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Wiedergutmachung unmöglich

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Mit den Unterschriften von Deutschlands Kanzler Kohl und Tschechiens Ministerpä-sidenten Vaclav Klaus unter die „Versöhnungserklärung" sind nunmehr die nach Kriegsende erfolgten, völkerrechtlich noch immer anfechtbar erscheinenden Konfiskationen der Vermögenswerte von Firmen und physischen Personen sowie Privater deutscher Zunge in Höhe von knapp 64 Milliarden Reichsmark (heute wären das kaufkraftmäßig umgerechnet 3,2 Rillionen Schilling) vom Tisch. Denn Kohl wünscht sich „ein intensives und gut nachbarschaftliches Verhältnis, wie bereits im Tschechoslowakisch-deutschen Freundschaftspakt 1992 festgeschrieben". Ein solches ist als Basis für einen Beitritt Tschechiens zur EU unerläßlich.

Dazu der historische Background: Grundlage der Vertreibung der Deutschsprachigen war die Aberkennung von deren tschechoslowakischer Staatsbürgerschaft durch das Verfassungsdekret des Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik vom 2. August 1945. Der mit dieser Kollektivausbürgerung zusammenhängende Vermögensentzug -j unabhängig von den umfangreichen Plünderungen an sogenanntem „verlassenem Vermögen" in den ersten Nachkriegswochen - erfolgte 1945 bis 1947 allein aufgrund der deutschen Volkszugehörigkeit, also nach dem Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit durch entsprechende Gesetze der Regierung.

Faktisch waren davon alle Vermögenswerten Güter betroffen. Den zunächst in Lager zusammengeholten und schließlich per Schub über die Grenze gebrachten Personen verblieb im besten Falle nur das in Koffern Tragbare: etwas Kleidung, Bettzeug, Wäsche, einfaches Hausgerät und Werkzeug. Das Volks- und Individu-alvermögen war also für die rund 3,5 Millionen Sudetendeutschen praktisch nicht mehr existent.

Die damit zu Staatseigentum gewordenen Werte wurden unter öffentliche Verwaltung gestellt. Grund und Boden verwaltete der Nationale Bodenfonds, der ihn Personen slawischer Nationalität zuteilte. Der „Fonds der nationalen Erneuerung" hatte alle Betriebe und Bealitäten in kleinen, mittleren und größeren Vermögenseinheiten tschechischen „berechtigten Bewerbern gegen eine Vergütung" in deren EigenturH' zu übertragen. Praktisch heißt das, daß tschechische Neuansiedler und Fir-menübernehmer ihrem Staat in 'Tschechenkronen den Wert des zuvor ohne jede Entschädigung enteigneten deutschen Gutes zu bezahlen hatten, um in dessen Besitz zu gelangen.

Und hier liegt das unlösbare Problem einer „Wiedergutmachung", zumal Eigentum seit der „Sanften Be-volution" wieder als Wert gilt: Sudetendeutsches Eigentum mußte dem Staat in den späten Vierzigerjahren, wie jede andere „Ware" auch, mit damals hart erarbeiteten Kronen oder mittels Krediten von dessen Bürgern abgekauft werden, sodaß es seither zu deren rechtmäßigem Besitz geworden ist. Überdies sind mittlerweile mindestens zwei Generationen herangewachsen, die verständlicherweise nichts mehr verändert wissen wollen.

Bechtlich möglich wäre daher nur eine Globalentschädigung, wie sie zwischen Osterreich und der Tschechoslowakei für ehemals österreichische Staatsbürger im Zuge eines Entschädigungsgesetzes (Bundesgesetz vorn718. Dezember 1979) abgewickelt wurde. Ein Beispiel: Am 13. April 1982 durfte die Autorin dieser Zeilen und Erbin eines mit 1. März 1947 in Wien gemeldeten, in Böhmen abhanden gekommenen privaten beweglichen und Bank-Vermögens in Höhe von 989.788 Kronen von der Wiener Finanzlandesdirektion für sich und die bereits verstorbenen Eltern je 5.860 Schilling entgegennehmen. Zuvor galt es noch, der Finanzlandesdirektion durch eidestattliche Erklärungen Fragen zu beantworten in der Art von „Wie war es Ihnen möglich, die angegebenen Gegenstände unter den damals sehr schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen zu erwerben?". Die heimischen Beamten wußten nicht, daß damals die CSB der viertreichste Staat Europas war ... Die drei Eisenbahnwaggons mit Mobiliar sowie Dutzenden Kisten mit Kleidung, Pelzen, 'Teppichen, Bildern, Kleinmöbeln, Einrichtungsgegenständen, Porzellan, Antiquitäten und Büchern hatten einen damals (niedrig) angegebenen Wert von 227.000 Kronen. Ihre Lagerung während der Jahre 1945 bis 1947 sowie der Transport nach Österreich waren bei der Prager Niederlassung der Fa. Schenker & Co. mit dem Erlös aus dem Verkauf des Familien-schmucks bereits bezahlt. Nur - die Waggons kamen niemals in Wien an. Auch die der Österreichischen Gesandtschaft in Prag persönlich über-gebenen Sparbücher sind seit Jahrzehnten verschollen ...

Die Autorin ist freie Journalistin.

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