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Wenn der Mensch in Ordnung ist...

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Schon als ganz junger Abt sprach er auf dem „Allgemeinen Deutschen Katholikentag in Wien 1933 und hinterließ durch seine vielbeachtete Rede im Stadion nachhaltigen Eindruck, so daß noch im Jahre 1957 der Rektor der Wiener Universität, Univ.-Prof. Dr. Johann Schima, schreiben konnte: „Es vergeht wohl kaum ein Tag, wo ich nicht an Ihre Predigt am Katholikentag denke — .Wenn der Mensch in Ordnung ist, ist der Staat in Ordnung', eine Rede, die für mich den Höhepunkt der ganzen Veranstaltung bedeutet hat, weil sie doch das brennendste Problem unserer Zukunft behandelt, aber auch ihm zu Leibe rückt,

Der Ordensnachwuchs war sehr erfreulich. Im Jubiläumsjahr 1933 — fünfzig Jahre Benediktiner in Seckau — zählte der Konvent 91 Mitglieder, von denen außer dem Abt noch 34 Priestermönche waren. Damit war annähernd die bisher erreichte Höchstzahl von 99 Mitgliedern des Jahres“ 1902 unter dem Gründerabt Ildephons Schober erzielt worden. Fast in allen größeren Städten des Bundesstaates sprach er bei besonderen Anlässen. Vielen Priestern des Ordens- und Weltklerus hielt er in Seckau selbst und auswärts Exerzitien, sogar auf Volksmissionen sprach er öfter und scheute nicht in der Verbotszeit die ständige Bespitzelung der Gestapo.

Traf ihn die Aufhebung des Abtei-gymnasiums Seckau 1938 schwer, so bedeutete für ihn die brutale Aufhebung seines Klosters am 8. April 1940 durch die Geheime Staatspolizei Graz und die folgende fünfjährige Verbannung die schwerste Heimsuchung. Der Konvent zählte damals 86 Mitglieder. Als letzter verließ er am 22. April 1940 seine geliebte „Wahlheimat Seckau und Österreich, jedoch im zuversichtlichen Glauben an eine Rückkehr. Vom Mutterkloster Beuron (Hohenizollern) aus suchte er durch persönlichen Kontakt und Korrespondenz seine weithin zerstreuten Söhne — 24 Ordensbrüder standen im Kriegsdienst — zusammenzuhalten.

Wegen eines Verbotes der Eisenbahnbenützung durch die Gestapo zog er sich schließlich die letzten drei Kriegsjahre nach Baden-Baden zurück, von wo er mit Hilfe der Franzosen am 2.“ September“ 1945 nach seinem geliebten Seckau zurückkehren konnte. Zielbewußt ging er sogleich an den Wiederaufbau. Am 15. Oktober 1945 erstand wieder das Abteigymnasium. 1950 beteiligte sich, die Abtei an der von der österreichischen Bischofskonferenz (1947) angeregten sozialen Siedlungsaktion. Von dem nicht großen Besitz (1938 besaß die Abtei etwa 284 Hektar) wurden 45 Hektar an 33 Pächter verkauft; sieben ansässige Familien erhielten Bauplätze, zwei Umsiedlerfamilien durch Schenkung.

Dabei gab es planmäßige Restaurierungen und Neuaufstellungen von Altären in der Basilika. Das schöne alte Seckauer Geläute ließ Abt Benedikt wieder herstellen. Hatte er schon 1949 eine neue Chororgel aufstellen lassen, so gab er noch kurz vor 1957 den Auftrag für den Bau der großen Orgel auf der Westempore (Walcker, Ludwigs/bürg bei Stuttgart). Auch die alte Tradition“ der“ klösterlichen“ Gold-“ und Silberschmiedekunst (Br. Bernrward Schmid) fand verständnisvolle Pflege.

Nach 31jähriger, verdienstvoller Regierung wählten die Mönche der Erzabtei Beuron am 18. Juli 1957 Aibt Benedikt zum 6. Erzabt des Mutterklosters. Viele seiner Freunde in Österreich waren über die Berufung erstaunt und nicht wenig betrübt über das unerwartete Scheiden. Abt Benedikt rechtfertigte“ ich mit dem Wort: „Wo der Wille Gottes, da ist meine Heimat (Claudel, Columbus). Aus hunderten von Briefen aus allen Schichten der Bevölkerung wurde ersichtlich, wie sich Erzabt Benedikt nicht nur höchste Achtung, sondern auch Liebe erworben hatte. Generalabt Dr. Sighard Kleiner, Ord. Cist., schrieb: „Jedenfalls freut es uns, daß man nicht bloß einen Deutschen in Österreich brauchen kann, sondern auch einen zum guten Österreicher gewordenen Deutschen in seinem Heimatland noch brauchbar findet.''

Wenn einer an der Erneuerung des religiösen Lebens im Sinne des Konzils, insbesondere an der wiedergeschenkten Osternacht persönlichen Anteil hat, dann ist es der Erzabt Benedikt Reetz, der als Wegweiser und Bahnbrecher in Wort und Schrift in die neueste Liturgiegeschichte eingegangen ist. Als Präses der Beuroner Kongregation nahm er auch als Komzilsvater am II. Vati-kanum lebhaftesten Anteil, öfter meldete er sich bei den Sitzungen zu Wort. Seine Konzilsrede vom 22. Oktober 1964 bleibt denkwürdig: Er nahm unter dem spontanen Beifall der Konzilsväter die „Periti aus dem Religiosenstand und die Religiösen (Ordensleute) allgemein gegen Angriffe in Schutz. Mit dem ihm eigenen Humor, aber doch mit allem Ernst, der wohl verstanden wurde, trat er für die Ordensleute ein. Diese Entgegnung trug ihm die Freundschaft seines ritterlichen Gegners, des Erzbischofs von West-minster, und obendrein eine Einladung zu einem Friedensmahl bei den englischen Bischöfen ein. Von den Konzilsvätern wurde er wegen seines sprühenden Humors der „Scherzabt genannt. Als ein Bene-nictus wird er für immer unvergessen bleiben!

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