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Wie grün ist Oberösterreich?

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Große Schwierigkeiten haben die Grünen in Oberösterreich. Ihre Aktionen gleichen dem Kampf David gegen Goliath - mit ungewissem Ausgang.

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Große Schwierigkeiten haben die Grünen in Oberösterreich. Ihre Aktionen gleichen dem Kampf David gegen Goliath - mit ungewissem Ausgang.

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Welchen Aktionsraum läßt die bud-getäre und politische Krise des Bundes noch den nachgeordneten Institutionen - den Ländern und Gemeinden? Zwingt sie den einzelnen Bürger, mehr noch als bisher das eigene Überleben voranzustellen und angesichts der zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Belastungen sein gesellschaftspolitisches Engagement weiter zu reduzieren? Wie sich diese verkehrte Subsidiarität auswirkt, sollen die folgenden Beispiele aus Oberösterreich zeigen.

Die privatisierte ÖBB, die nun die versiegenden Bundeszuschüsse dem Land und den Gemeinden aufbürden will, fordert vom Land jährlich 360 Millionen Schilling - der Bückfluß aus der Bundes-Mineralölsteuer beträgt 200 Millionen Schilling - zur Finanzierung ihres Begional- und Nahverkehrs, sonst drohe eine Reduzierung beziehungsweise Einstellung der Züge - trotz steigender Auslastung. Bei einer „ÖBB-Roadshow” wurden am 21. September in Linz unter dem Slogan „Freie Fahrt” als erstes für die vier Strecken Linz-Urfahr - Aigen-Schlägl, Wels - Grünau im Almtal, Haiding -Aschach/Donau und Steindorf - Braunau 44 Millionen Schilling gefordert.

Am Beispiel der Region Bad Ischl zeigt sich, daß wegen der Ausdünnung und fehlenden Koordination der Bahn und Bus-Fahrpläne (inklusive des Stadtverkehrs) seit Jahren Pendler und sonstige Beisende gezwungen sind, weiterhin ihr Auto zu benützen. Auch um den Anfang des Jahres groß angepriesenen oberösterreichischen Verkehrsverbund ist es wieder still geworden.

Die Kürzung der Bundesmittel, aber vor allem fehlerhafte Planungen und untaugliche technische Apparate entpuppten sich schon beim Probelauf als Fehlkalkulation. Das bedeutet einen Tiefschlag für alle Kampagnen zum Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel.

Auf die miserable Bahnverbindung von Oberösterreich nach Prag angesprochen bestätigte mir Verkehrsminister Klima, daß der Strecke Prag -Wien der Vorzug gegenüber jener nach Linz gegeben werde. Allen Beteuerungen zum Trotz droht jedoch ein weiterer Ausbau der Nord-Süd-Straßenachse mit Anbindung an die Pyhrnautobahn. Diese hat offenbar endgültig jene Naturschützer überfah: ren, die - auch mit Baustellenbesetzungen - das Teichltal und die Wiesen der betroffenen Bauern vor dem Zu-betonieren bewahren wollten. Das Risiko von hohen Geldstrafen beziehungsweise Schadenersatzforderungen von Firmen brachte die gewaltfreien Baustellenbesetzungen zum Erliegen. Daß auf den fehlenden 30 Kilometern Autobahn, bedingt durch die Finanznöte des Bundes, eine schmälere Sparvariante realisiert werden soll, ist für sie nur ein schwacher Trost.

Die Grünen haben mit ihrem ersten landesweiten Volksbegehren „für ein besseres Müllkonzept” angesichts der gesetzlich eingebauten Hürden große Mühe, die erforderlichen 2.500 - in den Gemeindeämtern beglaubigten -Unterschriften zu sammeln. Anders als in Vorarlberg ist in Oberösterreich keine rechtlich bindende, durch ein

Volksbegehren ausgelöste Volksabstimmung vorgesehen. In ihrer „Aktion Zukunft Oberösterreich” stellen sie dieser „Pseudo-Bürgerbeteiligung” praktikable Alternativen gegenüber. Der Landeshauptmann - und gelernte Religionslehrer - Josef Pühringer präsentiert sich mit dem Slogan „Zuhören - Nachdenken - Entscheiden”. Grüne und Umweltschützer wandelten ihn nach ihren bitteren Erfahrungen mit seiner Justament-Ent-scheidung für den Bau des Traunkraftwerkes Lambach in „Zuhören -Nachdenken - Betonieren” ab. Der aufzustauende Fluß staut auch weiter die Emotionen der bewegten Bürger auf. Sie fordern daher von der Natur-schutz-Landesrätin Barbara Prammer einen totalen Naturschutz für die seltene Fauna und Flora in allen Traunauen. Prammers demonstrative Gesprächsbereitschaft erleichtert den Dialog, obwohl auch sie zugeben mußte, daß auch sie die von der Forst- und Bauernlobby jahrelang verzögerte Realisierung des Nationalparks Nördliche Kalkalpen nur mit Mühe durchsetzen kann.

Der von den Grünen ebenso als Dialog- und künftiger Koalitionspartner gelobte Umweltlandesrat Aichinger entpuppte sich beim Kraftwerk Lambach und der Müllverbrennungsanlage Lenzing für die Bürgerinitiativen als herbe Enttäuschung. Ob das erwähnte „Müllvolksbegehren” die Weichenstellung in der Müll„entsor-gung”, die die Landesregierung nunmehr im Dezember in Angriff nehmen will, beeinflussen kann? Sowohl die Restmülldeponierer als auch die -ver-brenner reagieren auf die durch Müllvermeidung verringerte Menge mit Zulieferungen aus Nachbarländern. Für die Bürgerinitiativen in den davon betroffenen Orten geht somit der Kampf David gegen Goliath weiter. Die Grünen konnten sich bei ihren Aktivistinnen und Aktivisten bisher vor allem auf ökonomisch abgesicherte, gehobene Mittelschichtbürger stützen. So sind die beiden Nationalräte Budolf

Anschober und Gabriele Moser von Beruf Lehrer. Werden unter sozialen Druck geratene Schichten wie Bauern, Arbeiter, Hausfrauen, Arbeitslose und so weiter noch weniger als bisher vertreten sein? Wenn es 1997 einen Fünf-Parteien-Landtag - und nach Wunsch des Spitzenkandidaten Anschober ein grünes Regierungsmitglied - geben wird, ist es fraglich, wie viele parteiunabhängige Bürgerlisten und -initiativen noch aktiv sein können. Steigende Kosten, in der Regel keine staatlichen Gelder und stattdessen rechtliche Hürden für ihre unersetzbaren Aktivitäten zwingen viele zur Aufgabe. So dekretierte die Postverwaltung, daß den Bürgerlisten für ihre Veröffentlichungen der ermäßigte Zeitungstarif entzogen wird. Die Vereine und Parteien könnte es demnächst auch treffen. Eine Entwicklung, die in Zeiten des wachsenden Protestes gegen die herrschende Politik den dafür Verantwortlichen durchaus willkommen ist.

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