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Wer folgt auf Dieter Knall?

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Fünf Kandidaten sind derzeit bereit, sich der Wahl für das Amt des evangelischen Landesbischofs zu stellen.

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Fünf Kandidaten sind derzeit bereit, sich der Wahl für das Amt des evangelischen Landesbischofs zu stellen.

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Ich war gerne Bischof. Meine Tätigkeit hat mir große Freude gemacht”, erklärte der scheidende Bischof der Evangelischen Kirche A.B., Dieter Knall, anläßlich seines 65. Geburtstages Ende August. Eigentlich hätte er noch drei Jahre im Amt bleiben können, doch er entschied sich, früher in Pension zu gehen. „Es ist gut, wenn ein Bischof rechtzeitig aufhört und die Verantwortung in jüngere Hände legt”, so Knall.

Am Montag, dem 2. Oktober, wird sein Nachfolger gewählt. Im großen Saal des Wiener Albert-Schweitzer-Hauses tagt die öffentlich zugängliche Synode, das höchste Gremium der Evangelischen Kirche. Für Spannung ist gesorgt. Denn die Wahl des obersten Hirten der Evangelischen Kirche A.B. ist kein alltäglicher Vorgang. Seit 1945 fand sie erst viermal statt. Fünf Theologen stellen sich diesmal dem Auswahlverfahren. Es sind das Oberkirchenrat Johannes Dantine (57), der Wiener Superintendent Werner Horn (57), der Golser Pfarrer Günther Nussgruber (46), Universitätsprofessor Gustav Reingrabner (59) und der Villacher Superintendent Herwig Sturm (53).

Der Ablauf der Synode ist genau festgelegt. Zu Beginn haben alle Kandidaten die Möglichkeit, sich und ihr Programm vorzustellen. Für das Bischofsamt ist die Zweidrittelmehrheit der 58 Delegierten, die zur Hälfte aus Theologen und weltlichen Vertretern bestehen, notwendig. Sollte diese in den ersten zehn Durchgängen nicht erreicht werden, scheidet jeweils der Bewerber mit der geringsten Anzahl der Stimmen aus. Obwohl der Wahlmodus vor einem Jahr reformiert und an den Standard anderer Evangelischen Kirchen in Europa angepaßt wurde, ist er noch immer sehr langwierig und kann einige Stunden dauern. Früher brach man beim fünfzehnten Durchgang ab und schrieb die Stelle neue aus.

Die feierliche Amtseinführang des neuen Oberhirten ist für den 28. Jänner 1996 angesetzt. Alle fünf Bewerber wurden in einem langen Auswahl-verfahren nominiert. Als Bischof Knall im Herbst 1994 seinen Rücktritt bekanntgab, konnten alle Christen in den Gemeinden mögliche Kandidaten für die Nachfolge nennen. Die Namen wurden Ende vergangenen Jahres an die jeweilige Diözesansynode weitergeleitet. Je nach Größe der Diözese nominierten die Delegierten bis zu drei Kandidaten. Doch nicht alle fühlten sich für das hohe Amt geeignet. Von den insgesamt acht vorgeschlagenen Theologinnen und Theologen lehnten drei aus verschiedenen Gründen ab. Unter ihnen befand sich auch eine Frau, die Pfarrerin Hannelore Reiner aus Timelkam. Sie wollte ihrer Familie den Ortswechsel nach Wien nicht zumuten und zog daher ihre Bewerbung zurück.

Im Gespräch mit der Furche bedauert Oberkirchenrat Arthur Dietrich, „daß schlußendlich keine Frau zur Wahl angetreten ist”. Er begründet dies damit, daß in der Evangelischen Kirche Österreichs Frauen erst seit den siebziger Jahren voll gleichberechtigt sind. Es brauche daher Zeit, bis sie in den höheren Amtern akzeptiert seien. Derzeit gibt es bereits zwei Superintendentinnen, nämlich im Burgenland und in Salzburg. Dietrich ist davon überzeugt, daß bei der nächsten Bischofswahl mehrere Frauen kandidieren werden. Bei all diesen Fragen sei es wichtig, auf den Heiligen Geist zu vertrauen, betont der Oberkirchenrat.

Die demokratische Mitbestimmung aller Gläubigen bei der Wahl ihrer Oberhirten hat bei den Lutheranern eine lange Tradition. Man beruft sich dabei auf die Urkirche. So verweist Dietrich unter anderem auf das sechste Kapitel der Apostelgeschichte. Darin wird über die Wahl von sieben Diakonen durch die Jerusalemer Gemeinde berichtet.

Der Bischof kann bis zu seiner Pensionierung im Amt bleiben. Falls er jedoch nicht den Anforderungen entspricht, steht es der Synode frei, ihn vorzeitig in den Ruhestand zu schicken. In Österreich ist ein solcher Vorgang allerdings noch nie vorgekommen.

Demokratisch besetzt man in der Evangelischen Kirche auch andere Ämter. Ist eine Gemeinde verwaist, wird die Stelle des Pfarrers ausgeschrieben. Alle Bewerber müssen in den Sonntagsgottesdiensten eine Probepredigt halten. Danach wählen die Gläubigen den aus ihrer Sicht geeignetsten Kandidaten aus.

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