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Wieder Winter...

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Innerhalb von vier Jahren hat die Katholische Kirche der Tschechoslowakei in ihrer Entwicklung vier Phasen durchmachen müssen: Unter Novotny hatte sie das Schlußlicht einer dürftigen Liberalisierung markiert, wobei sie neben den bescheidenen Rehabilitierungen im politischen Bereich nur Gnadenakte oder formlose Gefängnis-Entlassungen mitbekommen hat. Unter Dubcek, also während des Prager Frühlings, stand auch die Kirche keineswegs im Mittelpunkt der Erörterungen; die stärkere Liberalisierung und die bescheidene Re-Demokratisie-rung brachte ihr aber entscheidende Vorteile: echte Rehabilitierungen auch im kirchlichen Bereich, eine Wiederzulassung der Tätigkeit der Orden, eine Zulassung der Unierten Kirche in der Ostslowakei, Gestattung des Religionsunterrichtes in den Schulen, die Aufhebung des Numerus clausus an den beiden Priesterseminaren von Leitmernitz und Preßburg und die Errichtung eines Seminars in Mähren, in Olmütz, schließlich die Wiedererringung einer gewissen innerkirchlichen Einheit durch den Zusammenbruch der Friedenspriesterbewegung, die ersten Schritte einer modernen Weiterentwicklung durch das „Werk der konziliaren Erneuerung“ und eine bescheidene Ausweitung der Presse.

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Innerhalb von vier Jahren hat die Katholische Kirche der Tschechoslowakei in ihrer Entwicklung vier Phasen durchmachen müssen: Unter Novotny hatte sie das Schlußlicht einer dürftigen Liberalisierung markiert, wobei sie neben den bescheidenen Rehabilitierungen im politischen Bereich nur Gnadenakte oder formlose Gefängnis-Entlassungen mitbekommen hat. Unter Dubcek, also während des Prager Frühlings, stand auch die Kirche keineswegs im Mittelpunkt der Erörterungen; die stärkere Liberalisierung und die bescheidene Re-Demokratisie-rung brachte ihr aber entscheidende Vorteile: echte Rehabilitierungen auch im kirchlichen Bereich, eine Wiederzulassung der Tätigkeit der Orden, eine Zulassung der Unierten Kirche in der Ostslowakei, Gestattung des Religionsunterrichtes in den Schulen, die Aufhebung des Numerus clausus an den beiden Priesterseminaren von Leitmernitz und Preßburg und die Errichtung eines Seminars in Mähren, in Olmütz, schließlich die Wiedererringung einer gewissen innerkirchlichen Einheit durch den Zusammenbruch der Friedenspriesterbewegung, die ersten Schritte einer modernen Weiterentwicklung durch das „Werk der konziliaren Erneuerung“ und eine bescheidene Ausweitung der Presse.

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Diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten bedeuteten für die Katholische Kirche der Tschechoslowakei nach zwanzig Jahren harter Unterdrückung immerhin ein Aufatmen, wobei man leicht das übersah, was in diesem Jahr 1968 nicht geglückt war: die Auflassung der Einrichtung der Kirchensekretäre, die zwar zeitweilig nicht in Aktion traten, aber keineswegs abgeschafft wurden. Vor allem aber war es die Tatsache, daß es in der ganzen Zeit zu keinen Verhandlungen zwischen Prag und dem Vatikan kam, so daß heute nach wie vor nur drei der 13 kirchlichen Verwaltungsgebiete (Diözesen und Apostolische Administraturen) reguläre Bischöfe an der Spitze haben. ,

Die nächste Phase bedeutete ein Stagnieren, ein Einfrieren bei diesem Stand, was angesichts der kritischen innerpolitischen Entwicklung im Herbst 1968, nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes, vor allem aber dann ab April 1969, nach der Entfernung Dubceks als Parteisekretär, ja fast so etwas wie eine Errungenschaft darstellte. Immerhin deutete der Wechsel im Kirchenamt (Karel Hruza statt Erika Kadelcovä), eine Verstärkung der Aktivität der Kirchensekretäre in den Bezirken und Kreisen, nichts Gutes an. Mehr noch als im politischen Bereich bedeutete das Jahr 1969 für die Kirche ein Jahr, in dem noch fast unbehindert weitergearbeitet werden konnte. Sowohl Moskau als auch die neue Prager Parteiführung hatten andere Sorgen, als sich mit der in ihren Augen zweitrangigen Bedeutung der KiFche zu befassen. Vorerst galt es, die reformistischen Bestrebungen und ihre Exponenten innerhalb der KP zu entfernen, die demokratischen Tendenzen im staatlichen Bereich, voran die rasch aufgeflackerte Pressefreiheit, zu beseitigen. Dann allerdings, etwa mit Beginn des Jahres 1970, als dies im wesentlichen abgeschlossen war, hatte man wieder Zeit, sich auch mit kirchlichen Fragen zu befassen. Gegenüber der 20 Jahre vorher durchgeführten Kirchenverfolgung hatte man, was die Taktik anbelangt, gelernt; in der Systematik blieb man nicht zurück, schließlich aber war die Ausgangsbasis — eine dezimierte Kirche, eingeschüchterte Gläubige und überalterte Priester — ja weitaus günstiger als in den Jahren 1948, 1949 und 1950.

