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Wien - Baden -Wien

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„Eine Baden — hin und zurück!“ So mancher Funktionär der ersten Regierungspartei mag in den nächsten Wochen diese Karte lösen. Sie führt ihn von einer wichtigen Vorentscheidung des kommenden Bundesparteitages der Volkspartei zur anderen — und schließlich in den Mittelpunkt wichtiger Entscheidungen für die politische Zukunft nicht nur der Oesterreichischen Volkspartei.

Doch soweit sind wir noch nicht. Wir halten in Wien. Hier versammeln sich voraussichtlich am 17. Jänner die Delegierten der ersten Regierungspartei in den Sofiensälen, um dem nach dem Rücktritt von Min. a. D. Lois W ei n-b e r g e r und Landesparteisekretär GR. Leinkauf offensichtlich gewordenen Interregnum ein Ende zu bereiten Man kann nicht sagen. d;.ß die Situation ubersichtlich ist. Auch drängt sich nicht beim ersten Gedanken gleich eine Kandidatur auf, die unbestritten ist. Die versäumte rechtzeitige Ausbildung einer „zweiten Linie“ in der Volkspartei wird hier besonders schmerzlich fühlbar. Versucht man in die vielfachen Strömungen und Gegenströmungen, an deren Bildung mehr persönliche Animositäten als Differenzen über den politischen Kurs Schuld tragen, einigermaßen Ordnung zu bringen, so tritt einem auf der einen Seite, sozusagen als Repräsentant der „Notabein“ der Wiener Partei, der Obmann des „Vereins der Freunde des Wohnungseigentums“, Abgeordneter P r i n k e, entgegen. Man kann nicht sagen, daß er sich zu -dieser Kandidatur drängt. Auf der anderen Seite gelang es dem streitbaren Bezirksparteiobmann von Währing, Dr. Georg Krasser, in den letzten Wochen über seine engere , Hausmacht“ hinaus sichtlich Terrain zu gewinnen, so daß er mit gutem Fug und Recht seine Kandidatur auf die Spitze der Wiener Parteileitung anzumelden vermochte. Krasser trägt einen Namen, der gerade in katholischen Akademikerkreisen an eine große Tradition anknüpft. Trotz seines Aufstiegs im Schatten des Namens des bekannten Onkels konnte er jedoch selbst im Kreis seiner engsten Gesinnungsgenossen nicht nur Freunde gewinnen. Sein heftiges Temperament, seine nie diplomatisch verdeckte Angriffslust tragen ein Gutteil dazu bei. Aber wer kann es sich heutzutage schon erlauben, nur Freunde zu haben? Nur färb- und kraftlose Existenzen können sich einen solchen Luxus leisten. Außerdem: Ist nicht vielleicht die übergroße Schärfe der innerpolitischen Polemiken, die mit dem Namen Krasser verbunden sind, eine Folgeerscheinung der Aussperrung der Generation zwischen 30 und 45 Jahren von jeder politischen Verantwortung? Politische Verantwortung erzieht zur Mäßigung im Umgang mit seinen Feinden und Freunden. Man gebe also diesem Mann eine Chance. Man wird ja sehen, ob und wie er sie zu nützen versteht. Im Sinne der Eintracht, die die Volkspartei heute dringender denn je braucht, bliebe letzten Endes auch noch die Möglichkeit, Prinke oder einem anderen der „Notabein“ offiziell die Obmannschaft zu übertragen und Dr. Georg Krasser zum geschäftsführenden Wiener Landesparteiobmann zu bestellen. Ein Kompromiß mit allen seinen Nachteilen und Schwächen, gewiß, aber besser als jedes Oktroi oder eine Kurzschlußlösung.

Nun ist es aber Zeit, den Zug nach Baden zu nehmen. Hier treffen wir am 29. und 30. Jänner die Delegierten des Bundesparteitages des OeAAB bei der Wahl ihres neuen Obmannes. Nachdem NR. Reich eindeutig zu verstehen gegeben hat, daß er jede Kandidatur ablehne, rücken vor allem zwei Männer in die engere Wahl. Es sind dies Staatssekretär Franz G r u b-h o f e r und NR. Dr. Alfred M a 1 e t a. Die guten Beziehungen gerade unseres Blattes zu Staatssekretär Grubhofer sind kein Geheimnis. Gerade deshalb möchten wir diesen Mann aus dem „Ländle“, seinen nüchternen alemannischen Sinn und aufrechten Patriotismus nicht auf der Regierungsbank missen. Die Führung des OeAAB braucht aber eine volle Arbeitskraft. Ist doch ein neuer OeAAB die Voraussetzung für eine neue Volkspartei.

Wird NR. Maleta dieses große Werk schaffen? Ist er nicht, heute, nach all den langen Jahren, in denen er das Generalsekretariat der OeVP verwaltet, zu sehr der Routine verfallen? Wir plädieren auch hier für einen Vertrauensvorschuß. Eines freilich ist notwendig, daß Dr. Maleta eine solche Berufung nicht als einen rein symbolischen Umzug von der Kärntner Straße in die Laudongasse auffaßt. Er muß schon etwas weiter gehen. Ein gutes Stück zurück hinter Oberweis — zurück zu seiner ersten „politischen Liebe“. Die Berufung zum Generalsekretär der OeVP bedeutete nämlich keine sehr glückliche Unterbrechung des Lebensweges Dr. Maletas als Funktionär der christlichen Arbeiterbewegung Oesterreichs, zu deren Zielen er sich von Anbeginn seines öffentlichen Hervortretens an mit seiner ganzen hohen Intelligenz und allen seinen Kräften bekannte und um derentwillen er jahrelang im Konzentrationslager büßen mußte. Charakteristisch für sein damaliges Wirken ist ein Wort aus einer seiner Schriften, in der er 1936 veröffentlichte: „Es gilt, alles daranzusetzen, daß Oesterreich nicht als bürgerlicher Klassenstaat gewertet wird. Die Massen der Arbeiterschaft sind sozialreformatorisch eingestellt. Sie wollen die Ueberwindung des liberal-kapitalistischen Systems, in welchem die Arbeiterschaft keine ihrer Menschenwürde gebührende Stellung einnimmt. Die Arbeiterschaft ist nicht bloß auf sozialreformatorische Schutzmaßnahmen erpicht, sondern auf Beseitigung der Uebel durch eine durchgreifende Gesellschaftsreform.“

Diesen Dr. Maleta braucht der OeAAB. Einen Mann, der den OeAAB zum Hort des sozialen Gewissens und — auch das ist wichtig—zum Garanten des österreichischen Kurses der Volkspartei macht

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