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Wenig Liebe fur Steckenpferde

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Seit Hans Sima das Amt eines Landeshauptmannes von Kärnten angetreten hat — und dieser Amtsantritt liegt nun beinahe schon fünf Jahre zurück —, dürfte er kaum eine Rede gehalten haben, ohne auf den „Schnittpunkt dreier Kulturkreise, den Raum Alpe-Adria“ einzugehen. Wer Sima kennt, weiß auch, daß er jede Gelegenheit benützt, um der Öffentlichkeit etwas mitzuteilen. Diese Öffentlichkeit wird von Sima bei der Eröffnung von Volksschulen, Ausstellungen, Bädern, Skiliften, Ärztetagungen und Fachtagungen über Torstahl genau so, wie beim Empfang von Künstlern, Kindern, Sportlern und Jungofflzieren darauf aufmerksam gemacht, daß Kärnten auf dem für ihn — oder einen seiner „Ghost-writer“ — offensichtlich zu einer fixen Idee gewordenen „Schnittpunkt dreier Kulturkreise“ (gemeint sind neben Kärnten die angrenzenden Provinzen Slowenien und Friaul Julisch-Venetien) liegt. Während Kärntner Abwehrkämpferverbände noch immer mißtrauisch über die Karawanken blicken und die Landesparteiorganisation der FPÖ mit der Forderung nach einer Minderheitenfeststellung in Süd-kämten in die Landtagswahlen zog — die sie dann auch prompt verlor —, spricht der Landeshauptmann von einer „Politik der guten Nachbarschaft“ (mit Jugoslawien und Italien), die getragen ist vom „Geist der Solidarität und Toleranz“. In Kärnten — so könnte der unbefangene Beobachter meinen — ist also eine Welle der sich nach Süden wendenden Verbrüderung ausgebro-t chen. Allein, das mit Blechmusik zu den vorhin zitierten Volksschuleröffnungen eingeholte Landvolk weiß mit dem von seinem Landesfürsten angepriesenen „Raum Alpe-Adria“ genausowenig anzufangen wie die jüngere Generation Kärntens, die durch organisierte Kontaktpflege mit den Altersgenossen jenseits der Grenzen die Sendboten dieser„Poli-tik der gegenseitigen Verständigung“ stellen soll. Und dies, obwohl Simas Hauspostille, die „Kärntner Tageszeitung“, dem vorjährigen Besuch eines slowenischen Begierungsmitgliedes größere Beachtung schenkte als etwa dem spektakulären Besuch der englischen Monarchin in Österreich, obwohl Joumalistentreffen der drei Länder stattfinden — demnächst soll ein dreisprachiger Pressealma-nach erscheinen —, obwohl jährlich in einer der drei Provinzen gemeinsame kulturelle Veranstaltungen stattfinden, obwohl von der Realisierung eines gemeinsamen Fremdenverkehrsprojektes an der Dreiländerecke gesprochen wird, Pläne zur Schaffung einer dreisprachigen Kulturzeitschrift auftauchten — und inzwischen wieder in der Versenkung verschwanden —, das ORF-Landesstudio — dessen Intendanz sich des öfteren den Vorwurf gefallen lassen muß, „Sima-hörig“ zu sein — Alpe-Adria-Sendereihen („Drehscheibe Südost“) auf das Programm setzte und sich sogar die Blindenverbände der drei Länder zu regelmäßigen Aussprachen zusammenfinden. Noch in diesem Sommer will die „Liga für die Vereinten Nationen“ ein Alpe-Adria-Jugend-seminar in Klagenfurt durchführen. Als man bei der Jahreshauptversammlung auf die Finanzierung dieses Planes zu sprechen kam, konnte der Sekretär dieser Vereinigung mit gutem Grund feststellen, daß der Alpe-Adria-Gedanke „ein besonderes Steckenpferd des Herrn Landeshauptmannes“ sei und man daher auch mit den entsprechenden Subventionen rechnen könne. Wie sehr die Liebe zu diesem Sima-Steckenpferd von einem — man behauptet nicht kleinen — Teil der Kärntner geteilt wird, ersah man aus den Leserbriefreaktionen nach einer — bis auf eine Ausnahme in deutscher Sprache gehaltenen — Lesung eines slowenischen Lyrikers in einer Unterkärntner Bezirksstadt. Der zuständige Kulturstadtrat wurde beschuldigt, eine „slowenische Sprachinsel auf rein deutschem Gebiet“ errichten zu wollen! Die Argumente der „Nicht-Alpe-Adria-Enthu-siasten“ werden aber auch in vertretbareren Formen vorgebracht. So verweist man auf das bei weitem nicht so große Verbrüderungsbedürfnis auf der Gegenseite — vor allem auf der italienischen. Die Slowenen verlautbaren zwar ständig in ihrem Lokalsender die in Kärnten vorzufindenden Urlaubsmöglichkeiten, doch genügen schon wenige Zahlen aus der — ebenfalls verlautbarten —

Liste der Hotel- und Lifttarife, um einen Kärntenurlaub für die Bewohner von Titos gelockerterem Arbeiter- und Bauernstaat undiskutabel zu machen. Daneben wird nur zu oft vorgebracht, daß das von Sima und seinem Kreis gesehene natürliche Verlangen nach der Pflege eines ausgeprägten Nachbarschaftsverhältnisses bei der alten Garde genausowenig wie bei der Jugend vorhanden ist. Man fährt zwar recht gerne nach Italien und Jugoslawien auf Urlaub,doch dabei bleibt es meist. Sima wartet inzwischen noch immer auf die Reaktion der Jugend. „Die Jugend“, so stellte ein jüngerer Kärntner Journalist bei einer Rundfunkdiskussion fest, hätte bereits reagiert, „mit nicht vorhandenem Interesse“ nämlich, und setzte damit eine Tat, die der traurigen Schlachtung einer in landesamtlichen Gehegen künstlich gemästeten heiligen Kuh gleichkommt.

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