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Wieder Donner am Suez

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Folgt auf den dritten rascher als erwartet der vierte arabischisraelische Krieg? Im Nahen Osten stellt man sich besorgt diese Frage. Verwelkt sind viele nach dem Waffenstillstand aufgeblühte Friedenshoffnungen. Trans Jordaniens König Hussein II. zeigt zwar zunehmende Verständigungsbereitschaft, doch — knapp 14 Tage nach ihrem aufsehenerregenden Gedankenaustausch — strafte Ägyptens Präsident Abd el Nasser den früheren britischen Kronanwalt Sir Dingle Foot Lügen: Kaum hatte sein Gesprächspartner die Londoner Regierung und die Leser eines Londoner Wochenblattes vom angeblichen Friedenswillen des Nildiktators überzeugt, versenkten ägyptische Torpedos neuester sowjetischer Bauart den israelischen Zerstörer „Eilath“.

Aus den vom jemenitischen Schlachtfeld zurückgeholten Truppen bildete man sofort kampferprobte neue Kader, die aufgefüllt werden durch die Massenmobilisierung Wehrpflichtiger. Die Bevölkerung von Suez und der Randgebiete Port Saids wurde evakuiert, und das westliche Ufer des Kanales gleicht

immer mehr einem ägyptischen Atlantikwall. Das Kairoer Waffenpotential erreichte wieder etwa 80 Prozent des Vorkriegsstandards. In den Häfen Alexandria und Port Said ankern beinahe ständig sowjetische Kriegsschiffe.

Ägypten, nach wie vor gefährlichster Gegner Israels, zeigt nicht mehr die geringste Nachgiebigkeit. Beobachter der nahöstlichen Szene nennen dafür zwei Gründe: Abd el Nasser erfreut sich durchaus nicht mehr uneingeschränkter Macht. Der radikale Organisator der Einheitspartei „Arabische Sozialistische Union“, Ali Sabri, und der gemäßigte ehemalige Polizeiminister, Zakaria Mo-hieddin, beharren auf ihrem Mitbestimmungsrecht. Die nach außen hin kaum bemerkbare Einflußnahme beider Vizepräsidenten, ihre diametral entgegengesetzten Ziele und ihr geheimer Machtkampf sind Hauptursachen für die auffälligen Schwankungen der ägyptischen Außenpolitik. Sie sind auch eine unaufhörliche Bedrohung für den Diktator, der nur so lange sicher sein kann, wie einer der Rivalen ihn noch für sich zu benutzen können glaubt

Das ist jedoch nicht der einzige Grund für den Widerspruch zwischen der Sir Dingle Foot gegenüber beteuerten Friedensbereitschaft und den Scharmützeln am Suezkanal. Zweiter Grund ist die ägyptische Revanchegelüste ermutigende Einmischung verschiedener Großmächte. Die Sowjetunion lieferte neue und erstmalig auch hochmoderne Waffen und sandte etwa 2400 Militärinstrukteure. Noch bedenklicher ist die Haltung Großbritanniens.

Englands Doppelspiel

Die britische Volkswirtschaft leidet schwer unter der unterbrochenen Suezpassage. Diese verschlechtert fortwährend die ohnedies überbelastete Devisenbilanz. Deshalb reisten Sir Dingle Foot und der frühere Botschafter in Kairo, Sir Harold

Beeley, nacheinander nach Ägypten. Sie boten Wiederaufnahme der gegenseitigen diplomatischen Beziehungen, die seit rund zwei Jahren abgebrochen sind, und britisch Unterstützung beim Versuch, Israel zum Rückzug vom östlichen Kanalufer zu zwingen, gegen die Wiedereröffnung der Suezpassage.

Unterhändler Beeley gehörte 1956 neben dem zeitweiligen konservativen Staatsminlister Nutting, der deshalb zurücktrait, zu den diplomatischen Saboteuren der Suez-Intervention. Hinter den Kulissen trug ihre Obstruktion nicht unwesentlich bei zur Erfolglosigkeit der anglo-französiischen Militärexpedition. Für seine Kairoer Gesprächspartner war er daher ein hochwillkommener Gast. Seine Mission blieb trotzdem erfolglos.

In London hatte man nämlich zweierlei übersehen: Beeleys Reise weckte naturgemäß starkes israelisches Mißtrauen, und in Ägypten weiß man zu genau, daß einerseits der britische Devisenmangel keine umfangreiche Entwicklungshilfe mehr zuläßt, und anderseits Großbritannien keinerlei Einflußmöglichkeit auf die Jerusalemer Regierung besitzt. Die Sondierungen überzeugten lediglich den nach jedem Strohhalm greifenden Diktator, daß er auch im Westen immer noch ein umworbener Machtfaktor sei. Kenner der Verhältnisse sehen daher zwischen den britisch-ägyptischen Gesprächen und der Versenkung des Kreuzers „Eilath“ auf hoher See sowie den Feuerwechseln am Suezkanal enge Zusammenhänge. Sie folgern, echte nalhöstliohe Friedensaussichten gäbe es nur, wenn vorher die längst fällige Klärung der inner-politischen Machtverhältnisse in Ägypten stattgefunden habe — und sofern wenigstens die westlichen Großmächte durch strikte Nichteinmischungspolitik direkte arabischisraelische Verhandlungen doch noch ermöglichen.

Verbrüderung der Feinde

„Schin Beth“, der israelische Geheimdienst, entdeckte nach dem Selbstmord Amers eine weitere Gefahr: die Moslem-Bruderschaft, Angehörige prominenter Familien, religiös gesinnte junge Offiziere und Intellektuelle organisierten demnach die bisher größte anti-nasseristische Widerstandssammlung. In ihrem Mittelpunkt stehen angeblich Familienmitglieder Feldmarschall Amers. Sein Sohn sagte, wie behauptet wird, am frischen Grab seines Vaters: „Gamal hat ihn auf dem Gewissen!“ Und er soll geschworen haben, ihn zu rächen.

In den Amers besäßen die Widerständler erstmalig einen sowohl für Anti-Nasseristen als auch für wankend gewordene Nasseristen akzeptablen Namen. Als Bindeglied zwischen fortschrittlich-religiösen Offizieren und Intellektuellen und konservativ-religiösen Moslem-Brüdern gilt eine einflußreiche Gruppe um Scheich Achmed el-Scharabassi; dieser lehrt an der traditionsreichen und nie vollständig gleichgeschalteten

islamischen Universität „El-Azhar“. Bisher galt es als undenkbar, daß sich gemäßigte Opposition und radikale Moslem-Bruderschaft miteinander aussöhnen könnten.

Ablenkung von innen

Also befindet sich das nasseri-stische Regime nach wie vor in ernster Bedrängnis. Abd el Nasser möchte offensichtlich, glauben Kenner der Verhältnisse, den auf ihm lastenden innerpolitischen Druck durch außenpolitische Härte und militärische Machtentfaltung an der Waffenstillstandsfront mildern.

Die ablehnende Reaktion islamischer Geistlicher auf die amtliche Anti-Juden-Politik läßt vermuten, daß die Widerstandsgruppe auch nach außen hin verständigungsbereiter wäre als das herrschende Regime. Den Diktator treibt wohl mehr die Hoffnung, je größer die scheinbare äußere Kriegsgefahr bleibe, um so geringer selten die inneren Umsturzaussichten.

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