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Weltbank und Währungsfonds

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Vom 18. bis 22. September findet in Wien die Jahresversammlung der sogenannten „Bretton Woods Institute“ statt, des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Beide Institutionen, vor allem aber der Internationale Währungsfonds, stehen nur selten im Rampenlicht der internationalen politischen Diskussion, ihre Tätigkeit und ihr Aufgabenbereich liefern kaum fette Schlagzeilen. Ohne grobe Vereinfachungen lassen sich die Probleme, um die es geht, nur schwer populär darstellen. Das heißt aber nicht, daß es sich um Fragen von zweitrangiger Bedeutung handelt, im Gegenteil, ob die internationale Währungsordnung funktioniert oder nicht und wie sie konstruiert ist, hat vielfach für jedermann eine unmittelbarere Bedeutung als andere, erstrangig erscheinende Probleme.

Das Abkommen über den Internationalen Währungsfonds wurde am 22. Juli 1944 von Vertretern aus 44 Staaten in Bretton Woods, USA, nach langen Beratungen unterzeichnet. Der Internationalen Währungskonferenz lagen zwei Pläne vor, der eine stammte von dem berühmten britischen Nationalökonomen John M. K e y n e s, der andere von dem amerikanischen Ökonomen D. H. White. Die Vorschläge von Keynes und White, die für die Nachkriegszeit internationale Vereinbarungen über eine internationale Währungsordnung vorsahen, hatten ihre Wurzeln in einem politischen Programm, das von der Erkenntnis ausging, daß die wirtschaftliche Seite des Friedens nicht weniger wichtig als die politische und eine dauerhafte politische Ordnurtg ohne eine wachsende und florierende Wirtschaft unmöglich sei. Ebenso spielte die Überzeugung eine große Rolle, daß eine wirtschaftliche Katastrophe wie die der dreißiger Jahre in Zukunft verhindert werden müsse. Die internationale währungspolitische Zusammenarbeit sollte daher durch eine stähdigTr J’hlhitutiori, 1 den Internationalen •Wäbrungsforidsn’gif ordert!: werden. Der Fonds soll’nach den’Zielen des Abkommens die technischen Einrichtungen zur Beratung und Kooperation der internationalen Währungsprobleme schaffen, den internationalen Handel fördern, die Stabilität der Währungen sichern, mit seiner Hilfe soll ein multilaterales Zahlungssystem errichtet werden.

Der Hauptbestandteil des Abkommens ist die Verpflichtung aller beteiligten Staaten, „Zahlungen und Überweisungen für laufende internationale Transaktionen“ nicht zu beschränken, das bedeutet, daß ein freier internationaler Zahlungsverkehr sichergestellt werden soll. Das Abkommen sieht weiter vor, daß grundsätzlich unveränderliche, stabile Wechselkurse festgesetzt werden. Die Parität der Währung eines jeden Mitgliedes wird in Gold als Generalnenner oder in US-Dollar ausgedrückt. Mit dieser Bestimmung folgt das Abkommen den Vorschlägen von White, für den das Gold im Sinne der klassischen Nationalökonomie die Grundlage und das Instrument des internationalen Zahlungsverkehrs ist. Keynes hingegen sah im internationalen Zahlungsverkehr weniger eine Funktion des Goldes, sondern ihm ging e um einen funktionierenden Verrechnungsmechanismus. Der Schweizer Nationalökonom Bachmann charakterisierte trefflich den Unterschied in der Auffassungen der beiden Volkswirtschaftler:

,,Interessenmäßig entspricht de White-Plan der Lage eines übe große Goldreserven verfügendet Gläubigerlandes, während der Key nes-Plan den Gesichtspunkt eine gold- und devisenarmen Landes zu Geltung bringt. Die Notwendigkeit einen neuen internationalen Zah lungsverkehr aufzubauen, liegt ii gleicher Weise beiden Plänen zu gründe. Der White-Plan aber bring eine Lösung, welche die Vorzugs Stellung von gold- und devisen reichen Ländern voll in Erscheinun treten läßt und neu zu sichern vet sucht, wogegen der Keynes-Pla einen Mechanismus vorschlägt, i welchem dem Goldbesitz und de internationalen Gläubigerpositione i eine untergeordnete Bedeutung zu kommen würde. Es handelt sich dabei zunächst um wirtschaftlicht Vor- und Nachteile, darüber hinau: jedoch um wirtschaftliche, uni : schließlich um politische Macht.“

Für jedes Mitgliedsland des Inter- [ nationalen Währungsfonds wurde eine . Quote festgesetzt, die grundsätzlich zu 25 Prozent in Gold und zu 75 Prozent grundsätzlich in der Währung des ! einzahlenden Landes zur Verfügung ; gestellt werden muß. Sollte die be- . treffende Währung nicht gefragt sein p so ist die Einzahlung in Schuldver- , Schreibungen vorzunehmen. Weitei ; kann sich der Fonds zusätzliche, di ‘ einzelnen Quoten übersteigende Mit- , tel entweder durch Kauf von benötig- ten Währungseinheiten gegen Golc aus seinen Beständen oder durch Aufnahme von Darlehen beschaffen.

