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Wenig Hoffnung für Nahost

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UN-Vermittler Gunnar Jarring, der zurückzutreten entschlossen schien, kehrte bekanntlich in sein zyprisches Hauptquartier zurück und verhandelt wieder mit den Regierungen in Jerusalem, Amman und Kairo. In Moskau kam es zwischen den Vertretern der Großmächte zu ersten Kontakten über eine Nahostlösung. Weder die USA noch die Sowjetunion wünschen einen weiteren arabisch-israelischen Krieg. Israel bekam als neuen Ministerpräsidenten nicht den „starken Mann“ Mosche Dajan, sondern die konziliantere ehemalige Außen-ministerin Golda Meir. Weder der Uberfall auf ein israelisches Verkehrsflugzeug auf dem Zürcher Flugplatz Kloten noch die unaufhörlichen Feuergefechte am Jordan und am Suezkanal noch der zunehmende Guerillaterror in den besetzten Gebieten und in Israel selbst führten bislang zu den befürchteten massiven Vergeltungsschlägen. Die Besatzungsbehörden versuchen es mit beharrlicher Überredung und begrenzter Gegenwehr. Der ägyptische Außenminister Machmut Riad beendete eine Rundreise durch die arabischen Hauptstädte; er warb bei den Bruderregierungen für eine gemeinsame Haltung zu der erwarteten Viermächteinitiative. In Kairo tagten bis gestern die Außenminister der Ligastaaten zu demselben Zweck. Das alles berechtigt nur scheinbar zu gewissen Friedenshoffnungen. In Wirklichkeit bestehen ein und ein dreiviertel Jahre nach dem Sechstage-kräeg keinerlei Aussichten auf eine friedliche Verständigung zwischen Arabern und Israelis. Dieses Fazit ziehen Kenner der Verhältnisse aus der soeben abgeschlossenen dreitägigen Konferenz der Araberliga.

Die Tagung endete zwar ohne offizielles Kommunique, und über den Gesprächsverlauf lag ein dichter Geheimnisschleier. Das Hauptergebnis drang trotzdem in die Öffentlichkeit: Die arabischen Regierungen unterstützen, so beschlossen deren Delegierte in Kairo, künftig noch mehr als bisher die palästinensischen Guerillagruppen, allen voran „El Fatah“. Deren Chef Abu Ammar alias Jassir Arafat war gleichberechtigter Tagungsteilnehmer, und das ägyptische Protokoll erwies ihm Ehren wie einem amtierenden Kabinettschef.

Die Guerillas bekämpfen, verführt von ihren Anfangserfolgen im Untergrundkampf und auf dem diplomatischen Parkett, inzwischen jede Verhandlungslösung. Sie trauen sich zu, mit politischer, finanzieller und militärischer Rückendeckung durch die benachbarten Länder nicht mehr nur die eroberten Gebiete befreien, sondern auch den jüdischen Staat beseitigen zu können. Die Abkehr der Palästiner von dem kurz nach dem Junifeldzug 1967 gezeigten Realismus ist wahrscheinlich die bestür-zendste Entwicklung der letzten zwanzig Monate. Die Araber beharren, um es deutlich auszusprechen, heute wieder auf demselben Standpunkt wie vor zwanzig Jahren.„El-Fatah“-Sprecher Arafat ist gegen direkte Verhandlungen ebenso wie gegen die Vermittlung der Großmächte oder der UN. Er erklärte unmißverständlich: „Die sogenannten Großmächte mögen beschließen und tun, was sie wollen. Die Palästiner haben ihren eigenen Beschluß gefaßt: Wir fechten den Konflikt mit Waffen aus! Jarring? Wir haben bis jetzt seine Bekanntschaft nicht gemacht!“ Diese Haltung läßt wenig Hoffnung. Zurückzuführen ist sie natürlich, wie aus der Umgebung des Partisanenhäuptlings verlautet, auch auf den Fehler, daß die Palästiner noch nie als ernsthafte Gesprächspartner anerkannt wurden, obwohl sie am meisten betroffen sind. Weder Israel verhandelte jemals mit ihnen noch tat es bis jetzt UN-Vermittler Jarring.

Doch der wahre Grund für die völlig verflüchtigte Verständigungsbereitschaft liegt in der maßlosen Selbstüberschätzung, der die Araber schon wieder zu erliegen drohen, so, als ob nichts geschehen wäre. Sowjetische Waffenlieferungen und ihre eigenen Propagandaübertreibungen lassen sie glauben, sie könnten in einer vierten Schlacht das Kriegsglück doch noch wenden. Davon sind, wie die Kairoer Außenministerkonferenz gezeigt hat, nicht nur die Guerillas überzeugt, sondern auch die arabischen Regierungen. Abdel Nasser spielt, so flüstert man am Nil, mit dem Gedanken an einen Verzweiflungsakt als letztes Mittel gegen den drohenden Mdliitärpuitsch.

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