlag dadurch, daß eines der beiden Vorderräder eines Wagens entweder an ein Hindernis anstößt oder in ein Loch in der Straße fällt, wodurch der Rollwiderstand eine Veränderung erfährt. Die Folge davon ist ein schlagartiges Ausschwingen der Deichsel. Dieser Deichselschlag läßt sich nunmehr dadurch stark abschwächen, daß die neue Einrichtung im Drehkranz der gelenkten Vorderachse eingebaut ist. Dies dergestalt, daß die Kranzlagerung Stoßdämpferfedern besitzt, die stoßfangend wirken. Die Verhinderung der Erscheinung des Deichselschlages ist nicht nur für Pferdewagen von Bedeutung, sondern namentlich bei drehschemel-gelenkten Anhängern für Traktoren, da hier die Geschwindigkeiten und somit der Deichselschlag wesentlich härter sind als beim Pferdegespann. Wie wir erfahren konnten, bewährt sich diese Einrichtung ausgezeichnet bis zu Geschwindigkeiten von 20—25 km/h. Herausgebracht wurde dieser neue Segmentlenkkranz von der Firma Rothe Erde G. m. b. H., Dortmund

Prinzipiell wurde die Welser Messe außer mit

Motorrädern, Rollern und Mopeds nur mit Nutzkraftwagen und Traktoren beschickt. Einzig und allein die Firma IFA stellte ihr gesamtes Programm aus, beginnend mit dem neuen P 70, der wegen seiner Plastikkarosserie und seiner sehr günstigen Innenraumverhältnisse, nicht zuletzt aber auch wegen seines niedrigen Preises großen Anreiz ausübte, über den F 9 bis zum Wartburg, sowie das Lkw.-Programm mit Framo und Phänomen.

Wie bei jeder ähnlichen Großschau war die Halle, in der die Kraftfahrzeuge gezeigt wurden, gleich am ersten Ausstellungstag von den Messebesuchern stark frequentiert. Besonders die Landbevölkerung, die nun allmählich auch an eine private Motorisierung denken kann, die nicht ausschließlich zweckgebunden ist, hat für das Gebotene noch mehr übrig als der Städter, der doch immerhin Gelegenheit hat, sämtliche Fahrzeuge, die ihn ansprechen, entweder in der diesbezüglichen Vertretung oder auf der Straße näher zu betrachten. Die Welser Messe ist durchaus in großem Rahmen veranstaltet und findet auch entsprechend lebhaften Anklang.

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