Diese „Manövriermasse" des Internationalen Währungsfonds dient dazu um Ländern, die in Zahlungsbilanzschwierigkeiten geraten sind, zu derer Überbrückung Mittel zur Verfügung zu stellen.

Änderung oder Verbesserung?

1 ln den letzten Jahren-hat sich abei ‘ die Weltwährungssituation gegenübei der ersten Nachkriegszeit grundlegenc ‘ geändert, so daß manchem Währungs experten die derzeitige Konstruktior : des Internationalen Währungsfond: 1 ungenügend erscheint und radikali 1 Änderungspläne vorgeschlagen werden ‘ Andere Volkswirtschaften wiede : glauben, (laß mit einer Verbesserung der derzeitigen Konstruktion das Aus langen gefunden würde. Die Meinun ‘ gen gehen hier weit auseinander um ‘ reichen von Vorschlägen, die auf eim ‘ Wiedereinführung der Goldwährun]

abzielen, bis zur Errichtung eine J internationalen Verrechnungsmecha : nismus mit einer internationale!

„Verrechnungswährung“, wie dies be : reits 1943 von Keynes- vorgeschlagei wurde.

Der unmittelbare Anlaß für diesi . Diskussion ist die Tatsache, daß di . Zahlungsbilanzen der sogenannten Re . servewährungsländer, in erster Lini. , der Vereinigten Staaten von Amerika r aber auch Großbritanniens, seit eini gen Jahren passiv sind, die Zahlungs j bilanzen verschiedener europäische Länder, vor allem der Bundesrepublil Deutschland, andauernd Überschüss’ aufweisen. Das hat für die bestehend’ ‘ internationale Währungsordnung weit reichende Konsequenzen: Der Dolla ist — darauf zielt ja auch das Abkom men über den Internationalen Wäh rungsfonds ab — die wichtigste so r genannte „Reservewährung“ der Welt

Die offiziellen Devisenreserven de einzelnen Notenbanken und Regie ; rungen werden zu einem guten Tei 5 in Dollar gehalten, und zwar in de Regel in Form von Dollarguthaben ii den USA, aber auch private Fremd währungsbestände, die seit der Ein führung der Konvertibilität in zuneh mendem Maße entstehen, werde: häufig in Form von Dollarguthabe: gehalten. Diese ausländischen Dollar guthaben in den USA betragen zu Zeit etwa 18 Milliarden Dollar, di kurzfristige Verschuldung der USV gegenüber dem Ausland ist daher be achtlich.

Das „heiße Geld“

Das ständige Zahlungsbilanzpas sivum der USA bedeutet aber, da der Dollar auf den internationalen Devisenmärkten zur Schwäche neigt. Das wieder kann dazu führen, daß die kurzfristigen Dollarguthaben abgezogen oder, dies ist nur für Notenbanken und Regierungen möglich, in Gold umgetauscht werden und so die Goldreserve der USA schmälern. Es ist zwar nicht wahrscheinlich, daß die Notenbanken der einzelnen Staaten, die einen Teil ihrer Währungsreserven kurzfristig in Dollar angelegt haben, sie rasch panikartig abziehen,

denn gerade diese Solidarität der Notenbanken und ihre internationale Zusammenarbeit, die in dieser Form in den dreißiger Jahren unbekannt war, ist einer der stärksten Pfeiler für das Funktionieren der internationalen Währungsordnung. Aber schon die privaten Besitzer von Dollarguthaben (Ausländer) können schwer dazu verhalten werden, ihre Dollar nicht rasch in andere Währungen umzutauschen, wenn sie meinen, daß ihnen dies Gewinn oder höhere Sicherheit bietet. Diese Dispositionen mit „heißem Geld“ haben nun einen recht erheblichen Einfluß auf die Lage der internationalen Devisenmärkte, da sie die Gestaltung der Devisenkurse oft stark beeinflussen, und zum Beispiel für den Fall, daß der Dollar international zur Schwäche neigt, diese Schwächetendenz durch einen Um tausch ihrer Dollar in eine andere Währung oft verstärken. In den letzten Jahren konnte dies sehr oft beobachtet werden.

