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Wenn Politik die Kunst mißbraucht

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Was haben sie gemeinsam, die vollbusige Bäuerin auf dem Traktor und die etwas zuhebliche Maria mit (blondem) Jesusknaben vor dem Stadtbild Wiens? Sie zeigen, wie bildende Kunst von der Politik in den Dienst genommen werden kann, wie sie als demagogisches Emotionalisierungselement oder zur oberflächlichen Lebensverschönerung eingesetzt wird. Sie zeigen auch, daß politische Manipulation leichter möglich wird, wenn die Künstlerpersönlichkeit nicht so bedeutend ist. Ab 28. März wird die Ausstellung „Kunst und Diktatur“ im Wiener Künstlerhaus sich mit der Architektur, Bildhauerei und Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion zwischen 1922 (Staatsstreich Mussolinis) und 1956 (XX. Sowjetischer Parteitag mit öffentlicher Anprangerung der Verbrechen Stalins) beschäftigen. Die Schau soll zeigen, wie verschiedene totalitäre Regime mit der Kunst und den Künstlern umgegangen sind, sie wird Gemeinsamkeiten und gegenseitige Beeinflussung, aber auch die Unterschiedlichkeiten (sowohl politisch wie auch kunsthistorisch) deuthch machen. Während in

Italien und Deutschland bildende Kunst und Architektur dieser Zeit bereits gut erforscht und in Ausstellungen präsentiert worden sind, ist in Österreich sowohl die Periode des Ständestaates wie auch des Nationalsozialismus kunstgeschichtlich bisher weitgehend unaufgearbeitet. Und erstmals überhaupt werden österreichische, deutsche, italienische und sowjetische Kunstwerke einander gegenübergestellt und verglichen werden können.

Der gemeinsam mit einem Team junger Wissenschaftler für die Ausstellung verantwortliche Kulturpublizist Jan Tabor stellt zwischen dem Zustandekommen der Ausstellung und dem Zerfall des kommunistischen Ostens jedenfalls einen Zusammenhang her. Eine wichtige Adressatengruppe dieser Ausstellung sind für Tabor junge Menschen, für sie und ihre Lehrpersonen werden Einführungs- und Begleitveranstaltungen sowie Spezialführungen angeboten (FURCHE 3/94). Tabor meint, daß Jugendliche zu einem kritischen Umgang mit der politisierten Ästhetik hingeführt werden müßten – gerade in der aktuellen politischen Situation. Wie wird Kunst gebraucht? Was bietet das Regime an, was bekommen die Künstler?

Solche Fragen seien für die vier Länder durchaus unterschiedlich zu beantworten. Während der „Sozialistische Realismus“ in der Sowjetunion erst spät, 1932, die bis dahin relativ freie Kunstentwicklung ablöste und von der Utopie eines Paradieses auf Erden geprägt war, wurde in Italien die Kunstrichtung des Futurismus durch den Faschismus sozusagen in Politik umgesetzt. Was auch damit zu tun habe, daß Mussolini ein musisch gebildeter Intellektueller gewesen sei, Stalin dagegen die Kunst lediglich nach Nützhchkeitserwägungen einsetzte. Die Kunst des Nationalsozialismus sei hingegen vom Rassismus geprägt gewesen, von der Darstellung des rassisch reinen Menschen und war vom Spießbürger Hitler bestimmt.

Im Austrofaschismus sei die Situation komplexer gewesen, so Tabor, es sei kaum in künstlerische Belange von oben eingegriffen worden, bis zum „Anschluß“ habe es keine Reglementierungen gegeben. Clemens Holzmeister, Staatssekretär für Kultur und ein Freund Schuschniggs, sei eine Art guter Geist gewesen. Er war selbst international tätig und trat für künstlerische Vielfalt ein. Erst 1938 brachte den radikalen Einschnitt, viele mittelmäßige Künstler entpuppten sich als geheime Nazis, die notwendige Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer (mit Arierparagraphen) vertrieb viele Künstler ins Ausland. Manche im Austrofaschismus geschätzten Künstler wie etwa Ferdinand Andri, Carry Hauser (oder auch Ernst Krenek) hatten vor dem Nationalsozialismus gewarnt, Holzmeister und Hauser (wie auch Krenek) mußten vor den Nazis fliehen. An Beispielen werden in der

Ausstellung 17 Ankäufe Hitlers aus den Depots in München zu sehen sein, oder einige Werke, die Österreich bei der Eröffnung seines neuen Pavillons bei der Biennale von Venedig 1934 zeigte (Wilhelm Krauß, Albert Janesch) oder die Mosaikentwürfe von Franz Sterrer für die Seipel-Dollfuß-Kirche in Wien 15. Leider kann etwa Herbert Boeckls Altarbild des Heiligen Stephanus aus der Friedenskirche in Wien nicht in die Ausstellung transferiert, werden.

Den Besucher erwarten einerseits rund 300 Gemälde und Skulpturen in der Kunst-Schau, anderseits informieren ihn in einer Kommentar-Schau Dokumente, Bücher, Zeitschriften, Kleinkunstwerke. Dazu kommen noch sogenannte „Dossiers“ zu politischen Schlagworten wie „Kunst und Rasse“, „Blut und Boden“, „Geschmack der Diktatoren“ und andere.

In Teilrekonstruktionen werden die österreichischen Beiträge zu den Biennalen 1934, 1936, zum Kunstwettbewerb der Olympischen Spiele 1936 in Berlin oder zur „Entartete Kunst“-Ausstellung in Wien (1939) zu sehen sein. Auch ein Querschnitt aus der 1946 von Kulturstadtrat Viktor Matejka zusammengestellten Schau „Niemals vergessen“ wird präsentiert.

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