Die neue Taktik zeigte sich vorerst beim „Werk der konzdliaren Erneuerung“, das 1968 im mährischen Wallfahrtsort Velehrad gegründet worden war. Es wurde keineswegs — wie im Ausland vielfach behauptet wird — verboten, sondern einfach nicht anerkannt. Die in diesem Werk formulierten Aufgaben seien von der Kirche in deren Eigenverantwortung zu erfüllen — hieß es in der entsprechenden Erklärung des Innenministers. Die zweite Aktion ging gegen die katholische Presse, die auch 1968 den Höhenflug der tschechischen und slowakischen Presse nur bescheiden mitgemacht hat: Die Zeitschrift „Tväf“ (Antlitz) wurde noch im Herbst 1969 verboten, die „Kato-licke Noviny“ (Katholische Zeitung), die im Prager Frühling eine Spitzenauflage von 150.000 Exemplaren erreicht hatte und nicht nur an Abonnenten verkauft wurde, sondern auch im Straßenverkauf erhältlich war, sank wieder in ein bescheidenes Gettodasein zurück. Die Theologiekurse für Laien, bei denen Prof. Karl Rahner, P. Käring und Prof. Tillmann sprachen und an denen vor allem zahlreiche Studenten teilnahmen, wurden vor wenigen Wochen vom Kirchens kretariat des tschechischen Kultusministeriums verboten.

Den bisher schwersten Schlag gegen die bescheidenen Liberalisierungsmaßnahmen bedeutete die befohlene Schließung des Olmützer Prdester-seminars, eines Zweigbetriebes des Leitmeritzer Priesterseminars, für die mährischen Diözesen Olmütz und Brünn, das erst im Herbst 1969 seine Arbeit aufnehmen konnte und innerhalb eines Jahres 35 Studenten aus der Erzdiözese Olmütz und 70 aus der Brünner Diözese erfaßte, eine Zahl, die als beachtlich bezeichnet werden muß, vor allem, wenn man bedenkt, daß der bis 1968 geltende Numerus clausus für die Priesterseminare Leitmeritz und Preßburg jeweils jährlich nur 20 Theologen zuließ. Das Prager Kirchenamt hat die Schließung des Olmützer Priesterseminars mit Herbst 1970 angeordnet; wenn dies nicht noch utngestoßen wird, hätte das Seminar also nur knapp ein Jahr wirken können. Die Beschränkung des Priesternachwuchses ist um so schwerwiegender, als der zwanzigjährige Aushungerungsprozeß gerade hier sehr schmerzliche Spuren zurückgelassen hat. So sind etwa im Bereich der Erzdiözese Olmütz von 820 Welt-und Ordenspriestern 167 — also jeder fünfte — vor allem wegen Alter und Krankheit nicht mehr einsatzfähig, in der Diözese Brünn noch mehr, nämlich 153 von 557 Priestern. Aber auch auf die einzelnen Staatsbürger hat neuerlich ein Druck eingesetzt; das wurde vor allem bei der Uberprüfung der KP-Mitgliedschaft, aber auch in offiziellen Stellungnahmen des ZK der KPTsch deutlich. Unverkennbar ist übrigens auch die Stoßrichtung gegen den Prager Bi-•schof, der sich trotz seiner eher zurückhaltenden und verbindlichen Art vor allem den Haß der einstigen Friedenspriester zugezogen hat, um die sich in letzter Zeit nicht nur das Kirchenamt, sondern auch Kultusminister Bruzek persönlich bemüht, ohne allerdings über den alten Kreis eines Plojhar, Stehlik, Benes und Mara hinauszukommen. Kann also die kirchliche Situation der Tschechoslowakei nur grau in grau gezeichnet werden, so hat die Sonderentwicklung der Katholischen und der Unierten Kirche in der Slowakei nach der Föderalisierung des Staates — aus verschiedensten Gründen — eine eher noch tragischere Entwicklung genommen.

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