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Weniger Krügeln

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Nach der Bundesrepublik Deutschland stand Österreich, was das Biertrinken betrifft, in Europa bisher hoch im Kurs. Alles, was daher mit dem Gerstensaft zusammenhängt, seien es Preiserhöhungen oder Firmenzusammenlegungen, wird aus diesem Grund in den heimischen Massenmedien und in der Bevölkerung viel zitiert und diskutiert.

Jüngst haben nunmehr Fusionsgespräche in der Brauindustrie die Öffentlichkeit mindestens ebenso erregt wie die Tatsache, daß man unter dem Segensspruch „Hopfen und Mal? Gott erhalfs”, gleichzeitig mit derlei Zusammenlegungsplänen dem österreichischen Bierkonsumenten verkündete, der Bierpreis werde um 10 Prozent hinaufschnellen.

Selbst in der österreichischen Brau industrie gesteht man auf die Frage, ob derlei vor den Wahlen taktisch klug sei, daß man hier Wieniger an Taktik und Politik denn an die Tatsache gedacht habe, daß der Bierpreis, wolle man nicht in die roten Ziffern kommen, erhöht werden müßte.

Denn tatsächlich waren die Bierpreiserhöhung und die Fusionsgespräche sofort zum politischen Schlager für bevorstehende Wahlen geworden. Die Arbeiterkammer warf die Tatsache in den Wahlkampf, daß die Bierpreiserhöhung

• in Österreich breiteste Bevölkerungsschichten getroffen hätte, da der Prokopfverbrauch schon 1967 bei 101 Liter lag,

• die Gewerkschaften meinten, ein Zusammenschluß mehrer Brauereien würde dazu beitragen, daß Österreich, das in der Weltbiererzeugung an 16. Stelle liegt, eines der größten Bierkartelle Europas aufweisen würde,

• und selbst in den Brauereikreisen gab man zu, daß derartige Fusionsverhandlungen im wesentlichen zur Stärkung des Kartells geplant seien. Im Mittelpunkt der Fusionsgespräche stand die Brauerei Schwechat — weitgehendst im Besitze der Familie Mautner Markhof (51 Prozent) —, die österreichische Brau AG und schließlich auch die Brauerei Zipf AG. Realisten meinen allerdings dazu, die Anlässe sollen vielmehr in der Tatsache zu suchen gewesen sein, daß man dann in Preisfragen leichter zu einer Einigung gekommen wäre,

• die Möglichkeit gehabt hätte, erfolgreicher gegen die südösterreichische Konkurrenz der Familie Rei- ninghaus (Gösser, Puntigamer, Rei- ninghaus, Villacher) antreten zu können,

• und schließlich die schwierige Si tuation gegenüber der ausländischen Konkurrenz im Inland und beim Export in die EWG besser meistern hätte können.

Stillschweigen gebrochen

Aus Kreisen der Schwechater Brauerei meint man allerdings, daß für den momentanen Abbruch der Fusionsverhandlungen mehr die Tatsache ins Gewicht gefallen sei, daß das Stillschweigen über Gespräche vorzeitig gebrochen wurde.

Daß auch auf politischer Ebene eine solche Fusion, zu der es nach Ansicht führender Braufachleute noch im September kommen wird, bedenklich aufgenommen wird, ist auf den Umstand zurückzuführen, daß eine Fusion der „drei Brauereibetriebe den größten industriellen Zusammenschluß nach dem Krieg, dazu noch in privater Hand, bedeuten würde”.

Obwohl derzeit die genannte Fusion also nicht zustande kommt, spekuliert man trotz verschiedener Dementis in Fachkreisen bereits weiter: In den Monsterkonzern auf dem Biersektor im Norden des Landes soll in einem zweiten Gang dann auch noch die Salzburger Stieglbrauerei und die Wiener „Ottakringer” einbezogen werden.

Nord-Süd-Kartell?

Das aber würde, so meint man vor allem bei den Konsumentenvertretern, dazu führen, daß dann nur noch zwei Großunternehmen in Österreich bestünden.

„Das würde ja zu einem Konditionen- und Preiskartell unvorstellbaren Ausmaßes führen”, meint man bei der Arbeiterkammer. Die wenigen verbliebenen Kleinbetriebe müßten dann bald dem Drude der Großen weichen.

• So dürfen schon jetat viele Be triebe nur eine Biersorte führen, während man im Ausland durchaus mehrere Sorten erhält;

• können viele Restaurants und Gasthöfe nur gewisse Limonadengetränke führen, weil sie diese von einer Tochterfirma der jeweiligen Brauerei beziehen müssen;

• und müssen schließlich auch das wesentlich teurere Exportbier in kleinen Flaschen in genügender Zahl absetzen.

Der Konkurrenzkampf wird sich innerösterreichisch immer stärker auswirkem, und als Ursache derartiger Preissteigerungsversuche und Fusionsgespräche führt man an, daß

• im heurigen Jahr in den meisten Bundesländern trotz starker Hitzewochen von „mehreren Krügeln im Schatten” — wie man im Volksmund sagt — der Bierkotnsum rückläufig gewesen sei;

• der Österreicher immer mehr dazu neige, das „Pilsner” oder das „Pschorr” dem „Gösser” und dem „Schwechater” vorzuziehen und der heimischen Produktion damit in den Rücken falle.

Denn nur die Bundesländer Salzburg und Tirol haben im Bierausstoß im Sommer 1969 eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Das aber führt man weniger auf den österreichischen Biertrinker denn auf den deutschen Bierdurst in den Fremdenvefkehrsgebieten zurück. Daß es in der Zwischenzeit in den Fusionsvenhandlumgen zu keiner Einigung kam, führt man in Kreisen der Mautner-Markhof-Gruppe nicht nur auf die Tatsache zurück, daß über Vorstandszusammensetzungen noch keine Einigung erzielt werden konnte, sondern vielmehr auch darauf, daß die bedeutenden Brauereien, die als Fusionspartner genannt wurden, im Besitz vieler Familien und Personen sind.

Die Tatsache allerdings, daß der Österreicher das Bier als Fernsehgetränk noch immer nicht akzeptiert hat und daß dadurch allein von 1967 auf 1968 der Prokopfverbrauch von 101 Liter auf 98,2 Liter weiter zu- rückgegaingen 1st, meint man, könne durch Preiserhöhungen allein nicht ausgeglichen werden.

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