Etliche Währungsfachleute sind nun der Ansicht, daß diese Situation für eine zureichende internationale Liquidität ein bedeutendes Gefahrenmoment in sich birgt: denn, sicherlich nicht zu Unrecht, wird angenommen, daß die USA sich bemühen werden, von ihrer passiven Zahlungsbilanz wegzukommen, das aber würde be deuten, daß die Hauptquelle für die internationale Liquidität versiegen würde. Ähnlich liegen die Dinge in Großbritannien. Die Neuproduktion von Gold reicht aber nicht aus — gemessen am Wachstum des internationalen Warenaustausches —, eine genügende internationale Liquidität zu sichern. Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, schlagen daher Nationalökonomen von Rang, wie der Amerikaner Robert Triffin und der Brite Sir Roy Harrod, ein neues internationales Währungssystem vor, das auf einer internationalen Verrechnungswährung aufbaut und in seinen Grundzügen den Vorschlägen von Keynes entspricht. Freilich, eines darf nicht übersehen werden: Eine grundlegende Änderung des derzeitigen internationalen Währungssystems würde wahrscheinlich in der Welt den Eindruck entstehen lassen, als hätte der Dollar seine Funktion als wichtigste internationale Reservewährung verloren, und die USA hätten aus Schwäche von der derzeitigen Konstruktion des Internationalen Währungsfonds. die von ihnen auf der Konferenz von Bretton Woods durchgesetzt wurde, abgehen müssen. Daher dürfte eine grundlegende Änderung der Konstruktion des Fonds in absehbarer Zeit nicht erfolgen.

Weniger weitgehende Vorschläge für eine Reform des Internationalen Währungsfonds zielen darauf ab, daß verschiedene Industrieländer dem Internationalen Währungsfonds neben den offiziellen Quoten noch sogenannte Stand-by- (Beistands-) Kredite einräumen, um die Manövriermasse des Fonds zu stärken. Auch die

Empfehlung an die Reservewährungsländer USA und Großbritannien, sie sollten Guthaben in anderen wichtigen konvertiblen Währungen aufbauen — etwa in D-Mark —, dürfte ihre Position stärken. Ebenso könnte sich der Vorschlag, daß Länder mit konvertiblen Währungen, einschließlich den USA und Großbritanniens, auf allen Guthaben in ihrer Währung, die durch ausländische Notenbanken oder Regierungen gehalten werden, eine Goldgarantie ausstellen sollen, als Stabilisierungselement bewähren.

Koordinierung zweier „Politiken“?

Das Problem einer Reform der internationalen Währungsordnung wirft aber nicht nur technische Fragen, wie die Änderungen oder Verbesserungen der Konstruktion des Internationalen Währungsfonds, auf, sondern auch wesentliche wirtschaftspolitische Probleme. Es ist einleuchtend, daß das Zahlungsbilanzproblem und die Frage der internationalen Liquidität nicht nur international oder vom zahlungstechnischen Standpunkt aus gesehen werden können, sondern erhebliche konjunkturpolitische Bedeutung haben. Die entscheidende Frage der Koordinierung von Zahlungsbilanz- und Konjunkturpolitik taucht auf. Alle Änderungsvorschläge für die internationale Währungsordnung gehen offenbar — wenn auch unausgesprochen — von der These aus, daß ein Konflikt zwischen Zahlungsbilanz- und Konjunkturpolitik herrscht, vor allem die beiden klassischen Fälle, Depressionsländer mit Zahlungsbilanzdefizit und Hochkonjunkturländer mit Zahlungsbilanzüberschüssen, werden unter dem Gesichtspunkt dieses Dilemmas gesehen. Wie aber neuere wirtschaftswissenschaftliche Forschungen ergeben haben, dürfte dieser Konflikt nicht so groß sein, wie er bisher angenommen wurde.

Die Jahresversammlung des Internationalen Währungsfonds wird sich mit allen diesen Fragen zu befassen haben, und es wäre sehr zu wünschen, wenn die Diskussionen zu einer Klärung der Standpunkte beitragen könnten. Wenn auch die Fragen der internationalen Währungsordnung scheinbar nur am Rande des internationalen Geschehens liegen, haben sie doch, das kann nicht oft genug betont werden, eine politische Bedeutung, die gar nicht hoch genug veranschlagt werden kann.

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